Verdammt noch mal, was essen diese Bastarde, um derart übermenschliche Kräfte zu erhalten?! Na gut, es sind Elfen, dennoch übersteigt diese Attacke alles, was ich bisher gesehen habe – und mein Gegenüber ist fast noch ein Kind!
Ein Teil von mir ist fasziniert, der andere würde sich am liebsten direkt hier übergeben.
»Steh auf!«, befiehlt der Scheißkerl wieder in der Menschensprache Praedisch, die ich problemlos verstehe, obwohl ich in Chakas aufwuchs, wo man Temer spricht.
Als Jugendlicher wurde ich in allen drei Landessprachen Altras unterrichtet und spreche sie daher fließend. Mit ein Grund, weshalb ich nach Fayl geschickt wurde, wo Lormisch die Hauptsprache darstellt.
Energisch greift der Elf nach meinem langen Haar, um mich daran hochzuziehen.
Früher habe ich meine dunkelbraune Mähne bis fast zu den Hüften wachsen lassen, aber für die Reise stutzte ich sie, sodass sie mir bloß noch bis über die Schulterblätter fällt. Nichtsdestotrotz hege und pflege ich meine Haarpracht, da ich weiß, dass sie viele Frauen wie magisch anzieht.
Dass dieser Kerl jetzt einfach so daran herumzerrt, geht eindeutig zu weit! Mein Haar ist mir heilig und mit Sicherheit wird es nicht von so einem dreckigen Bastard wie ihm angefasst!
Ich werfe den Kopf zurück und entwinde mich damit seinen Fingern, stemme mich hoch, um wankend auf die Beine zu kommen. Meine Seite pocht fürchterlich und noch immer presse ich die Hand auf die Wunde. Ich spüre warme Flüssigkeit, die auf den Boden tropft, doch ich fixiere mit den Augen das Dunkelelfenkind.
»Geh voran, du kleine Ratte!«, zische ich.
Ein hochmütiger Zug erscheint auf seinem Gesicht und ich glaube schon, dass er die Arme vor der Brust verschränken wird, da ertönt hinter mir ein Knurren, das nicht von Steinwind, sondern von einem der beiden anderen Dunkelelfen stammt.
In ihrer eigenen Sprache sagt einer von Steinwinds Bewachern etwas, das dem Kleinen wohl gegen den Strich geht. Er schenkt mir einen weiteren flammenden Blick, ehe er sich abrupt abwendet und weiterschreitet. Da mir keine andere Wahl bleibt, folge ich ihm – sorgsam darauf bedacht, nicht zu tief einzuatmen, um meine Rippen zu schonen.
Während wir den Weg in die Höhle hinuntergehen, schließen sich uns immer mehr Dunkelelfen an, die aus dem Nichts auftauchen. Mal lehnen sie plötzlich an irgendwelchen Tropfsteinen, mal stehen sie jäh vor uns, als wären sie von der Decke gefallen. Frauen und Männer jeglichen Alters befinden sich darunter – und sie folgen uns, als wären wir der Anfang eines verdammten Festumzugs.
Hätte ich mich nicht schon an ihr unheimliches Aussehen aufgrund unseres Gefährten ›Schatten‹ gewöhnt, wäre ich wohl zusammengezuckt. Aber so nehme ich ihre finsteren Mienen mit stoischer Gelassenheit hin. Es gibt anderes, was mich mehr sorgt. Steinwinds Leben und meines zum Beispiel.
Der junge Dunkelelf hält erst an, als wir eine Weile durch die scheinbar endlose Höhle gegangen sind und vor uns ein Platz mit noch mehr Angehörigen dieser Brut erscheint. Inzwischen müssen es Hunderte sein, die sich um uns versammelt haben.
Etwas Hoffnung beschert mir lediglich, dass ich weit über uns an der Höhlendecke einen kleinen hellen Fleck erkenne, der auf eine Öffnung hindeutet. Ein Ausgang, eine Fluchtmöglichkeit.
Nur wie komme ich da hoch? Wäre mein Greif Meteor hier, hätte dies kein Problem dargestellt – bloß erreiche ich diesen leider gedanklich immer noch nicht.
Als ich mir den Platz genauer anschaue, fallen mir zwei Pfähle auf, die am hinteren Ende aufgestellt sind und zu denen Steinwind und ich nun gebracht werden.
Wunderbar … man wird uns vor der schaulustigen Menge das Herz herausreißen, während wir dort festgebunden sind.
Die Dunkelelfen, die unseren Weg flankieren, sind erstaunlich still. Ich hätte mit Jubelgeheul oder Beifall gerechnet, aber sie fixieren uns nur mit ihren roten Augen und lassen die Szenerie dadurch noch unheimlicher erscheinen.
