Helge Sobik
Vier Pfoten und drei Koffer
Ein Hunderoman von unterwegs
Cover
Titel Helge Sobik Vier Pfoten und drei Koffer Ein Hunderoman von unterwegs
Impressum
Von Uwe, von Hubert und vom schwarzen Schafhoover
Der Unruhebeobachter
Der Ball im Koffer oder: Bloß nicht vergessen werden
Der Morgen des Aufbruchs
Boxenstopp in der Eifel
Hund ohne Handy
Der Mineralwasser-Test
Bett mit Gebühr
Das Hotelzimmer verteidigen
Einer muss den Hund nehmen
Der Blechmann hinterm Rasthof
Terrain markieren – endlich angekommen
Hund am Abgrund
Die erste Nacht in der Fremde
Randale im Bad
Wo sind Deine Sachen?
Frühstück im Freien – und die Gegend beobachten
Ein Land mit wenig Stöckchen
Hundsküsse auf den Mund – iih, ein Mensch
Die Hundsperson grinst
Alleine bleiben
Wildschweine
Brille abnehmen
Freundschaftsbänder flechten
Getränke apportieren
Auf Spanisch brummen und bellen
Besänftigen beim Hämmern
Der Gimpel ist abgetaucht
Zecke am Plüschschwein
Schon wieder: auf zur Sockenernte
Jede Menge Flusen
Der Sofa-Überwurf und das Hundsgesetz
»Meine hat ein hervorragendes Sozialverhalten«
Ein Opfer: der Verband
Jetzt kann ich es ja sagen
Schon wieder das Hundsgesetz
Der Futtersack aus Barcelona
Der Gelbe Mann
Was hat er bloß?
Die Natur als Hausapotheke
Ohrenrauschen
Im Kapuzenpulli versteckt
Der halbe Mensch hinter dem Rollo
Minigolf mit der Nase
Mein Platz, sein Platz
Urlaub bei Luna
Loco
Gewagt durchs Gatter
Das Attentat
Po-li-zei-hund
Die Altpapierkiste
Wo ein Hoover ist, ist auch ein Weg
Die Raupen
Das ganze Meer für sich haben
»Wollen wir nachhause?«
Pullover-Klau von der Gartenliege
Wölfe, Bären und ein Koyote hinterm Fernseher
Schlange in Stöckchentarnung
Das Badehandtuch bringen
Heilsame Wirkung
Schon wieder packen
Tschüss sagen
Auf forsch folgt forsch
Der eigene Garten
Emmy, Black Jack & Co
Von Uwe, von Hubert und vom schwarzen Schafhoover
Es ist immer dasselbe mit seinem Namen. Ihm gefällt er. Mir auch. Aber die anderen verstehen ihn meistens falsch. Wahrscheinlich rechnet keiner damit, dass ein Hund genauso heißt wie ein amerikanischer Staubsauger – weil er alles Mögliche einsaugt, was sichtbar oder unsichtbar auf dem Boden verteilt ist, und fast dieselben Geräusche macht, wenn er eine Spur in der Nase hat und an ihr entlangschnauft. Ob im Wald oder an der Fußleiste im Wohnzimmer. Dass ich wirklich gerade »Hoover, hierher!« gerufen habe oder dass ich das schwarze 33-Kilo-Energiebündel eben als »Der heißt Hoover« vorgestellt habe – das decodieren immer noch die meisten beim ersten Aufeinandertreffen nicht richtig. Als er mit neun Wochen zuhause eingezogen war und das erste Mal durch den Garten sprang, rief meine Nachbarin gleichermaßen erstaunt wie beglückt: »Aber Du kannst Deinen Hund doch nicht ›Uwe‹ nennen!« Und beim Tierarzt in der Praxis haben sie ihn das erste Mal mit »Ach, da ist der kleine Hubert!« begrüßt und zum Glück auch gleich ins Herz geschlossen, ob unter Pseudonym oder unter Klarnamen. In der Hundeschule hat ein und dieselbe Trainerin ihn im Dreieinhalb-Minuten-Abstand hörbar verwirrt mal als »Uwe«, mal als »Hubert« gerufen, jeden meiner korrigierenden Zwischenrufe mit »Ach so, na klar« kommentiert, um gleich darauf dann wieder nach Hubert oder Uwe zu rufen. Ihm ist das egal. Hauptsache, jemand meint ihn. Hauptsache, jemand interessiert sich für ihn. Und Hauptsache, da ist jemand, den er mit einer Schlabber-Attacke begrüßen und über den er sich ausführlich freuen kann. So enthusiastisch zugewandt wie Flat Coated Retriever einfach sind, diese Hunde, die etwas größer und etwas schlanker als Labradore sind und etwas längeres Fell haben, voller unbändiger Aktivität stecken und auf Anhieb fast jeden Menschen lieb haben, der ihnen vor die Augen tritt.
