Lange werde ich nicht mehr durchhalten, denn ich merke jetzt schon, wie meine Kräfte zu schwinden beginnen und mich Kälte zu übermannen droht.
Alarm! Ich muss Alarm schlagen, um meine Gefährten zu warnen!
Bevor ich jedoch überhaupt den Mund öffnen kann, werde ich von solch einer gewaltigen Hitzewelle überwältigt, dass ich befürchte, augenblicklich in Ohnmacht zu fallen. Mein Schild flackert unter der Attacke der Dunkelelfen, die ihre Kräfte vereint haben, um einen Feuerball auf mich zu schleudern.
Mit letzter Kraft erhalte ich den schützenden Zauber aufrecht, aber mir fehlt die Energie für einen Gegenangriff.
Zitternd schlinge ich die Arme um meine Mitte, spüre, wie meine Knie unter mir nachgeben und ich zu Boden sinke.
Der Schild darf nicht fallen, sonst werde ich sterben …
Da flimmert ebenjener besorgniserregend auf und als ich noch einmal Magie hineingeben will, ist da nichts mehr. Stattdessen bemächtigt sich eine eisige Kälte meiner Glieder.
Ich stoße einen Schrei aus, doch er ist viel schwächer, als ich beabsichtigt habe. Meine Magie versiegt, der Schutzschild flimmert ein letztes Mal und ich sehe durch meine halb geschlossenen Lider, wie sich einer der Dunkelelfen mit einem Dolch auf mich stürzt.
Dieses Mal gleitet die Klinge direkt in meinen Bauch. Noch ehe ich den Schmerz überhaupt wahrnehmen kann, sinke ich in alles umfassende Finsternis.
»Wacht auf«, höre ich eine raue Stimme an meinem Ohr, während zwei Hände mich unsanft an den Schultern rütteln. »Wacht auf!«
Die Kälte in meinen Gliedern lässt mich zittern, bevor ich richtig zur Besinnung komme.
Mist, ich habe es eindeutig zu weit getrieben, wäre wie ein unbeholfener Schüler beinahe erfroren, da ich zu viel Magie wirkte.
Mit einem Mal gleitet ein warmer Schauer durch meinen Leib, vertreibt einen Großteil der Kälte, die ihn gefangen hielt.
Magie … jemand heilt mich.
Ich blinzle benommen, kann indes nichts außer Dunkelheit sehen. Doch die Stimme, die soeben erklang, vermag ich unter Tausenden zu identifizieren.
»Schatten?«, murmle ich, woraufhin sich der Griff an meinen Schultern kurz verstärkt, bevor er mich loslässt.
»Endlich«, knurrt er.
Fahrig taste ich mit den Händen über den eiskalten Boden, auf dem ich liege. Es ist grober Fels – wir müssen uns in einer Höhle befinden.
»Ich habe Eure Wunde notdürftig versorgt und die Blutung gestillt«, ertönt die Stimme des Dunkelelfen erneut. Er spricht gedämpft, so als wollte er nicht, dass jemand sonst ihn hört.
Ich weiß, dass er als Elf kleinere Wunden heilen kann, allerdings bezweifle ich, dass seine magischen Kräfte für eine Verletzung wie meine genügen. Der Dolch, mit dem mich der Dunkelelf attackierte, war groß genug, um mir den Bauch aufzuschlitzen. Ein Wunder, dass ich überhaupt noch lebe.
Vorsichtig taste ich nach der Stelle, an welcher die Klinge in mich eindrang – und zucke zusammen, als ich das Einstichloch berühre. Durch die Kälte, die mich erfasst hat, nahm ich den Schmerz gar nicht richtig wahr, aber jetzt bricht er umso stärker über mich herein.
Verflucht, das tut verdammt weh!
»Könnt Ihr aufstehen?«, fragt Schatten leise.
»Wo sind wir?«, stelle ich eine Gegenfrage, die ihn knurren lässt.
»Hoch mit Euch«, vernehme ich gerade noch, ehe er mich unter den Achseln packt und mir ein Keuchen entfährt.
»Etwas sanfter bitte!«, protestiere ich, als er mich in die Senkrechte zieht.
Zum Glück befindet sich hinter mir eine Wand, gegen die ich mich lehnen kann, denn mein Kopf beginnt umgehend zu pochen und Schwindel befällt mich. Ganz zu schweigen von dem Schmerz, der durch meinen Unterleib zieht. Mein ganzer Körper rebelliert, die Beine wollen nachgeben, aber ich beiße mir auf die Innenseite der Wangen und atme gegen die Ohnmacht an, die sich über mich zu legen versucht.
»Folgt mir!«, befiehlt der Assassine.
