In Lebenskrisen bietet Scientology vordergründig Hilfen an, um nachfolgend Menschen an sich zu fesseln und seinen Prinzipien zu unterwerfen. Das wichtigste Prinzip heißt Bezahlen, denn um zu höheren Bewusstseinsstufen zu gelangen, werden Unsummen Geld verlangt. So sollen die Psychokurse bis zur höchsten Bewusstseinsstufe, die völlige Freiheit ermöglichen soll, umgerechnet ca. 488.000 Euro kosten. Hubbard war nicht nur Religionsgründer, sondern auch Unternehmergenie. Er machte sich die amerikanische Sinnkrise ab den 1950er Jahren zunutze, als es zu einem Boom kam von Psychoanalyse, Lebensberatung, Esoterik und anderen Methoden des Religionsersatzes. In Konkurrenz dazu bot Hubbard für alle Lebensprobleme sein Glaubenssystem als Lösung an. Hinzu kam noch eine gehörige Prise (Pseudo)-Wissenschaft und fertig war eine geniale Geschäftsidee. Als Religionsgemeinschaft entfiel dann auch noch die Steuerpflicht. Doch das reichte Hubbard nicht. In den 1970er Jahren gelang es seinen Anhängern sogar zeitweise, unentdeckt in der Steuerbehörde zu spionieren. Hubbard hat ein zutiefst antidemokratisches System geschaffen, das von den meisten deutschen Juristen als grundgesetzwidrig angesehen wird. Dementsprechend erfolgt seit 1997 die Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Hubbard selbst hat sich in den letzten Lebensjahren nicht mehr in der Öffentlichkeit gezeigt. Hypochondrie und Vernichtungswünsche gegenüber seinen Gegnern sollen ihn gezeichnet haben. Es wird kolportiert, dass er seinen Anhängern den Anblick seiner Person habe ersparen wollen, um ihnen nicht zu zeigen, was seine Lehre aus einem Menschen machen könne.
Die Entführungs- und Terroraktionen der RAF gingen 1977 als „Heißer Herbst“ in die Geschichte der Bundesrepublik ein. Als im September jenes Jahres eine gekaperte Lufthansa-Maschine nach Mogadischu flog, trugen die Entführer T-Shirts mit dem berühmten Porträtfoto von Che Guevara. Für den Existenzphilosophen Jean Paul Sartre war er der „vollkommenste Mensch unserer Zeit“. Manche bezeichneten ihn als „Christus mit der Knarre“.
Wer so beeindruckt, hat kein Durchschnittsleben geführt. Aufgewachsen in Argentinien in eher bürgerlicher Atmosphäre entscheidet er sich zu einem Medizinstudium in Buenos Aires. In dieser Zeit führen ihn mehrmonatige Reisen durch den gesamten südamerikanischen Kontinent, auf denen er genau soziale Ungerechtigkeit und Armut beobachtet. In Mexiko lernt er Fidel Castro kennen und schließt sich ihm und seiner Invasion auf Kuba an. Nach einem zwei Jahre dauernden Guerillakampf ziehen sie am 1. Januar 1959 siegreich in Havanna ein, der gestürzte Diktator Batista flieht in die USA. Che Guevara wird zunächst Präsident der Nationalbank. Ironischerweise gerade er, der sich nach seinen Selbstbekenntnissen nichts aus Geld macht. Später vollzieht er den Wechsel zum Industrieminister. Aus beiden Funktionen sind wesentliche und tragfähige Verbesserungen für die kubanische Bevölkerung nicht bekannt. Eher das Gegenteil. Waren seine Taten wenig berauschend, so traf dies eher auf seine Worte zu. Metaphorisch, schwer mit Bedeutung aufgeladen und nach den höchsten Zielen greifend, wie beispielsweise den neuen sozialistischen Menschen zu formen. Sätze wie „Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker“ oder „Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche“, können das kritische Bewusstsein der Zuhörer schon mal kräftig benebeln. Der letzte Satz hat übrigens eine frappierende Ähnlichkeit mit dem Goebbelsspruch: „Möglichkeiten interessieren uns einen Dreck, wir wollen das Unmögliche“. Wenn rechts und links ins Extreme gehen, kommen sie erstaunlich nahe zusammen. Doch das ist eine andere Geschichte.
Wenn rechts und links ins Extreme gehen, kommen sie erstaunlich nahe zusammen .
