1 ...6 7 8 10 11 12 ...15 Verfluchter Mist …
Ehe ich michs versehe, lassen meine Finger das Schwert los und es fällt zu Boden, indes meine Augenlider sich wie von selbst schließen.
»So ist’s brav«, höre ich Schatten an meinem Ohr knurren und sein Griff lockert sich endlich ein wenig, sodass ich röchelnd Luft hole.
Während meine Lunge sich brennend dehnt, hält er mich weiterhin mit dem Rücken an sich gepresst, als wollte er seinen Sieg auskosten. Ich begehe nicht den Fehler, mich erneut aus seiner Umklammerung freizustrampeln, sondern bleibe stocksteif stehen, versuche, mein rasendes Herz zu beruhigen und den zurückgewonnenen Atem zu kontrollieren.
»Wenn Ihr dann fertig gekuschelt habt, würde Euch die Herrscherin gern sehen!«
Die Männerstimme, die zu meiner Rechten erklingt, lässt mich zusammenfahren. Schatten gibt mich augenblicklich frei, tritt zurück, als hätte er sich an mir verbrannt.
Gleichzeitig wenden wir uns dem Sprecher zu, der den Trainingsplatz betreten hat und uns mit einem vielsagenden Grinsen betrachtet.
Es ist der Gemahl der Herrscherin des Landes Altra. Ein schlanker Elf, der zu den Lichtelfen gehört. Im Gegensatz zu den Dunkelelfen besitzt er blondes langes Haar, das er vorne in zwei Zöpfe geflochten und nach hinten gebunden trägt, sodass ihm die Strähnen nicht ins Gesicht fallen, zudem eine helle Haut, die sich von jener meines Trainingspartners und meiner eigenen unterscheidet.
Rein äußerlich wirkt er kaum älter als zwanzig Jahre, doch ich weiß, dass dieser Anschein auch bei ihm täuscht. Elfen können Jahrtausende alt werden und altern viel langsamer als Menschen.
Mein Kampfgefährte verbeugt sich respektvoll vor dem Neuankömmling und ich tue es ihm hastig gleich.
»Komme ich ungelegen?«, fragt der blonde Elf und neigt den Kopf zur Seite, während er amüsiert vom Assassinen zu mir und wieder zurück schaut.
»Nein, wir wollten ohnehin gerade eine Pause machen«, erkläre ich mit einem raschen Blick zu Schatten, der zustimmend nickt.
»Soso.« Der Gemahl der Herrscherin lässt seine dunkelblauen Augen blitzen. »Na dann ist ja gut – folgt mir, ich bringe euch in den Thronsaal.« Er beschreibt eine Kopfbewegung in Richtung Hauptgebäude des Zirkels, in welchem wir seit einigen Jahren wohnen.
Eigentlich habe ich ursprünglich nur kurze Zeit hier im Süden bleiben wollen, um als Diplomatin zwischen Arganta und Merita zu verhandeln. Doch das Land und seine Bewohner gefielen mir immer mehr – ganz zu schweigen von der Tatsache, dass ich die Nähe zu einem gewissen Dunkelelfen nicht missen möchte.
Ich schiele verstohlen zu Schatten, der mit undurchsichtiger Miene neben mir hergeht.
Ob er dieses Prickeln, das vorhin zwischen uns war, ehe der Gemahl der Herrscherin auftauchte, ebenfalls gespürt hat? Ja, mir ist bewusst, dass er mich beinahe bewusstlos würgte, aber da war etwas … etwas, das stets zwischen ihm und mir besteht, sobald wir Zeit zusammen verbringen. Was oft ist, denn wenn er seinen Pflichten als Leibwächter der Herrscherin nicht nachkommt, trainieren wir häufig.
Meine Aufgabe hier in Merita ist es, der Herrscherin mit meinem Rat zur Seite zu stehen. Nebenbei habe ich auch noch begonnen, ihrem jüngeren Bruder unter die Arme zu greifen und mit ihm zusammen Rekruten auszubilden. Sen ist trotz seines Alters von dreiundzwanzig bereits Hauptmann der Sonnengarde, wie sich die Soldaten nennen, die der Herrscherin dienen. Wenngleich er noch einiges an Erfahrung sammeln muss und keine Magie beherrscht, schlägt er sich wacker und hat mit seinem Kampfgeschick nicht nur mich, sondern auch Schatten beeindruckt, mit dem er ebenfalls regelmäßig trainiert.
Als wir den Thronsaal betreten, fällt mein Blick direkt auf die Herrscherin, die auf einem vergoldeten Thron sitzt. Den ursprünglichen Herrschersitz, der vor dem Machtwechsel vom Tyrannen Lesath hierhin gestellt wurde, hat sie verbrennen lassen und eigentlich nie wieder auf einem solchen Stuhl sitzen wollen. Doch ich konnte sie davon überzeugen, dass gewisse Machtsymbole nun mal notwendig sind, um seine Herrschaft zu untermalen. Also ließ sie sich einen prunkvollen Thron anfertigen, den sie allerdings nur benutzt, wenn es zu wirklich wichtigen Gelegenheiten kommt. So wie jetzt anscheinend.
