Der Verlag Hier und Jetzt wird vom Bundesamt für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die Jahre 2016–2020 unterstützt.
Mit weiteren Beiträgen haben das Buchprojekt unterstützt:
Dieses Buch ist nach den aktuellen Rechtschreibregeln verfasst. Quellenzitate werden jedoch in originaler Schreibweise wiedergegeben. Hinzufügungen sind in [eckigen Klammern] eingeschlossen, Auslassungen mit […] gekennzeichnet.
Lektorat: Stephanie Mohler, Hier und Jetzt
Gestaltung und Satz: Diane Fleury, Freiburg / Miriam Koban, Zürich
ISBN Druckausgabe 978-3-03919-500-8
ISBN E-Book 978-3-03919-964-8
E-Book-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim
www.brocom.de
© 2020 Hier und Jetzt, Verlag für Kultur und Geschichte GmbH, Baden, Schweiz
www.hierundjetzt.ch
Vorwort von Caspar Hirschi
PROLOG: DIE REALITÄT DES VIRTUELLEN
WISSENSCHAFT KOMMUNIZIEREN: VON DER DEMONSTRATION ZUR PARTIZIPATION
Vergessene Anfänge
Public Understanding of Science
Dialog, Partizipation und Citizen Science
DEMOKRATIE SCHAFFEN: DIE ÖFFENTLICHKEIT UND DIE WISSENSCHAFTEN
Kommunikativ handeln
Helvetischer Pragmatismus
Digitalisierte Granulate
IN DER OFFENSIVE: DIE KOMMUNIKATION DER SCHWEIZER HOCHSCHULEN
Privilegierte: ETH Zürich und ETH Lausanne
Drei symptomatische Fälle: St. Gallen, Tessin, Basel
Das System Westschweiz
Die Fachhochschulen
IM DIENSTLEISTUNGSMODUS: DIE WISSENSCHAFTSKOMMUNIKATION
Der Nutzen der Organisation
Social Media: Keine Wunderwaffe
Reputation vor Öffentlichkeit
Der Spielraum des Monopolisten
UNTER DRUCK: DER WISSENSCHAFTSJOURNALISMUS
Die vierte Gewalt – subjektiv
Macher, Auftragnehmer, Freischaffender
Copy and paste
AUF EIGENE FAUST: FORSCHENDE UND IHRE FOLLOWER
It’s the economy, stupid!
Geschichte der Gegenwart
Jenseits von Twitter
GUT ERZÄHLEN: VIER THESEN
EPILOG: MIT BILDUNG BESSER LEBEN
Anmerkungen
Literatur
Interviews
Umfrage
Autor
Caspar Hirschi
Noch nie haben Schweizer Hochschulen so viel für ihre Reputation getan, und noch nie war ihre Reputation so fragil wie heute. Jede Forschungs- und Lehrstätte, von den ETH über die Universitäten bis zu den Fachhochschulen, beschäftigt einen Trupp von Kommunikationsprofis, die über zahlreiche Kanäle alter und neuer Medien gute Nachrichten aus dem eigenen Haus in die Welt setzen. Zu den bevorzugten Themen gehören: prestigeträchtige Publikationen, erfreuliche Rankingplatzierungen, erhaltene Preise, Spenden und Qualitätszertifikate, eingeworbene Forschungsmillionen, Inbetriebnahmen neuer Gebäude, Laboreinrichtungen oder Supercomputer, Vorträge bekannter Persönlichkeiten. So ergiesst sich aus den Kommunikationsabteilungen eine Good-News-Lawine, die den Eindruck erwecken könnte, alle Hochschulen unseres Landes befänden sich dank der harten Arbeit und hohen Intelligenz ihres Forschungspersonals in einer beständigen Aufwärtsspirale und seien dabei allein dem Ziel verpflichtet, die Gesellschaft mit dem Segen des wissenschaftlichen Fortschritts zu beglücken.
