Gyges verwunderte sich eine Zeitlang über diese Rede; hernach aber flehte er, ihm nicht die Nothwendigkeit aufzubinden, daß er eine solche Wahl entscheide. Doch er fand kein Gehör, sondern sah wirklich, die Nothwendigkeit vor sich, entweder den Gebieter umzubringen, oder selbst durch Andere umzukommen. Da wählte er seine Erhaltung, und that folgende Frage: "Da du mich nöthigst, meinen Herrn zu tödten wider Willen: wohlan, so will ich hören, auf welche Weise wir Hand an ihn legen." Sie aber nahm das Wort und sprach: "Von derselben Stelle soll der Angriff ausgehen, von wo er mich nackend hat sehen lassen; und wenn er im Schlaf tiegt, soll Hand an ihn gelegt werden."
12. Da sie nun den Anschlag gestiftet hatten und die Nacht kam, ging Gyges (denn er war nicht entlassen, noch war für ihn eine Auskunft; sondern entweder mußte er selbst umkommen, oder Kandaules) mit der Frau in das Gemach, wo sie ihn mit einem Dolch hinter derselben Thüre verbarg. Als hierauf Kandaules ruhte, schlüpfte er hinein und tödtete ihn wirklich, und so erhielt Gyges die Frau und das Königreich. Dessen gedenkt auch Archilochus von Paros, der in dieselbe Seit fällt, in einem dreimaßigen 18Jambus.
13. In dem erhaltenen Königreich aber ward er bestätigt durch das Orakel von Delphi. Denn als die Lydier sich arg darüber aufließen, daß Solches an Kandaules verübt worden sey, und schon in Waffen standen, kamen die Anhänger des Gyges. und die übrigen Lydier darin überein: wofern das Orakel spräche, er solle König seyn über die Lydier, so solle er audch König seyn, wo nicht, die Herrschaft wieder an die Herakliden zurückgeben. Das Orakel sprach dafür, und so war Gyges König. So viel erklärte indessen die Pythia, daß für die Herakliden Rache kommen werde auf den fünften Nachkommen des Gyges. Dieses Wortes achteten die Lydier und ihre Könige nicht, bis es wirklich erfüllt ward.
(Gyges, Lydischer König 716-678.)
14. Also gewannen die Mermnaden auf Kosten der Herakliden die Herrschergewalt. Als nun Gyges Herr war, sandte er Weihgeschenke nach Delphi, und das nicht wenige, sondern schon an silbernen Weihgeschenken ist von ihm die größte Menge in Delphi; und außer dem Silber weihte er noch ungeheuer viel Gold; wozu, was am meisten bemerkenswerth ist, die goldenen Mischkrüge gehören, deren er sechs dort aufgestellt hat. Ihr Standort ist im Schatzhause der Korinthier, und ihr Gewicht dreißig Talente. Die Wahrheit aber zu sagen, ist dieß das Schafhaus nicht von der Korinthischen Gemeinde, sondern von Cypselus, Eetion's Sohne. Dieser Gyges hat zuerst unter den Barbaren, von denen wir wissen, nach Delphi Weihgeschenke gestiftet, nächst Midas, dem Sohn des Gordius, Phrygien's König. Denn auch Midas weihte den königlichen Thronstuhl, worauf er öffentlich zu Gericht saß, ein sehenswerthes Stück. Und dieser Thron steht eben da, wo des Gyges Mischkrüge. Jenes Gold aber und Silber, das Gyges geweiht, wird von den Delphiern Gygadas genannt, nach des Weihenden Namen. Auch Dieser fiel während seiner Herrschaft mit einem Heere in Milet ein und in Smyrna, und die Kolophonier-Stadt nahm er weg; indessen, da sonst nichts Großes von ihm geschah in den achtunddreißig Jahren, da er König war, so fassen wir's mit ihm bei dem Gedachten Bewenden.
(Ardys, Lyd. K. Cimmerier 678-629.)
15. Des Ardys aber, Gyges Sohn, der nach Gyges König war, will ich jetzo gedenken. Derselbe nahm Priene weg, und in Milet fiel er ein. Und zu der Zeit, da Dieser in Sardes gebot, kamen die Cimmerier, aus ihren Sitzen von den nomadischen Scythen aufgejagt, nach Asien, und nahmen Sardes weg, außer der Burg.
(Sadyattes 639-617.)
