Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Vorwort zur ersten Auflage
Vorwort zur zweiten Auflage
Zum Aufbau des Buches
Zugang
Der Ausgangspunkt
Die buddhistische Ethik als Selbstbefreiung
Grundzüge der buddhistischen Philosophie
Buddhistische Erkenntnistheorie
Mittlerer Weg
Die zwei Wahrheiten
Apoha-Prinzip
Leerheit, gegenseitige Abhängigkeit und Karma
Die Wahrheit des Leidens
Die empirische Tatsache des Leidens
Die Erklärung des Leidens
Die Psychologie der Selbsttäuschung
Ethik
Die Grundstruktur der buddhistischen Ethik
Der Unterschied zwischen Moral und Ethik
Der Edle Achtfache Pfad
Moralische Vorschriften: Die fünf Regeln
Die buddhistische Ethik als Praxis der Erkenntnis
Bausteine einer buddhistischen Wirtschaftsethik
Quellen und Voraussetzungen
Kritische Wirtschaftsethik
Das ökonomische Menschenbild
Der Schein des Geldes
Geldgier und Wettbewerb
Ökologie und ökonomischer Naturbegriff
Das Karmagesetz und die Illusion der Dualitäten
Ethik des Mitgefühls
Das Verhältnis zu anderen ethischen Systemen
Vorbemerkung
Buddhismus und Wirtschaftssystem
Christliche Wirtschaftsethik
Marxismus
Liberalismus
Kant, Rawls und Habermas
Einige Fragen der angewandten Wirtschaftsethik
Die wirtschaftsethische Bedeutung der fünf Regeln
Bevölkerungswachstum und Familienplanung
Konsum
Globale Armut, ihre Wahrnehmung und ihre Ursache
Bemerkungen zum »wirtschaftlichen Fortschritt«
Endnoten
Literatur
Über den Autor
Vorwort zur ersten Auflage
Was ist das: eine buddhistische Wirtschaftsethik? Der Titel meines Buches enthält drei Bedeutungselemente: Ethik, Wirtschaft und Buddhismus. Ethik ist die Theorie des moralischen Handelns. Die Wirtschaftsethik erklärt die ethischen Regeln des wirtschaftlichen Handelns. Hierbei tritt die Wirtschaftsethik in eine spannungsreiche Beziehung zur ökonomischen Theorie, die als Wissenschaft vom wirtschaftlichen Handeln formuliert wird. Ursprünglich, so noch bei Adam Smith, verstand sich die Ökonomik als Teilgebiet der Ethik (moral science). Die moderne Wirtschaftswissenschaft dagegen versucht einen scharfen Schnitt zwischen Fakten und Werten zu machen, indem sie Werturteile in den Datenkranz der ökonomischen Theorie verlegt. Motive des Handels scheinen nach dieser Auffassung ebenso bloße Fakten zu sein wie die Rohstoffvorräte eines Landes oder die Zahl seiner Einwohner.
Der Buddhismus lehnt eine Trennung von Fakten und Werten ab. 1Alle Fakten erscheinen in ihren Eigenschaften nur innerhalb eines kognitiven Rahmens. Die jedem Faktum vorausgehende Auswahl dieses kognitiven Rahmens aber besitzt den Charakter eines Werturteils. Insbesondere betrachtet man die »Fakten« der Psychologie im Buddhismus nicht als unveränderliche Gegebenheiten, sondern als das Resultat einer Gewöhnung. Weder Handlungsmotive noch Weltbilder sind deshalb unverrückbare Voraussetzungen des Handelns. Das gilt auch und gerade für die Auffassung der Wirtschaftswissenschaften, wirtschaftliches Handeln sei notwendig und unverrückbar egoistisch motiviert. Im Buddhismus sind Erkenntnis und Ethik nicht getrennt, sondern zeigen sich als zwei Aspekte desselben Problems.
Wenn in der Gegenwart viele Formen wirtschaftlichen Handelns im Sturm der Globalisierung massive Kritik hervorgerufen haben, die auch die Wirtschaftswissenschaften als Legitimationshilfe dieser Handlungen betrifft, dann zeigt sich unmittelbar, dass die These von der »Wertneutralität« der Ökonomie als Wissenschaft nicht haltbar ist. Hinzu kommt, dass die Ökonomie als empirische Wissenschaft, die tragfähige Prognosen liefern sollte, gescheitert ist. Das weltweite Engagement gegen die Macht der Finanzmärkte und der Markenfirmen, gegen die Zerstörung vieler kultureller Traditionen und ökologischer Systeme macht zudem erkennbar, dass immer mehr Menschen nicht mehr bereit sind, dem Glauben an die unverrückbare Faktizität der Märkte und eine unveränderlichegoistische Menschennatur Folge zu leisten. Hier zeichnet sich die Notwendigkeit einer Wirtschaftsethik ab, die Abschied nimmt von diesem Glauben und dafür auch eine fundierte erkenntnistheoretische und ethische Begründung liefert. Eben diese Einheit von Erkenntnis und Ethik ist das Grundprinzip der buddhistischen Philosophie.
