Ich taste nach meiner Magie und bin erleichtert, als ich sie spüre. Die Dunkelelfen scheinen über nicht allzu starke Mittel zu verfügen, magische Kräfte zu unterdrücken. Zudem öffnet mein Greif seine Magie unvermittelt für mich, sodass ich den nächsten Zauber ohne große Anstrengung ausführe.
Sorgsam bilde ich eine Flamme auf meiner Hand und lasse sie bis zu meinen Fingerspitzen tanzen. Meine Haut verbrennt dabei nicht, das Feuer ist mein Freund. Als die ganze Handfläche voller Flammen ist, presse ich sie auf Steinwinds Wunde, was ihn selbst in der Bewusstlosigkeit laut aufschreien lässt.
Ich beiße die Zähne zusammen, gebe nochmals etwas mehr Magie in den Zauber, bis ich verkohltes Fleisch rieche. Steinwind verkrampft sich, ehe er regungslos vor mir liegt.
»Das war’s, mehr kann ich im Moment nicht für dich tun«, sage ich leise.
Sorgfältig hebe ich mein Obergewand hoch, um die Bisswunde zu inspizieren. Dabei verfluche ich noch einmal aufs Herzhafteste diese verdammten Scheißkerle, die uns beinahe umgebracht hätten. Und diesen Drecksassassinen, der uns an sie verriet! Sollte der mir in die Finger kommen, wird er erst mal wieder laufen lernen müssen!
Ich wasche das Blut von meiner Seite und atme gegen die Kälte an, die sich meiner bemächtigen will, als ich das eisige Wasser auf der Haut spüre. Vorsichtig betaste ich die Ränder der Wunde.
Ein Biss von einem Dunkelelfen könnte schwerwiegende Folgen haben – vermute ich. Schon der Biss eines Menschen kann zu tödlichen Infektionen führen. Was geschieht, wenn ein Angehöriger dieser Elfenbrut an einem herumknabbert, will ich lieber nicht austesten. Leider wird es mir nicht gelingen, die Wunde auszubrennen – nicht mit meiner eigenen Magie, denn die würde mich zu wenig verletzen. Ich könnte das Feuer zwar so heiß machen, dass es klappt, aber dann würde es zuerst meine Hand verbrennen, ehe ich die Wunde erreiche. Auswaschen muss also vorerst genügen, was ich mit äußerster Vorsicht tue.
»Meteor«, rufe ich den Greif, nachdem ich meine Kleidung übergestreift habe.
Trotz des Pelzmantels friere ich und kann nicht verhindern, dass meine Zähne klappernd aufeinanderschlagen.
Mein Greif kommt mit seinem raubtierhaften Gang zu mir und reibt den Adlerkopf sanft an meiner nicht verletzten Seite. Er wärmt mich mittels seiner Magie ein wenig und ich lächle unwillkürlich.
Meteor ist wirklich ein gutes Tierchen …
»Du hast uns das Leben gerettet, danke«, sage ich, während ich seinen Hals kraule.
Ich helfe dem Greif, sich vom gröbsten Blut zu reinigen, danach widme ich mich wieder Steinwind, der immer noch bewusstlos neben dem Bach im Schnee liegt.
»Lass uns von hier verschwinden.«
Aber wohin? Zurück zum Lager wage ich mich nicht. Obwohl wir dort Vorräte und Verbände hätten, die wir gebrauchen könnten, falls sie nicht von den Bastarden gestohlen worden sind. Zudem befindet sich das Lager in der Nähe des Dunkelelfen-Unterschlupfs. Noch einmal will ich diesem Gesindel nicht in die Hände fallen. Meine Waffen sind ohnehin verloren, denn uns wurde alles abgenommen. Zum Glück kann ich mich mit Magie verteidigen, sollte es notwendig sein.
Lucja zu suchen, erscheint mir im Moment ebenfalls nicht klug. Wenn sie noch lebt, ist sie den Dunkelelfen ziemlich sicher entkommen und wird sich wohl zur nächsten Menschensiedlung durchkämpfen. Vielleicht nach Fayl. Dort könnte ich sie womöglich wiedertreffen, sollte es mir gelingen, Steinwind und mich in Sicherheit und zu einem Heiler zu bringen.
Ich blicke zum grauen Himmel hinauf, aus dem stetig kleine Schneeflocken auf uns herunterrieseln. Es ist ungefähr Mittag, wir haben also einen halben Tag, um einen Unterschlupf für die Nacht zu finden. Hier auf dem offenen Gelände zu bleiben, wäre zu gefährlich. Wer weiß, wer oder was sich in der Nähe noch so rumtreibt?
Wichtig ist an erster Stelle, dass wir ein Lager haben und uns gegen die Kälte und den Schnee schützen können. Wenn das erledigt ist, muss ich dafür sorgen, dass mein Freund nicht stirbt.