Wenn sich dieser Eindruck trotz aller Bemühungen nur selten einstellt, so hat dies damit zu tun, dass die gleichen Kommunikationsabteilungen immer öfter mit einer zweiten Aufgabe der konträren Art beschäftigt sind. Sie trägt den euphemistischen Namen «Issue Management» und besteht darin, schlechte Nachrichten über die Hochschule kommunikativ zu bewältigen. Es sind Nachrichten, die oft auf verschlungenen Wegen an die Öffentlichkeit gelangt sind, sei es, weil sie von offizieller Stelle zurückgehalten oder aus rechtlichen Gründen nicht kommuniziert werden konnten. Sind sie einmal bekannt, fällt es den Kommunikationsabteilungen schwer, die mediale Diskussion über ihre Hochschule unter Kontrolle zu bringen. Mal für Mal steigert sich eine punktuelle Kritik an einzelnen Akteuren oder Abteilungen zur Skandalisierung der gesamten Institution. In jüngerer Zeit waren davon vor allem prominente Lehr- und Forschungsanstalten wie die Universität Zürich, die HSG oder die ETH betroffen. Sie gerieten wegen Vorwürfen professoralen Fehlverhaltens in den Strudel öffentlicher Skandale, die sich monatelang hinzogen und sich dabei sukzessive ausweiteten, sodass in mehr als einem Fall nicht nur die kritisierten Professorinnen und Professoren, sondern selbst die Rektoren zum Rücktritt gezwungen wurden. Hat sich eine Hochschule eine hohe Reputation aufgebaut, fällt der Schaden durch Skandale umso grösser aus.
Angesichts der schroffen Gegensätze, die das Bild der Schweizer Hochschulen in der heutigen Medienlandschaft prägen, könnte man meinen, die Arbeit in akademischen Kommunikationsabteilungen sei ideal zugeschnitten auf Menschen mit manisch-depressiver Veranlagung. Tatsächlich legen die meisten Kommunikationsprofis aber einen professionellen Pragmatismus an den Tag, als sei die parallele Verbreitung von guten und die Verarbeitung von schlechten Nachrichten die einzig mögliche Normalität der Wissenschaftskommunikation. Vielleicht haben sie damit sogar recht, nur stellt sich dann umso mehr die Frage, warum die institutionelle Wissenschaftskommunikation in Extremen operiert und dabei den grössten Teil des Hochschulalltags, der sich wie in jeder anderen öffentlichen Institution zwischen diesen Extremen abspielt, kaum darstellen kann.
Wer dieser Frage nachgehen möchte, kommt um Urs Hafners Buch über die Wissenschaftskommunikation von Schweizer Hochschulen nicht herum. Liest man es, versteht man, dass die beiden Bilder der segensreichen und der skandalträchtigen Universität zwei Seiten derselben Medaille sind und sowohl mit den neoliberalen Reformen an Hochschulen als auch mit dem digitalen Wandel der Medien zusammenhängen.
Hafner nimmt in der hiesigen Forschungslandschaft eine Position ein, die ihn für eine Untersuchung dieses Themas geradezu prädestiniert. Erstens war er von 2007 bis 2014 Chefredaktor des Magazins Horizonte und Leiter der Öffentlichkeitsarbeit für Sozial- und Geisteswissenschaften des Schweizerischen Nationalfonds. Er kennt damit die Bedingungen der institutionellen Wissenschaftskommunikation aus eigener Erfahrung. Zweitens hat er als Autor für den Wissensbund der WOZ und für das Feuilleton der NZZ auch die journalistische Auseinandersetzung mit dem wissenschaftlichen Geschehen miterlebt und mitgestaltet. Drittens besitzt er als Historiker und freischaffender Wissenschaftsjournalist die nötige Distanz und Unabhängigkeit für eine kritische Auseinandersetzung mit seinem Untersuchungsgegenstand.
Tatsächlich ist dieses Buch von einem intellektuellen Engagement getragen, mit dem Hafner die gegenwärtige Situation der Wissenschaftskommunikation erst geschichtlich einbettet und dann einer systematischen Kritik unterzieht. Er diagnostiziert ein Ungleichgewicht, dem zwei konträre Entwicklungen zugrunde liegen. Zum einen werden Kommunikationsabteilungen von Hochschulen in Nachahmung der privatwirtschaftlichen Corporate Communication stark aufgerüstet, zum anderen die Wissenschaftsressorts unabhängiger Medien im Zuge der Digitalisierung sukzessive ausgedünnt. In der Westschweiz ist dieser Prozess am weitesten fortgeschritten. Während die ETH Lausanne fast zwei Dutzend Vollzeitstellen in ihrer Kommunikationsabteilung hat, beschäftigen die französischsprachigen Tages- und Wochenzeitungen kaum noch Wissenschaftsjournalisten. Dadurch fliessen sowohl die Selbstanpreisungen der Hochschulen als auch die Skandalisierungen universitätsinterner Vorgänge im Internet fast ungefiltert in die Medien. Das polarisierte Meinungsbild hat auch strukturelle Ursachen.
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