Innenpolitisch gescheitert, ohne dass daran Kritik geübt werden darf, zumindest in der Öffentlichkeit, wird er außenpolitisch zur Werbeikone für die kubanische Revolution. Tritt mit rhetorischer Gewandtheit und Vehemenz für den Sozialismus und die Weltrevolution ein. Zu dieser geht selbst die Sowjetunion auf Distanz und Che Guevara beschuldigt sie, die Dritte Welt im Befreiungskampf zu wenig zu unterstützen. Das ruft den moskautreuen Castro auf den Plan und es kommt zu einem angeblich 40-stündigen (!) Gespräch. Danach verschwindet der Weltrevolutionär für zwei Jahre von der Bildfläche und beteiligt sich an Guerillakriegen im Kongo und in Bolivien, wo er schließlich erschossen wird. Beide Kriege haben an den herrschenden Machtverhältnissen nichts verändert.
Über ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod ist der Personenkult um Che Guevara gründlich entzaubert worden. Der Kompromisslose war über den Kompromiss des Atomwaffenabzuges der Sowjetunion in der Kubakrise maßlos enttäuscht, gar verbittert gewesen, hätte lieber einen Atomkrieg in Kauf genommen. Gerade als politisch Interessierter und insbesondere als Arzt dürften ihm die Folgen von Hiroshima bewusst gewesen sein. Einigen Zeitzeugen galt er als Schlächter, da er Hunderte von Todesurteilen unterschrieben hat und teilweise auch eigenhändig Todesurteile vollstreckte.
Che Guevara ist der klassische Typ des Fanatikers.
Judith Butler (geb. 1954)
Die nächste Antiheldin wuchs in einer jüdischen Akademikerfamilie auf. Schon mit 14 Jahren entwickelte sie ein Interesse für philosophische und theologische Fragen. Das Studium an der Elite-Uni Yale schloss sie ab mit einer Promotion über die Auseinandersetzung Hegels mit dem Begriff der Begierde. Die Bedeutung und Wirkung von Sprache und Wort beschäftigte und beschäftigt sie weiterhin. Heute ist sie Professorin in Berkeley, Kalifornien, hatte aber auch immer wieder Gastprofessuren in Europa. Also eine durchaus gebildete Frau, deren Interessenschwerpunkt bei ethnischen und sexuellen Minderheiten liegt. Heftigste Kritik entzündete sich an ihrer Kritik an der israelischen Palästinenserpolitik und brachte ihr den Vorwurf des Antisemitismus ein.
Sie ist lesbisch und scheint Heterosexualität als gesellschaftlichen Zwang zu erleben. Ihr Hauptwerk „Gender Trouble. Feminism and the Subversion of Identity“ erschien 1991 in der deutschen Übersetzung mit dem Titel „Das Unbehagen der Geschlechter“. Wobei Trouble in der Regel mit „Ärger“ übersetzt wird. Das wäre auch passender. Denn Judith Butler scheint maßlos verärgert zu sein, dass fast alle Menschen es als selbstverständlich annehmen, als Mann oder Frau geboren zu werden. Doch diese – man verzeihe mir den antiquiert reaktionären Begriff – natürliche Ordnung will sie zerstören. Ihr o. g. Hauptwerk ist gewissermaßen ein Beerdigungsinstitut für Selbstverständlichkeiten. Die Botschaft in Kürze: Ein biologisches Geschlecht gibt es nicht, dies ist vielmehr ein soziales Konstrukt, von dem es mindestens 60 Varianten an Geschlechtsidentitäten geben soll. Die Genderideologie führt dazu, dass über Ampelmännchen und Ampelweibchen gestritten wird und im Kielwasser dieser Ideologie auch noch eine „gendergerechte“ Sprache als Norm durchgedrückt werden soll. Da Sprache eine Funktion des Denkens ist, stellt dies den Versuch dar, die Gesellschaft radikal zu verändern. Statt „die Studenten das Leben einer Studentenstadt prägen“ soll es heißen „die Studierenden das Leben einer Studierendenstadt prägen“ (Kuby, Die globale sexuelle Revolution). Das ganze Künstliche und Zurechtgedachte tritt hier zutage. Die Genderideologie ist eine zutiefst antihumanistische Ideologie, die nur orientierungslose Menschen zurücklassen wird. Warum sie von politischen Entscheidungsträgern so protegiert wird? Wahrscheinlich hat dies schon Napoleon beantwortet: „Man ist viel mehr in Sicherheit, wenn man die Menschen mit Absurditäten beschäftigt, als mit richtigen Ideen.“ Diese Absurdität hat nichts zu den wirklich dringenden Problemen der Welt beizutragen, ob es Umweltverschmutzung, Überalterung in den westlichen Industrienationen, ökonomische Ungleichheit oder was auch immer ist. Nicht jede Übertreibung dieser Ideologie geht auf das Konto von Judith Butler, doch ist sie die Hauptinitiatorin. Dafür gebührt ihr ein Platz in den vorderen Rängen der Antihelden.
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