Aber da!
Plötzlich war ein unheilverkündendes Rauschen in der Luft, ein bösartig knarrendes Flügelschlagen!
Da hörten die im Totenzimmer Versammelten sowie das Volk, das gaffend ums Haus herumlungerte, etwas durch die Luft daher rauschen, und man sah alsbald zwei mächtige Raben an das geschlossene Fenster fliegen.
Hat man je zuvor Vögel mit so teuflisch intelligenten und wissenden Augen gesehen! Die pickten mit ihren starken Schnäbeln an die Scheiben, bis das Glas zerbrach und die Scherben klirrend auf den Boden fielen.
Das war der Teufel selber und ein Spießgeselle, der Seelenfänger in Persona war da, der den Unglücklichen, der da unvorbereitet hat sterben müssen, ohne je etwas von seinem ichbezogenen Leben bereut zu haben, durch die Luft abgeholt hat. Im selben Augenblick, zu aller Staunen und Grauen, entflog dem Munde des Toten ein ebensolcher schwarzer Vogel, schwirrte zum Fenster hinaus und mit den beiden anderen davon.
Wir wissen, dies war die Seele des Erfolgsanwalts, die zum Teufel ging.
Im Totengemach aber war es stockdunkel jetzt.
Fassungslos standen die Menschen da, alle Lichter waren verlöscht, und das Kruzifix lag umgestürzt am Boden: Ein eindeutiges Zeichen, dass die Macht des Bösen über den bösen Juristen gesiegt hatte. Doch der hat es, wie wir gesehen haben, der Schwarzen Macht recht leicht gemacht.
Der Teufel hat ihn einfach nur abzuholen brauchen.
Das heißt, seine Seele war schutzlos den höllischen Vögeln preisgegeben. Der Körper lag immer noch da und ist nachher, vor den Augen der Umstehenden und zu Tode Erschrockenen, über und über schwarz geworden.
Wollen wir im Lesen innehalten und für ihn beten, dass er doch noch irgendwann einmal erlöst werden möge. Der liebe Gott kennt, Gott sei Dank, andere Gesetze und Gesetzmäßigkeiten, als Juristen und Pharisäer sie kennen. Er verzeiht - wenn der Mensch ihm auch nur einen einzigen Schritt entgegenkommt. Für den hinterlistigen und wortverdreherischen Advokaten ist es dafür zu spät gewesen.
Der Teufel, der Blitz und der Petersturm
Kaum ein Turmbauwerk Münchens prägt sich so typisch für allezeit dem Auge des Betrachters ein wie der kantige Turm der Peterskirche.
Und die acht Uhren! Wie war das doch gleich?
Der Turm von St. Peter hat acht Uhren, damit zweimal vier Münchner von vier Seiten gleichzeitig doppelt nachschauen können, wann es denn achtmal vierseitig einmal zwölfmal Zwölfe schlägt…
Valentin lässt grüßen, so teuflisch ist das. Teuflisch?
Dereinst, da wollte Luzifer höchstpersönlich, weil er über die geistige Macht an diesem Kraftort sehr verärgert war, unserer geliebten Peterskirche recht übel zusetzen. Und er hat es auch fast geschafft…
Unser Peter, das muss man wissen, ist das älteste Münchner Gotteshaus und hat »früherszeit« nicht einen, sondern zwei Kirchtürme gehabt, die sind rechts und links vom Hauptportal gestanden, wie das so üblich ist bei braven Kirchentürmen. Ein altes Buch beschreibt die beiden Türme so: »Die sind auf dem höchsten Fleck von der Stadt droben gestanden wie zwei Schwurfinger, die das fromme München zum Himmel streckt.« *
Nun ist der Vergleich vielleicht doch etwas weit hergeholt. Denn erstens ist München weniger fromm als bierselig und zweitens: Auf was hätten diese Schwurfinger denn schwören sollen? So oder so, es hatte seine Ordnung mit diesen beiden Türmen, und ihr Glockenhall drang weit über die damalige Stadtgrenze hinaus.
Wie kann dem Teufel so etwas schmecken?
Den kennen wir ja inzwischen. kaum steht etwas da zum Lobe des Herren und der Schöpfung, schon wird der (alte) höllische Neidhammel fuchsteufelswild. Und wenn’s hoch hergehen soll in München, dann ist immer der Föhn recht.