Die nächste menschliche Siedlung ist wahrscheinlich mehrere Tagesritte entfernt. Selbst mit Meteor wäre es weit und ich bin mir nicht sicher, ob Steinwind einen so langen Flug überleben würde. Es wird uns allerdings nicht viel anderes übrig bleiben, als es zu probieren.
»Eines nach dem anderen«, murmle ich.
Die Anstrengung, Steinwind nun doch auf Meteors Rücken zu hieven, bringt mich an den Rand meiner Kräfte, obschon mein Greif mir beherzt dabei hilft und sich sogar hinlegt. Er scheint zu spüren, dass wir uns noch nie so nahe an der Todesschwelle aufgehalten haben wie jetzt.
Schweiß strömt mir trotz der Kälte über das Gesicht und meine Wunde beginnt schon wieder zu bluten. Aber ich beiße die Zähne zusammen und lasse erst locker, als Steinwind quer über dem Greifenrücken liegt. Die gebrochenen Rippen pochen und ich verziehe vor Schmerz das Gesicht.
Es nützt nichts … da muss ich durch.
Noch einmal wasche ich mir das Blut vom Oberkörper, ziehe meine Kleider an und schwinge mich dann ebenfalls auf Meteor, der inzwischen auf allen vieren steht.
Ich versuche, mich zu orientieren. Wir sind aus dem Süden gekommen, demzufolge müssen wir dahin zurück. Denn dort liegt die nächste mir bekannte Siedlung.
Rasch gebe ich Meteor mit einem Bild der Sonne zu verstehen, in welche Richtung er fliegen soll, ehe er sich auch schon in die Luft hebt.
Erst als wir uns ein paar Dutzend Schritt über dem Boden befinden, entspanne ich mich ein wenig. Hier oben sind wir vorerst sicher, solange wir nicht das Pech haben, einem Drachen oder anderen fliegenden Wesen zu begegnen.
Wir sind etwa eine Stunde geflogen, da entdecke ich unter uns ein kleines Tal, das sowohl einen Wald als auch einen Fluss besitzt. Steinwind ist immer noch ohnmächtig und röchelt stärker als zuvor beim Atmen.
Da ich keine Ahnung habe, wie weit die nächste Siedlung tatsächlich noch entfernt ist, und kaum glaube, dass mein Freund weitere Flugstunden durchhält, gebe ich Meteor das Zeichen, dass er landen soll. Natürlich erst, nachdem ich mich vergewissert habe, dass uns unten keine böse Überraschung erwarten wird. Doch das Tal scheint unbewohnt zu sein – und vor allem frei von Dunkelelfen. Zumindest kann ich weder Spuren von Menschen noch von anderen Lebewesen ausmachen. Außerdem liegt hier ein bisschen weniger Schnee als in den höheren Lagen, was bedeutet, dass wir in der Nacht nicht so rasch frieren werden.
Wir landen an dem Fluss, der etwa zwei Schritt breit ist. Aus der Luft habe ich die perfekte Stelle für uns gefunden: einen Felsvorsprung, dessen Unterseite sich mit ein paar Ästen in eine Höhle umwandeln lässt und sich nur wenige Schritt vom Gewässer entfernt befindet.
Meteor trägt Steinwind unter den Vorsprung und ich zerre meinen Freund vom Greifenrücken, lasse ihn so vorsichtig wie möglich in den Schnee gleiten, der etwa einen Fingerbreit hoch ist. Als ich in Steinwinds Gesicht blicke, schaudere ich. Er ist aschfahl, seine Stirn schweißnass und seine Lippen sind bleich.
»Durchhalten, mein Freund«, brumme ich. »Wir haben schon Schlimmeres überstanden.«
Was eine Lüge ist, aber er hört mich ja ohnehin nicht.
Meine Seite bringt mich fast um, als ich Meteor die Satteltaschen abnehme und beginne, Brennholz zu sammeln, von dem es glücklicherweise genug in der näheren Umgebung zu finden gibt. Mit einer einzigen Handbewegung entzünde ich ein Lagerfeuer, nachdem ich die Holzstücke so gestapelt habe, dass sie eine Weile brennen.
Derweil hat Meteor meinen Befehl ausgeführt und ein Dutzend dicke lange Äste zusammengetragen. Für ihn als Greif ein Kinderspiel, er kann mit seinem Adlerschnabel und den Löwenpranken problemlos einen jungen Baum fällen.
Geschickt bilde ich mit den Zweigen eine schützende Wand um den Felsvorsprung herum, indem ich sie ein wenig in den Boden ramme und oben an den Stein anlehne. Meteor hat indes noch einige Tannenäste gebracht, die ich dazwischen flechte. Somit kann ich uns noch besser vor Wind und Regen schützen.
Читать дальше