Und ein bißchen darüber, denn schließlich will er ja leben.
Natürlich war Herr Rombach etwas erstaunt, zwei Dackel in Michaels Büro vorzufinden. Aber glücklicherweise war Tessy gleich bei seinem Eintritt vom Besuchersessel heruntergesprungen, um ihn zu beschnuppern.
Habe ich Dir schon erzählt, daß sie immer eine unwahrscheinliche Show abzieht, wenn sie jemanden kennenlernt? Dann springt sie an ihm hoch, wedelt mit dem Schwanz, macht Männchen und bitte-bitte und ist erst zufrieden, wenn sie genügend Komplimente eingeheimst hat.
Ich finde ihr Benehmen ein bißchen albern und habe ihr schon oft erklärt, daß ein guter Hund freundlich, aber vornehm-zurückhaltend sein soll, doch sie sagt, sie pfiffe auf vornehme Zurückhaltung, wenn sie anders mehr Erfolg hätte.
Nun, das hat sie unbestritten; selbst der Verleger kraulte ihr den Kopf und meinte halb geschmeichelt, halb fassungslos: »Na, du magst mich wohl?«
Und Michael ging (natürlich!) auf Tessys Zirkus ein und erwiderte: »Das ist ganz offensichtlich. Sonst führt sie sich nie so bei Fremden auf.«
Woraus Du siehst, daß Dein Sohn völlig unter Tessys Einfluß steht.
Ich blieb abwartend und mit leichtem Schwanzwedeln im Hintergrund und erntete ein freundliches Verlegerlächeln, aber dann kam Herr Rombach zur Sache.
»Was ich sagen wollte, Doktor Bernhold – diese neue Serie über berühmte Ballettgruppen, das ist nichts. Wer hat überhaupt die Idee dafür gehabt?«
»Sie, Herr Rombach«, sagte Michael nach einem kurzen Zögern.
Der Verleger musterte ihn mit einem durchdringenden Blick.
»So? Tatsächlich?«
»Ich kann Ihnen das Protokoll der Redaktionssitzung heraussuchen lassen. Es war irgendwann im letzten Winter.«
»Hm...« Herr Rombach setzte sich auf die Schreibtischkante. »Das Thema ist ja auch nicht schlecht. Nur hätte es jemand anders schreiben müssen, nicht die Dingsda... Wie heißt sie noch gleich?«
»Karin Hornberger.«
»Ganz recht. Die ist zu antiquiert, nicht flott genug.«
»Verzeihung, Chef, aber Frau Hornberger war ebenfalls Ihr Vorschlag.«
»Ja – und? Ich bin allenfalls ein primus inter pares, mein lieber Bernhold. Ich gebe Anregungen, aber das heißt noch lange nicht, daß sie stur befolgt werden müssen. Verantwortlicher Serienchef sind Sie, nicht ich. Wie viele Folgen sind denn noch geplant?«
»Insgesamt zwölf.«
»Das sind zu viele. Kürzen Sie auf sechs oder acht und zahlen Sie der Hornberger meinetwegen ein Ausfallhonorar. Und danach bringen Sie was Vernünftiges. Große Katastrophen zum Beispiel, aufgehängt an einem besonders faszinierenden Einzelschicksal. Der Trend muß natürlich positiv sein. Menschen in Todesgefahr, die danach ihr Leben geändert haben. Zerbrochene Ehen, die wieder in Ordnung kamen. Jemand, der, das Ende vor Augen, seine große Liebe fand. Ein anderer, der sich anschließend eine Südseeinsel kauft und ein völlig zurückgezogenes, naturverbundenes Dasein führt. Das Leben ist voller großer Geschichten, man muß sie nur aufsammeln. Und schreiben muß das natürlich der Ferber. Der kann so was. Rufen Sie ihn an und bestellen Sie ihm einen schönen Gruß von mir.«
In der Tür blieb Herr Rombach noch einmal stehen. »Übrigens kommt doch heute der Havasy ins Haus.« Michael nickte. »Ja, wir wollen über seinen neuen Roman sprechen, der im Herbst startet.«
»Sehr schön. Ein Marin wie Havasy hebt jede Auflage. Nur sehen Sie zu, daß er nicht wieder über Österreich-Ungarn und die Zigeuner schreibt. Das Thema hatten wir schon dreimal von ihm. Er soll mal ganz was Neues machen.«
»Das wird schwierig sein, fürchte ich. Erstens, weil Herr Havasy so beschäftigt ist, daß er kaum die Zeit hat, sich mit einem neuen Milieu ausführlich zu beschäftigen. Und zweitens, weil er mit diesen Pußta-Romanen seine größten Erfolge hatte. Er meint, die Leute erwarten das von ihm.«
»Dann machen Sie ihm klar, daß er damit auf die Dauer nur seinen Namen ruiniert. Wenn es erst mal heißt, der Havasy schreibt immer nur dasselbe, ist er passé. Arbeiten Sie mit ihm. Zwingen Sie ihn, sich für einen anderen Stoff zu erwärmen. Aber natürlich mit aller gebotenen Vorsicht. Der Mann ist schließlich ein Star. Wir können es uns nicht leisten, ihn zu verärgern.«
Damit ging Herr Rombach.