In meinem Mund sammelt sich Blut, so stark habe ich mir in die Wange gebissen, doch das ist immer noch besser, als erneut bewusstlos zu werden.
»Wohin denn?«, erwidere ich gepresst. »Ich seh überhaupt nichts!«
Abermals ertönt ein Knurren, dann packt er meine Hand und zieht mich schnurstracks durch die Dunkelheit. Ich stolpere über meine eigenen Füße und kann mich gerade so an seinen Schultern festhalten, um zu verhindern, dass ich zu Boden falle.
»Passt auf«, brummt mein missmutiger Begleiter, was nun mich knurren lässt.
Der Kerl hat gut reden, er sieht in der Finsternis ebenso gut wie bei Tageslicht. Ich hingegen tappe im wahrsten Sinn des Wortes im Dunkeln.
»Wo sind wir und wo sind Léthaniel und Steinwind?«, starte ich einen weiteren Versuch, mehr über unsere Situation herauszufinden.
»Schhht«, ertönt es vor mir.
»Schhhtet mich nicht!«, fauche ich und ziehe den Pelzumhang fester um mich, da mir eiskalt ist. »Ihr könntet wenigstens eine meiner Fragen beantworten.«
»Schhht!« Schatten hält abrupt an und eine Sekunde später packt er meine Kehle.
»Spinnt Ihr?! Ich …«
Weiter komme ich nicht, da er so fest zudrückt, dass mir die Luft genommen wird.
Gleichzeitig höre ich ihn in einer mir fremden Sprache reden. Er unterstreicht die Worte mit einer Armbewegung, die meinen Kopf wackeln lässt.
Als ihm eine Stimme antwortet, gefriert alles in mir – und das nicht wegen der Kälte.
Was bei den Göttern geschieht bloß? Wer ist die andere Person? Und was für eine Sprache sprechen sie?!
Meine Gedanken rasen, während ich versuche, die Panik niederzuringen, die mich überkommen will. Eigentlich vertraue ich Schatten, aber gerade bin ich nicht mehr sicher, ob ich das sollte. Anscheinend hat er im Talmerengebirge Verbündete. Die Dunkelelfen, die unser Lager überfallen haben?
Nein … das kann … das will ich nicht glauben! Schatten würde uns nie in einen Hinterhalt locken, das wäre …
»Folgt mir!«, ertönt seine Stimme ein weiteres Mal und ich bin erleichtert, als er endlich meine Kehle loslässt und ich wieder durchatmen kann. Doch schon im nächsten Moment werde ich von ihm grob am Handgelenk gepackt und weitergezerrt.
Erneut stolpere ich durch die Dunkelheit, schlucke den Protest über die unsanfte Behandlung jedoch herunter. Erst muss ich wissen, wo ich bin und wer die andere Person ist. Dabei könnte jedes Detail, jedes Geräusch ausschlaggebend sein.
Angespannt lausche ich, vernehme allerdings nur meine eigenen Schritte. Weder die des Assassinen noch des Fremden kann ich ausmachen, sie bewegen sich lautlos durch die Finsternis.
Vergebens probiere ich, etwas zu erkennen, es ist so dunkel, dass ich schließlich resigniert aufgebe.
Schatten führt mich weiter und öffnet eine Tür. Mit einem Mal betreten wir einen Gang, der durch das Licht einer Fackel erhellt wird. Was ich im Schein der Flammen entdecke, lässt mich wünschen, ich wäre wieder in der Dunkelheit.
Vor dem Assassinen, der immer noch mein Handgelenk festhält, gehen drei weitere Dunkelelfen. Rechts und links von mir registriere ich ebenfalls zwei und ich muss mich nicht umdrehen, um zu wissen, dass auch hinter mir welche folgen.
»Schatten, was …«, beginne ich, doch der Assassine wirft mir einen drohenden Blick über die Schulter zu.
»Schweigt still oder ich reiße Euch die Zunge raus!«, knurrt er und ich erschaudere ob der Boshaftigkeit in seinen Augen.
Das ist nicht der Mann, mit dem ich Tausende Male trainiert habe. Nicht der, zu dem ich mich hingezogen fühle und dem ich vertraue. Das ist eine blutrünstige Bestie, die ihre besten Freunde verrät.
Verdammt, wie konnte ich mich so in ihm täuschen?!
Unwillkürlich will ich nach meiner Magie greifen, aber die Kräfte scheinen unterdrückt worden zu sein. Hätte mich auch gewundert, wenn es anders gewesen wäre. Es gibt diverse Möglichkeiten, Magie zu bannen, und anscheinend kennen diese Dunkelelfen mindestens eine davon.
Читать дальше