Man kann die Vereinigten Staaten von Amerika unter anderem als ein Land mit großen dynamischen Spannungen beschreiben. Ein Land, in dem praktisch alle Bürger Einwanderer sind. Die meisten kamen als Nobodys, und ihre weitere Geschichte, und damit auch die von Amerika, ist die Geschichte ihrer Bestrebungen, etwas aus sich zu machen. Diese Verbrecher, Prostituierten, Glücksritter, Spekulanten, religiös Unterdrückten und Menschen, die darauf aus waren, ein Stück Land in Besitz zu nehmen, hatten ihre Ideen und Kultur aus England, Frankreich, Deutschland, Russland, Spanien, Armenien, Irland, Italien und weiß der Himmel woher mitgebracht. Das überrascht Sie? Sind Sie erstaunt, zu entdecken, dass das Ihre Vorfahren waren, nur ein paar Generationen von der Alten Welt entfernt? Kein Grund, überrascht zu sein: Enkel, seht euch eure Großeltern an! All diese europäischen Nobodys, die darum kämpften, es in einem Land, das den Indianern und Eskimos gehörte, zu etwas zu bringen – das ist Amerika!
Die Ersten, die kamen, mussten hart arbeiten und kämpfen, um sich etwas anzueignen und es zu verteidigen. Diejenigen, die später kamen, mussten gegen jene kämpfen, die bereits gekämpft hatten, und anschließend erneut kämpfen, um das zu bewahren, was sie sich angeeignet hatten. Das ist das Narrativ. Jene, die mehr mitbrachten, mehr Geld, mehr Macht, verfügten über die notwendigen Mittel, um Menschen und deren Dienste zu kaufen, daher wurden einige von Anfang an «mächtiger» als andere. Manche waren stärker und energischer, und sie überwältigten die weniger starken und energischen. So verändern sich die Dinge, und so entsteht eine Organisation, die Soziologen als «Gesellschaft» bezeichnen.
Dann erkannten einige Mächtige, dass sie im Süden Baumwolle anbauen konnten und dass es nicht genügend andere Leute gab, um das Land zu bearbeiten (in jenen Tagen kam man nur dann nach Amerika, wenn man keine andere Wahl hatte), daher erinnerten sie sich an eine praktische Idee, die schon die alten Griechen und andere berühmte Völker vor ihnen gehabt hatten. Sie legten sich Sklaven zu, die die Arbeit machen sollten. Manche Sklaven kauften sie, andere stahlen sie. Auf Schiffen brachte man sie nach Amerika, aneinander gekettet, damit sie nicht fliehen konnten, Männer, Frauen und Kinder in Schiffsbäuchen mit Luken aus Eisen. Es war eine teure Unternehmung, denn unterwegs starben sehr viele von ihnen und mussten über Bord geworfen werden. Und wenn man sie erfolgreich verschifft hatte, mussten sie untergebracht, ernährt und für die Arbeit aufgepäppelt werden. Außerdem musste man sie bewachen, weil sie ständig zu flüchten versuchten. Die Eigentümer taten ihr Bestes, um ihre Investitionen zu retten.
Wozu war ein Nigger gut, wenn nicht zum Arbeiten. Er war ja kein Mensch. Man schlug ihn, und er sang; er las die Bibel. Man verkaufte seine Mutter, seine Frau oder sein Kind, und er grinste einem ins Gesicht. Er ist ein Tier, eine Kuh oder ein Esel und dementsprechend zu behandeln. So lautete die vorherrschende Meinung, der Standpunkt, der in einem christlichen Land die Sklaverei rechtfertigte. Er erlaubte es den Sklavenbesitzern, am Sonntag ungestört in die Kirche zu gehen, sie hatten es ja nicht mit Menschen zu tun.
Nun ist die Absicht aller Menschen moralisch, weil der Mensch von Natur aus gut ist. Er kann nicht lange Böses tun, ohne sich selbst irrezuführen, und das geht nun mal nicht lange gut. Am Ende kommt die Wahrheit ans Tageslicht, egal wie sehr man sie unterdrückt. In diesem Fall auf peinlichste Weise: Aus dem Schoß schwarzer Frauen kamen halb-weiße Kinder; aus dem Schoß weißer Frauen – Gott behüte! – halb-schwarze. Im Rassenbewusstsein der Amerikaner tauchte ein neues Wort auf: Vergewaltigung. Ich vermute, dass mehr weiße Frauen von Schwarzen «vergewaltigt» wurden als von jeder anderen Rasse in der Geschichte der modernen Welt! Und welcher Preis für diese beschämende Art menschlicher Verfehlung zu zahlen war, ist ja bekannt …
Mittlerweile wuchs Amerika. Die Puritaner hatten alle Hände voll zu tun, die Quäker im Norden zu verbrennen. Alle kämpften gegen die Indianer. In jedem Kino der Welt kann man sehen, wie der weiße Mann Religion und Kultur gegen Gold, Land und Menschenleben eintauschte, sofern man einen wilden Indianer überhaupt als «Menschen» bezeichnen konnte. Amerika bewegte sich nach Westen, und im Süden herrschte König Baumwolle. In jedem Geschichtsbuch lässt sich nachlesen, wie zu Lincolns Zeit die Baumwolle entthront wurde, die wirtschaftliche Entwicklung der Nation auf dem Spiel stand, wie Mr. Lincoln beschloss, die Sklaverei als wirtschaftliche Maßnahme abzuschaffen, und was der Süden davon hielt.