Aufmerksam sehe ich mich um, kann allerdings weder unseren ›Freund‹ Schatten noch Lucja entdecken. Entweder sind die beiden tot oder sie konnten fliehen. Ich hoffe auf Letzteres.
Als wir bei den beiden Pfählen angekommen sind, wundert es mich nicht, dass wir mit dicken Stricken daran festgebunden werden. Ich werfe einen Blick zu Steinwind, der sich ebenso konzentriert umschaut wie ich. Panik ist bei uns beiden fehl am Platz. Wir sind ehemalige Schurken und der Kampf ums tägliche Überleben ist uns nicht fremd. Wir haben schon schlimmere Situationen als diese hier gemeistert.
Nun ja … vielleicht nicht viel schlimmere.
Diese Situation ist echt RICHTIG übel …
Wir beide suchen nach einem Ausweg, ohne ihn jedoch zu entdecken.
Meine Aufmerksamkeit wird auf einen schlanken, hochgewachsenen Dunkelelfen gelenkt, der vor uns tritt. Er mustert sowohl mich als auch Steinwind ein paar Sekunden lang, bevor er sich der Menge zuwendet und wieder in dieser Scheißfremdsprache spricht, die ich nicht kenne.
»Verstehst du was?«, raunt Steinwind neben mir.
Ich schüttle zur Antwort den Kopf, da Steinwinds Worte ihm einen Faustschlag in den Magen von einem Dunkelelfen einbringen, der neben ihm steht.
Keine gute Idee, die Rede ihres Anführers zu unterbrechen. Verstanden.
Meine Rippen können auf weitere Misshandlungen verzichten.
Ich versuche, anhand der Stimmlage des Elfen irgendeinen Hinweis darauf zu bekommen, was sie mit uns vorhaben. Doch sie ist so monoton und düster, dass es von ›Schlitzt sie auf und esst ihre Eingeweide‹ über ›Wir werden ein dämonisches Ritual an ihnen vollführen‹ bis hin zu ›Lasst uns ihren Willen brechen und sie zur Sklaverei verdammen‹ alles bedeuten kann.
Mir ist bekannt, dass Dunkelelfen liebend gern Dämonen beschwören, was sie noch gefährlicher macht. Selbst habe ich mich noch nie an sogenannter grauer Magie probiert. Das ist mir zu schmutzig und Dämonen saugen zudem die Magie des Beschwörers nach und nach auf. Wenn ich etwas an mir saugen lasse, dann sind es die vollen Lippen einer Frau – sicher nicht die hässlich dunklen Kräfte eines Dämons.
Ich sehe mich um. Nur Dunkelelfen sind zu entdecken, das bestärkt mich in der Annahme, dass dieser Stamm keine Gefangenen zu Sklaven macht.
Na, das sind mal tolle Aussichten – endlich weiß ich, in welche Richtung das hier alles gehen wird. Herrlich.
Da fällt mein Blick auf einen Dunkelelfen, den ich kenne. Einen, dem ich mein Leben anvertraut habe.
»Verdammter Bastard!«, knurre ich, als ich tatsächlich den Assassinen unter den Zuschauern ausmache.
Ich zerre an meinen Fesseln, was allerdings ebenfalls von einem Faustschlag in meinen Magen unterbrochen wird. Keuchend schließe ich die Augen, versuche, gegen den Schmerz anzuatmen.
Als ich die Lider erneut öffne und zu der Stelle starre, wo der Assassine eben noch stand, ist er fort.
Aber ich habe ihn gesehen, eindeutig. Dieser Dreckskerl hat uns verraten!
Gerade beendet der Anführer seine Ansprache und Jubel bricht doch noch aus. Allerdings lässt er mir eine Gänsehaut über den Rücken gleiten. Die Mordlust in den Mienen der Dunkelelfen ist eindeutig: Wir werden gleich in Stücke gehackt.
Der Anführer wendet sich dem jungen Dunkelelfen zu, der mich hergeführt hat, und nickt, was diesem ein Grinsen entlockt. Er lässt sich von zwei seiner Kumpane die Kleidung ausziehen, sodass er schließlich nackt vor uns steht. Mir wird immer mulmiger zumute.
Was für ein kranker Scheiß geschieht hier?!
Ich beginne zu begreifen, dass es sich wohl um eine Art Aufnahmeritual oder so handelt, denn nur der junge Elf ist es, der sich für das, was gleich kommt, bereit macht. Der Rest steht weiter im Halbkreis um uns herum.
Wieder spricht der Anführer einige Worte und nun wird der Jubel der Umstehenden zu einer Anfeuerung.
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