„Möchten Sie ein Dessert?“, fragte der Kellner, der aus heiterem Himmel neben ihrem Tisch aufgetaucht war.
Paul sah sie fragend an, aber sie schüttelte den Kopf, weil sie völlig satt und zufrieden war.
„Es ist spät“, stellte Paul fest. „Ich sollte dich nach Hause bringen, du musst morgen arbeiten.“
„Bist du meine Nanny?“
„Nein, aber wie jeder Star hast du einen Bodyguard. Also passe ich auf dich auf.“ Er wandte sich an den Ober, der das Geschirr abräumte. „Wir möchten bitte zahlen.“
Edwina zog ihren Geldbeutel heraus, aber er bestand darauf, sie einzuladen. „Nimm es als Einstand in die Band“, sagte er lächelnd.
Kenny hatte immer auf getrennte Rechnungen bestanden, fiel ihr gerade ein. Was in Ordnung war, sie hatten ja beide einen Job. Aber bei Paul fühlte es sich ganz selbstverständlich an, dass er sie heute einlud, dabei war sie normalerweise eine emanzipierte Frau. Nun ja, hin und wieder durfte man das zulassen, man traf schließlich nicht oft einen Bodyguard und Gentleman. Außerdem konnte er es sicher von der Steuer absetzen.
Sie musterte ihn, während er umständlich die Pfundnoten aus seiner Brieftasche zog. So ganz schlau wurde sie nicht aus ihm, aber der seltsame Kauz, für den sie ihn anfangs gehalten hatte, war er dann doch nicht. Okay, so richtig passte er nicht in diese Welt, aber seine Andersartigkeit gefiel ihr. Er hatte etwas Weises an sich, das sie nicht ganz zuordnen konnte, aber sie mochte es.
Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zur U-Bahn. Paul ging nah neben ihr her, nur wenige Zentimeter trennten ihre Hände. Edwina spürte ein verräterisches Zucken in ihren Fingern. Nur zu gerne hätte sie ihn leicht berührt, um zu schauen, ob er darauf eingehen und nach ihrer Hand greifen würde. Aber sie wagte es nicht, weil sie ihn nicht verschrecken wollte. Paul war ganz sicher kein Draufgänger wie Kenny, sondern ein Mann mit Stil, der sich nicht einfach so auf eine kleine Affäre einließ. Es war ein wirklich schöner Abend gewesen und Edwina ertappte sich bei dem Wunsch, ihn zu wiederholen.
Noch am Bahnsteig redeten sie über Corey Carpenter und die nächsten Auftritte. Es kam ihr vor, als wäre Paul schon ewig ein Mitglied der Band, so angeregt unterhielten sie sich.
„Ich glaube, mit unserem Retrosound haben wir tatsächlich gute Karten. So was ist im Moment bei den Radiostationen total angesagt“, erklärte sie.
Paul hatte angeboten, sie ganz bis nach Hause zu begleiten, was sie freute. Dabei fuhr sie schon seit vielen Jahren auch nachts allein durch London und brauchte keinen Aufpasser, trotzdem nahm sie sein Angebot an. Natürlich nur, weil sie dann noch ein bisschen über Musik quatschen konnten.
„Ich kenne mich da zwar nicht so genau aus, aber ich bin überzeugt davon, dass die Zuhörer die Band mögen werden. An deiner Stimme müssen wir natürlich noch etwas machen“, sagte Paul in ganz selbstverständlichem Ton.
Sie glaubte, ihn nicht richtig verstanden zu haben. Sicher hatte er sich nur vertan. Bei einer Fremdsprache konnte so etwas schon mal vorkommen.
„Du meinst bestimmt: Aus meiner Stimme kann man noch ganz viel rausholen“, schlug sie vor.
Doch er zog die Augenbrauen hoch. „Nein, nein. Da fehlt noch einiges an Schulung, aber das ist kein Problem. Wenn du diesen Corey richtig beeindrucken willst, musst du noch viel üben. In den Höhen presst du zu sehr und deine Atemstütze ist ein wenig schwach. Die Intonation muss auch noch sauberer werden, aber das bekommen wir hin. Ich habe schließlich schon bei vielen Sängerinnen den Feinschliff vorgenommen und freue mich wirklich sehr darauf, mit dir zu arbeiten! Wir machen dich so professionell, dass Mister Carpenter dir sofort einen Vertrag vorlegt.“
Völlig entsetzt starrte sie ihn an. Er war also doch gar nicht so begeistert von ihrer Stimme, wie sie angenommen hatte! Noch schlimmer fand sie, dass er sie ändern wollte, in ein Schema pressen. Dabei war sie so sicher gewesen, dass ihm genau ihre Individualität gefiel! Ihre Hände ballten sich zu Fäusten.
„Ich bin professionell!“, rief sie so aufgebracht, dass einige Passanten sich zu ihr umdrehten. „Und meine Stimme ist genau so, wie sie sein soll, verdammt noch mal! Ich brauche weder einen Feinschliff noch irgendwelche Lektionen von einem überheblichen Klassik-Fuzzi, der alles nur glatt und sauber haben will!“
Wie hatte sie nur einen Augenblick lang denken können, dieser Paul sei ein angenehmer Zeitgenosse und würde in die Band passen! Er war ein Klassikfreak und Besserwisser, der nicht die leiseste Ahnung von echter Musik hatte.
Zum Glück fuhr ihre U-Bahn gerade ein. Edwina stürmte hinein, ohne sich noch einmal nach Paul umzudrehen. Sollte er doch bleiben, wo der Pfeffer wuchs. In ihr Leben passte dieser Kerl jedenfalls nicht, das stand fest.
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