Es gefiel ihm nicht, weil es seine ökonomische und gesellschaftliche Existenz komplett auf den Kopf stellte. Trotz der Horden von halb-weißen und halb-schwarzen Kindern, die ständig zunahmen, war ein Nigger kein Mensch. Welche Regierung würde den Niggern die Freiheit schenken, damit sie sich mit den Weißen vermischen, die Schule besuchen, schreiben und lesen lernen, arbeiten und sich frei bewegen konnten wie der weiße Mann? Was für eine Katastrophe für die Gesellschaft der Südstaaten! Stellen Sie sich vor, wie ein großer grinsender schwarzer Teufel Ihrer Tochter den Arm um die Hüften legt! Nein, Sir! Eher würden sie aus dem Staatenbund austreten. Genau das taten sie, wie wir alle wissen. Und ich bezweifle, dass Sie oder ich anders gehandelt hätten, wenn Sie, Sie, Sie oder ich damals gelebt hätten und von diesen Umständen konditioniert worden wären. Wir sind alle Produkte unserer Zeit und der Orte, in denen wir geboren werden. Man muss stark sein, um sich über Zeit und Raum hinwegzusetzen, und an solch starken Menschen mangelt es der Welt.
Als der Schwarze «frei» war, hatte er es ziemlich schwer, mit dem Weißen zu konkurrieren. Er war im Rückstand, beim Lesen, Schreiben und Rechnen. Sein vordringlichstes Ziel war, sich zu bilden und voranzukommen. Viele hatten es so eilig, dass sie nicht darauf warten konnten, bis sich Raum und Zeit veränderten, und blieben auf der Strecke. Viele warteten vergebens, und auch sie blieben auf der Strecke.
Währenddessen wuchs Amerika weiter. Es gab Kriege. Es gab Veränderungen in der Bevölkerung. Der Schwarze entwickelte wie andere Minderheiten auch alle möglichen Tugenden und Laster in dieser komplexen Atmosphäre. Er kam so weit voran, wie Zeit und Raum es jeweils zuließen, und immer noch blieben manche auf der Strecke.
Der Südstaatler ist das Produkt eines heißen Klimas; daher ist er ein Hitzkopf. Liebe und Hass sind bei ihm heftig. Wenn er einen Schwarzen an einen Baum fesselte und verbrannte, wenn er ihn an der Stoßstange eines fahrenden Wagens durch die Straßen schleifte, war das ein Ausdruck der Liebe, wenn auch pervers, gewalttätig und primitiv, mit dem er das Ausmaß an Schmerz kundtat, den auch er erlebt haben musste. Das ist keineswegs absurd, wir alle wissen, dass Liebe und Hass zwei Seiten derselben Medaille sind.
Deshalb war die Assimilation der Schwarzen in die allgemeine Gesellschaft von größeren dramatischen Konflikten begleitet als die anderer amerikanischer Minderheiten. Die meisten Schwarzen kommen vom Süden in den Norden und bringen ihre hitzige, komplexe Persönlichkeit mit. Gleichzeitig ziehen andere Amerikaner vom Norden in den Süden und von der Ostküste nach Westen. All diese Migrationen waren durch unterschiedlich starke Spannungen gekennzeichnet, die sich aus den sozialen Bedingungen in den jeweiligen Gebieten ergaben. Die Dynamik der amerikanischen Kultur verstärkt sich noch, wenn wir die Tatsache berücksichtigen, dass regionale Spannungen oft ethnischen Spannungen entgegenstehen, weil, wie bereits gesagt, und das dürfen wir niemals vergessen, die meisten Amerikaner Einwanderer sind. Amerika ist kein Land mit einem festen gesellschaftlichen Muster und einer vorherrschenden kulturellen Ordnung. Der erste Präsident wurde 1789 gewählt! Es hat über hundertsechzig Millionen Einwohner! Daher ist es ein Land von erschreckenden Gegensätzen. Und seine Konflikte werden mit Gewalt ausgetragen!
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