16. Auf Ardys aber, nachdem er neunundvierzig Jahre König gewesen, folgte Sadyattes, des Ardys Sohn, und war König zwölf Jahre; auf Sadyattes aber Alyattes. Und Dieser führte mit Cyaxares, des Dejoces Enkel, und mit den Medern Krieg, vertrieb auch die Cimmerier aus Asien, nahm Smyrna weg, welches von Kolophon aus bevölkert worden ist, und fiel in Klazomenä ein. Von hier aber zog er nicht nach Wunsch wieder ab, sondern erlitt einen harten Stoß. Andere Thaten, die er während seiner Herrschaft ausführte, und zwarvornämlich erzählungswerth, sind diese.
17. Er führte mit den Milesiern Krieg, den er von seinem Vater überkommen hatte. Er zog nämlich, heran und bedrängte Milet auf solche Weise: Jedesmal, wenn die Feldfrucht herangewachsen war, fiel er mit seinem Heere ein, das er mit Pfeifen und mit Harfen, mit der weiblichen und der männlichen Flöte, in's Feld führte.
Kam er nun in's Milesische, so riß er nicht die Wohnungen auf dem Lande nieder, verbrannte sie auch. nicht, und brach keine Thüre aus, sondern ließ Alles an seinem Orte stehen; dagegen die Bäume und die Frucht auf dem Felde verderbte er allemal, und dann zog er wieder heim. Denn die Milesier waren Meister zur See, so daß mit einer Belagerung vom Heer Nichts gethan war. Die Häuser aber riß der Lydier darum nicht nieder, damit eine Stätte für die Milesier da wäre, von wo aus das Feld sich besäen und bearbeiten ließe, und wenn sie die Arbeit gethan, auch für ihn Etwas da wäre, das sich bei'm Einfalt verheeren ließe.
18. Auf diese Art führte er den Krieg eilf Jahre, in denen die Milesier zwei große Niederlagen erlitten, da sie im Limeneum (dem Hafengebiet) ihres Landes und auf der Ebene des Mäander fochten. Sechs Jahre indessen von diesen eilfen herrschte noch Sadyattes, Ardys Sohn, über die Lydier, welcher zu seiner Zeit auch in's Milesische mit seinem Speer eindrang (denn eben dieser Sadyattes war's, der den Krieg angesponnen hatte); die fünf Jahre aber, welche auf die sechse folgten, führte Alyattes, Sadyattes Sohn, den Krieg, der ihn (wie auch vorhin von mir angezeigt wurde) vom Vater überkam, und so strenge Betrieb. Aber den Milesiern stand von den Ioniern Niemand in diesem Kriege bei, als allein die Chier. 19Diese leisteten Hülfe, und vergalten so Gleiches mit Gleichem. Denn die Milesier hatten zuvor mit den Chiern auch ihren Krieg gegen die Erythräer ausgehalten.
19. Als aber im zwölften Jahr vom Heere Brand in die Saat gelegt wurde, trug es sich zu, daß Folgendes daraus entstand. Nicht sobald war die Saat entzündet und vom Winde aufgetrieben, so zündete sie auch den Tempel der Athene, mit dem Beinamen Assessia, an; und also brannte der Tempel nieder. Darnach fragte man zwar im Augenblicke; Nichts nachher aber, wie das Heer in Sardis ankam, erkrankte Alyattes. Und als seine Krankheit immer langwieriger wurde, sandte er heilige Gesandte nach Delphi, sey es auf Jemands Anrathen, oder daß ihm selbst gut dünkte, den Gott über die Krankheit befragen zu lassen. Als aber Jene in Delphi angekommen waren, versagte ihnen die Pythia, einen Spruch zu thun, ehe sie den Athene: Tempel wieder aufgerichtet gerichtet hätten, den sie zu Assessus im Milerischen Lande angezündet.
20. So habe ich die Geschichte aus dem Munde der Delphier erfahren; die Milesier aber setzen noch Dieses hinzu: Periander, der Sohn des Eypselus, habe den Spruch in Erfahrung gebracht, welcher dem Alyattes ertheilt ward, und als ein besonderer Gastfreund von Thrasybul, dem damaligen Herrscher von Milet, Diesem durch einen Boten hinterbracht, daß er darum wüßte, und seinen Rath darnach fassen möchte. So sagen die Milesier, daß es ergangen sey.
21. Als nun dem Alyattes die Antwort verkündet ward, sandte er sogleich einen Herold nach Milet, um so lange mit Thrasybul und den Milesiern Friede zu machen, als er den Tempel aufbauen würde. Der Abgesandte ging dann nach Milet, Thrasybul aber, von der ganzen Sache zum Voraus genau unterrichtet, und Dessen bewußt, was Alyattes thun würde, traf folgende Anstalt. Er brachte Alles Getreide, das in der Stadt war, von ihm und von den Bürgern, auf dem Markte zusammen, und sagte den Milesiern an, wenn er das Zeichen gäbe, dann sollten sie allesammt trinken, und Freudengelage unter einander halten.
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