Ich mustere die dunkelhaarige Frau aufmerksam. Ihre Schönheit ist in den vergangenen Jahren noch strahlender geworden. Sie ist zwar erst Mitte zwanzig, dennoch bergen ihre dunklen Augen eine Weisheit, die mich jedes Mal fasziniert. Kein Wunder, ist ihr der Elf, der uns geholt hat und der nun an ihre Seite tritt, mit Haut und Haar verfallen. Sie schenkt ihm ein warmes Lächeln, das er mit einem Augenzwinkern ebenso zärtlich erwidert. Für sie hat er sogar seine geliebten Wälder verlassen und ein Leben am Meer, fernab von seiner Heimat, gewählt.
»Ich danke Euch, dass Ihr so rasch zu mir gekommen seid«, spricht sie und lässt ihren Blick zwischen Schatten und mir schweifen.
»Können wir etwas für Euch tun?«, frage ich, nachdem ich mich höflich verneigt habe.
Die Herrscherin setzt zum Sprechen an, da unterbricht sie eine helle Kinderstimme.
»Tante Lucja!«
Sofort wende ich mich der Seitentür zu, die in den Thronsaal führt und durch welche nun ein Mädchen schlüpft, dicht gefolgt von einem breitschultrigen Elfen mit dunkler Mähne, der vergeblich versucht, den Wirbelwind zu fassen zu kriegen.
»Bleibst du wohl stehen?!«, knurrt er und ich schmunzle unwillkürlich, denn die Kleine macht es ihrem Begleiter alles andere als einfach – und das, obwohl der Lichtelf einer der legendärsten Männer dieser Welt darstellt.
»Maryo, deine Fähigkeiten als Kindermädchen lassen sichtlich nach«, ruft ihm der Gemahl der Herrscherin entgegen, ehe er einen Ausfallschritt vollführt und das siebenjährige Mädchen mit einer geschmeidigen Bewegung festhält.
»Lass mich los, Papa, ich will zu Tante Lucja!«, ruft sie und strampelt in den Armen des blonden Elfen, der jedoch nur lachend den Kopf schüttelt.
»Tante Lucja ist gerade in einer wichtigen Besprechung, Layla«, erklärt er und die Art, wie er sie ansieht, zeugt von der Liebe, die er für das Mädchen empfindet.
Obwohl sie nicht von seinem eigenen Blut ist, habe ich nie einen liebevolleren Vater kennengelernt. Er vergöttert Layla mindestens genauso wie ihre Mutter. Auch mir ist das Mädchen in den vergangenen Jahren ans Herz gewachsen. Sie ist wild, neugierig, intelligent und ihre beinahe pechschwarzen Augen leuchten immer von einem inneren Schalk, den sie mit ihrem Ziehvater definitiv gemeinsam hat.
»Lass sie doch kurz zu ihr«, sagt nun die Herrscherin, die ihre Tochter ebenfalls liebevoll ansieht.
Ihr Gemahl lässt sie los und Layla läuft mit einem freudigen Aufschrei in meine Richtung.
Nie hätte ich gedacht, dass ich irgendwann ein Kind so sehr ins Herz schließen könnte, denn ich selbst habe nie den Wunsch verspürt, eine Familie zu gründen. Doch jetzt, da ich in die Hocke gehe, um Layla mit weit ausgebreiteten Armen und einem mindestens so breiten Lächeln wie ihrem in Empfang zu nehmen, stelle ich fest, wie mich Wärme durchflutet.
»Tante Lucja!«, ruft sie erneut und schlingt ihre dünnen Arme um meinen Nacken, ehe sie mir einen klebrigen Kuss auf die Wange drückt. Anscheinend hat sie mit dem Elfen Maryo zusammen wieder die Küche unsicher gemacht.
Ich bin eigentlich nicht ihre Tante, sie nennt einfach nur alle Personen, die ihr etwas bedeuten, Onkel oder Tante – gut, bis auf Maryo Vadorís, der tatsächlich ihr Patenonkel ist.
Dieser bezieht neben der Herrscherin Stellung und sieht mit zusammengezogenen Brauen zu Layla und mir. Er ist äußerst breitschultrig für einen Elfen und sein langes dunkles Haar trägt er vorne in einige feine Zöpfe geflochten. Das Faszinierendste an ihm sind aber wohl seine Augen, die in einem warmen Gold leuchten – und die Geschichten, die sich um ihn ranken, denn der Elfenkapitän ist eine lebende Legende. Umso amüsanter mutet es an, dass er in Gegenwart des kleinen Mädchens, das gerade seinen Kopf in meine Halsbeuge drückt, weich wie Butter werden kann.
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