Tessy und ich fanden, daß er zwar ein sehr freundlicher Mensch ist, aber mit ihm zu arbeiten scheint nicht immer ganz einfach. Man weiß ja nicht, woran man ist, wenn er etwas anordnet und hinterher sagt, so streng hätte man es nicht zu befolgen brauchen.
Vielleicht geht es Michael mit der Katastrophen-Serie genauso wie mit der Ballettgruppe?
Tessy meint, das würde alles anders und viel einfacher, wenn erst die redaktionelle Mitbestimmung eingeführt würde. Dann hätte einer allein gar nichts zu sagen, sondern alles würde gemeinsam beschlossen.
Ich stelle mir das allerdings noch schwieriger vor. Denn das habe ich an diesem einen Tag in der Redaktion schon gelernt: Dort hält sich jeder für den Besten und das, was er schreibt, für das Wichtigste.
Also würden alle aufeinander herumhacken, und es gäbe endlose Streitereien, ohne daß man einen Entschluß faßte. Da ist ein Verleger doch bei weitem das kleinere Übel, finde ich.
Außer Frau Müller-Küppers und Fräulein Lütjenbrink gibt es noch fünf weitere Redakteure. Für Medizin und Aktuelles, für Show und Mode, für Reisen und Tips, für das Fernsehprogramm und die Witze, für Rätsel, Horoskope und Tests.
Im Layout sitzen zwei Grafiker, die den ganzen Tag die Druckfahnen zerschnipseln und sie mit den Fotos und Bildunterschriften auf großen Papierbögen wieder zusammenkleben. Außerdem ziehen sie Linien und Schnörkel darum herum und malen hin und wieder eine Blume an den Rand.
Der Hersteller ist der geplagteste Mann, denn er muß aufpassen, daß alle Redakteure pünktlich ihre Arbeit tun, sonst wird die Zeitung nicht rechtzeitig fertig.
Deshalb ist er auch schrecklich nervös. Beim Sprechen rudert er immer mit den Händen, und manchmal hat er auch Nervenzucken.
Tessy sagt, das käme vom Streß. Die Redakteure sind nämlich alle ein bißchen laut und verrückt. Sie reden viel, telefonieren noch mehr, und dazu spielt den ganzen Tag das Radio.
Außerdem sind sie oft unterwegs zu Interviews, wobei sie weit entfernte Gegenden wie die Bahamas, Teneriffa oder mindestens die Cote d’Azur bevorzugen. Das entnahm ich aus verschiedenen Unterhaltungen.
Frau Müller-Küppers zum Beispiel hatte überhaupt keine Lust, Königin Beatrix von den Niederlanden in Holland zu interviewen; sie meinte, das sei zu alltäglich. Viel interessanter wäre es für die Leser, wenn sie eine Reportage über die in vierzehn Tagen beginnende Afrika-Reise der Königin schriebe.
Du siehst daraus, liebes Frauchen, daß Journalisten selbst die Strapazen eines Fluges in einen anderen Erdteil nicht scheuen, wenn es um einen spannenden Bericht geht. Nach Holland zu fahren wäre ja viel einfacher gewesen. Aber so leicht macht es sich hier niemand.
Allerdings hat wegen dieser Umstände der Hersteller seine liebe Not, alle Beiträge rechtzeitig zu bekommen.
Heute war er besonders in Bedrängnis, weil eine bereits fertig gedruckte Seite mit einem Bericht über das glückliche Familienleben eines Filmstars nicht veröffentlicht werden konnte. Er hat nämlich gerade die Scheidung eingereicht, weil ihm seine Frau weggelaufen ist.
Ach ja, und dann gibt es noch zwei Sekretärinnen in der Redaktion. Was sie betrifft, so sind Tessy und ich uns ausnahmsweise einig: Wir mögen sie nicht.
Beide sind so arrogant wie Cesario, der Afghane, der bei uns an der Ecke wohnt. Und eine von ihnen – alle nennen sie nur Lydia – sieht auch ein bißchen so aus. Weißblonde Haare, die ins Gesicht fallen, schräge Augen und superlange Beine.
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