Ich lege meinen Schmuck an. Wie die Braut im Hohen Lied, dessen Sprache sich Mechthild in ihrer Kühnheit bediente, die Braut, die heute nicht ich bin, es der Jungen überlasse; oder es immer war, schon immer, seit ich hier bin. Braut mein ganzes Leben.
Der Schmuck ist eine Kette meiner verstorbenen Mutter, für meinen Neffen, dass auch etwas seiner geliebten Großmutter bei seinem großen Fest dabei ist, die Ahnin auch mitträgt.
Nicht nur, weil die Beine noch zittern, sondern auch aus dem Spaß an hohen Absätzen hänge ich mich elegant in den Arm meines hiesigen Bräutigams, durchschreite die weichen Teppiche, die verbauten Flure und trete in den blendenden Pfingstsonntag im Park.
Es wird ein Fest einer besonderen Liebe. Die beiden haben die Schritte ihrer Rituale sehr sacht gestaltet, mit vielen kleinen Details, kein Moment der Begegnung geht in der Form unter. Immer ist dieses feine Band zwischen den beiden und die Achtsamkeit der sie Begleitenden zu spüren.
Dahinter die Worte, die niemand gehört hat.
Am nächsten Morgen, noch immer im Hotel, kommt mein anderer Neffe zum Frühstück. Es ist ein Vergnügen, weil ich diese Felder von Spannung liebe, Altes – Neues, Brüche, Aufbrechendes. Dieser junge, wilde, begabte Künstlerkerl in diesem Grandhotel-Frühstücksraum. Wir lachen sogar laut. Mindestmaß an Kühnheit.
Und steige in den Zug nach Hause, setze mich in mein kleines Gärtchen unter die Sonne eines späten Nachmittags, betrachte ganz neu meine zwei mageren Rhododendren. In einer frostigen Aprilnacht waren die Blüten erfroren – und jetzt entdecke ich voll Staunen drei kleine, frische Nachblühende. Ganz weich, mit friedsanftenem Herzen, lese ich weiter, jetzt im alten Buch meiner ersten Begegnung mit seinen leicht vergilbten, rau gewordenen Seiten.
Alle deine Fußspuren sind gezählt, schreibt Mechthild. Sie war sehr krank am Ende ihres Lebens und zog sich – der Anfeindungen müde – in das Kloster Helfta zurück, um dort mit zwei der großen Mystikerinnen ihrer Zeit zu erleuchten und zu lehren.
Bevor sie stirbt, hinterlässt sie die tiefste, geheimnisvolle Wahrheit auf dem Weg zum Frieden in ihrem Abschiedsgedicht und schreibt, was sie alles anders machen würde, wenn sie noch länger leben würde.
Ich nehme Abschied von all meinen Feinden. Ich danke Gott, dass ich von ihnen nicht überwunden wurde. Bliebe ich länger, würde ich mich unter ihre Füße legen.
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