Der Buddhismus kann deshalb zur ethischen und ökonomischen Diskussion nicht nur einen originellen, sondern einen wirklich fundierten Beitrag leisten. Die buddhistische Wirtschaftsethik ist nicht erbauliche Zutat zum wirtschaftlichen Alltag oder eine leere moralische Hülle für eine zynische Wirklichkeit, sondern sie trifft als Erkenntnis ins Zentrum der blinden Dynamik ökonomischer Prozesse. Das versuche ich in diesem Buch zu zeigen. Damit betrete ich auf weiten Strecken, trotz einer vielfachen Rückbindung an die Tradition, Neuland. Eine Einführung in die buddhistische Wirtschaftsethik kann nicht auf ein fertiges System zurückgreifen. Der Buddhismus hat zwar eine vielfältige Ethik entwickelt; Hinweise zur Wirtschaft sind vorhanden, kaum aber systematisch entfaltet. Der Grund ist einfach: Die Dominanz ökonomischer Probleme ist ein Phänomen, das in den traditionell buddhistischen Kulturen weitgehend unbekannt war.
Wenn in diesem Buch vor allem die Veränderung der individuellen Motivation in den Mittelpunkt gerückt wird, so ist damit nicht die Möglichkeit verneint, ökonomische Probleme durch institutionelle Regelungen zu lösen. Als erster Schritt jedoch besteht der Beitrag des Buddhismus vor allem in der Ethik des Mitgefühls als wirksamer Medizin gegen den Egoismus – in der Erkenntnis der Wurzeln jenes Scheins in der Wirtschaft, der sich in Krisen und Crashs immer wieder offenbart. Ich möchte zeigen, dass sich aus den philosophischen Grundlagen des Buddhismus eine sehr effektive Gegenthese auch zur theoretischen Erklärung der Ökonomie durch die moderne Wirtschaftswissenschaft formulieren lässt.
Der Buddhismus ist »eine Wissenschaft des Geistes« 2, eine Wissenschaft, deren Wirklichkeit die Praxis der Erkenntnis ist. Diese Praxis entfaltet sich durch universelles Mitgefühl, Toleranz und Gewaltfreiheit; sie richtet sich aber gleichwohl gegen die vielfältigen Täuschungen, die das Handeln der Menschen scheinbar von blinden »Sachzwängen« abhängig macht. Ohne eine spirituelle Perspektive bleiben die Erde und ihre Lebewesen in jenem heillosen Zustand, der sich global ausbreitet, solange weiter Egoismus, Konkurrenz, Zynismus und Blindheit die Wirtschaft und die Politik beherrschen. Es ist diese fehlende spirituelle Perspektive, die sozialistische und neoliberale Experimente in die Sackgasse führte. Spiritualität heißt im Buddhismus: Weisheit des Mitgefühls. Zu zeigen, dass und wie die Einheit von Erkenntnis und Ethik in der Wissenschaft und der Praxis der Wirtschaft möglich und not-wendend ist, macht den Kern des hier vorgelegten Entwurfs aus.
Wenn ich auf den nachfolgenden Seiten oft der Kürze halber einfach von »buddhistischer Wirtschaftsethik« spreche, so wäre immer hinzuzufügen: Es handelt sich um meinen bescheidenen Versuch, aus Belehrungen durch Lehrer verschiedener buddhistischer Traditionen, eigenen Erfahrungen, Ratschlägen von Freunden, den tradierten Quellen und vereinzelten Analysen jüngeren Datums eine buddhistische Wirtschaftsethik neu zu entwickeln. Eine dogmatische, autoritative oder gar für »den« Buddhismus verbindliche Aussage ist damit in keiner Weise beabsichtigt. Mögliche Vorzüge des nachfolgenden Textes bitte ich deshalb als direkte Wirkung der Einsichten aus tradierten Texten, meiner Lehrer und Freunde zu betrachten, Schwächen dagegen ausschließlich beim Verfasser zu suchen.
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