Tatsächlich sind Menschenvornamen in der Hundewelt inzwischen durchaus zahlreich. Insofern liegt der Verhörer nahe. Staubsaugermarken jedenfalls sind deutlich seltener. In den zweieinhalb Jahren, die Hoover jetzt alt ist, haben wir in der Kategorie Menschenvornamen Ben, Bernie, Heinz, Kalle, Max und sogar Günther mit »th« kennengelernt, außerdem Emmy, Amy, Tabea und Gisela. Und Abwandlungen von Vornamen wie Fine oder Fili. Aber auch Hunde mit schönen Fantasienamen wie Chewie oder Milo, mit zeitlosen Klassikern wie Bello oder Bella. Und welche, die nur einen Nachnamen haben. Ich muss immer grinsen, wenn ich das eine Frauchen aus dem Nachbardorf nach ihrem fröhlichen Dobermann-Mix rufen höre: »Schröder, verdammt, kommst Du jetzt her!«
Hoovers bester Freund heißt Black Jack und ist ein Flat Coated Retriever wie er. Es gibt Leute, die sagen »Blacky« zu ihm, für andere ist er »Jacky«, für Frauchen ist er »Schatzi« und nur, wenn er allzu sehr zieht, ist er »Black! Jack! Schluss! Jetzt!«. Er kommt mit allen Varianten wunderbar klar. Wahrscheinlich würde ihn auch Schwarzer Peter nicht stören, immerhin passte es farblich. So wie Hoover sich ohne Problem mit Uwe und Hubert als Anrede abfindet.
Neulich hat ihm sein Name auf Anhieb gleich mehrere Sympathie-Punkte eingebracht. Und der Glanz hat sogar irgendwie auf mich abgestrahlt. Da sind wir das erste Mal auf großer Fahrt gen Süden gewesen, um ein paar Tage Wanderurlaub in Österreich zu verbringen, und haben im Landhotel von Familie Schafhuber gewohnt, wo Hunde erlaubt sind, nur möglichst nicht mit ins Bett sollen. Gleich an der kleinen Rezeption wurde er begeistert geklopft, gestreichelt, immer wieder mit seinem Namen angesprochen. Jedenfalls schien es mir so. Erst von Frau Schafhuber, dann von Herrn Schafhuber, anschließend von der Schafhuber-Tochter. Und ich habe aufgepasst, dass er bloß ja nicht hochspringt und vor Begeisterung über die derart euphorische Begrüßung allen nacheinander am Ohr knabbern will. Als Dankeschön für diese spontan entflammte Liebe.
Und abends im Speiseraum höre ich, wie Schafhubers an den anderen Tischen – noch immer hocherfreut – herumerzählen, dass das ja ein Ding sei. Dass das kurios sei und dass sie so was in fast vierzig Jahren Hotelbetrieb noch nicht erlebt haben. Dass nämlich ein Hund einzieht, dem bloß das Schaf am Anfang fehle und der sonst so heiße wie sie: der liebe schwarze »Huber« von dem Herrn da vorne am Fenstertisch.
Ich schaue erst etwas betreten, nicke dann freundlich herüber. An einem anderen Tisch schüttelt jemand mit dem Kopf, als wollte er »Was für ein saublöder Name für einen Hund« sagen. Ich zucke mit den Schultern. Und lächele. Und wenn diesen Abend noch einer genauer nachfragen sollte: Mein Hund heißt Uwe-Hubert Huber. Mit Bindestrich. Oder wie auch immer. Warum? Gegenfrage: Warum nicht? Hauptsache, er und ich wissen, dass er in Wirklichkeit Hoover ist. Und das seit inzwischen zweieinhalb Jahren.
Ich muss an diesem Abend nichts sagen, nichts aufklären, es fragt keiner. Und es ist ja auch egal. Den netten Schafhubers jedenfalls möchte ich auf keinen Fall die Freude verderben. Manchmal rufe ich ihn seitdem »Hundehoover«. Oder »Schafhoover«. Vor allem, wenn gerade niemand anders in der Nähe ist. Menschen hören offenbar als Erstes immer das, womit sie rechnen und was ihnen vertraut vorkommt. Als gäbe es so eine Art Auto-Korrektur-Modul fürs Unvorhergesehene im Gehirn. Und so wird aus Hoover mal Uwe, mal Hubert. Und mal Huber.
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