Das ist ein teuflisch aufgedrehter Fallwind, dem es von Zeit zu Zeit einfällt, ebendann, wenn’s dem Teufel gefällt, den Münchnern das teuflisch verdrehte Denken zu lehren.
Oh, was gibt es alles zu beobachten, wenn »Föhn« herrscht! Manche Münchner meinen dann gar, es ginge ihnen besonders gut, und sie wähnen sich in Champagner-Laune, wie sie das so nennen. Doch denke dran: Hochmut kommt vor dem Fall!
Auch hier, wenn föhniger Hochmut das Zepter schwingt, ist immer ein schlaues Teuferl am Werk, das nichts anderes vorhat, als dem wackeren, aber allzu gut gelaunten Erdenbürger ein Bein zu stellen.
Nun hat damals der Teufel einen ganz besonders sauberen Föhn blasen lassen, hat damit gewichtige Gewitterwolken über die Münchner Stadt und über die Peterskirche geschoben – und dann einen gewaltigen, krachenden Blitz in die Doppeltürme des Gotteshauses hineinfahren lassen: zackbum!
Mein Gott, hat das geschnalzt, geknallt und gescheppert! Der Blitz war so teuflisch heiß, dass sogleich die Glokken geschmolzen sind und die Türme bis zum Kirchendach heruntergebrannt.
(Die Kraftfeld-Expertin Ingrid Sand weist darauf hin: dieser »männliche« und bereits römische Kultplatz war dem Jupiter geweiht und zieht zugleich Wasser und Blitz an. – In: Münchner Palette, Winter 2000, 42. Jhrg., S. 46)
Weiter hat der feuerspeiende Widersacher an das dem lieben Gott geweihte Haus nicht herankönnen und diesem schaden, sonst hätte er sich gleich selber ganz sauber die Finger verbrannt.
Was hilft besser gegen teuflische Hektik und Panik, sogar dann, wenn »Feuer auf dem Dach« ist, was hilft da besser denn Gelassenheit?
Die Münchner jedenfalls haben sich durch den Teufelsstreich keineswegs irr machen lassen gemäß dem Spruch: »Was die Bosheit niederreißt, das baut der gute Wille doppelt so gut wieder auf!«
Jeder hat für den Neubau gestiftet und seinen »Peterspfennig« abgegeben, diesmal aber nicht für den römischen Stuhl Petri, sondern für den Münchner Dachstuhl der Peterskirche und deren Türme.
»Die Münchner sind aber damals noch nicht so gewesen, dass sie sich gegen alles, was neu ist, zuerst einmal richtig ausschleimen, bevor sie’s loben, sondern sie haben gesagt: »Schön anders ist auch schön!. und haben eine Abwechslung mögen.« *
Man kann es gar nicht glauben, wenn man sich die Münchner so anschaut, dass sie einmal derart zu loben gewesen wären, aber das Buch, in dem das drinsteht, ist auch schon recht alt. So gesehen. Weil in der neuesten Zeit sind die Münchner nur noch gegen alles, und jeder ist gegen jeden, und heraus kommt lange überhaupt nichts. Siehe Fußballstadion-Neubau …
Damals aber haben diejenigen Münchner, die sich eben nicht vom Teufel dreinreden ließen, etwas Gutes auch als etwas Gutes empfunden.
Und bei der Peterskirche hat man daraufhin die zwei übriggebliebenen Turmstümpfe schräg abgeplattet und eingedeckt und dazwischen überm Hauptportal einen ganz extrigen Turm – an zwei Seiten breit, an zweien schmal – aufgesetzt. Diesem Turm haben die Münchner zwei steile Spitzhauben nebeneinander gegeben.
Oben hinauf kam ein Rundgang für den Wächter und, was inzwischen wieder gute Weihnachtstradition ist, eine Plattform für die Turmbläser.
Der Wächter oben droben, der hat aber diesmal ganz extrem aufpassen müssen, ob nicht eine Feuersbrunst oder gar der Sparifankerl selber haben Hand anlegen wollen an unsere geliebte Münchner Stadt.
Der Teufel hat einige Höllenminuten gewartet (das sind in unserer Zeitrechnung etliche hundert Jahre) und schon war er wieder da!
Zeit hat er ja.
Diesmal hat er mit Feuer und Blitz die beiden Turmhauben zerfetzt.
Aber wie haben die stets gelassenen Münchner reagiert: »Ist schon recht so. Die Dinger waren eh nicht besonders hübsch!« Diese Gelassenheit fehlt heute ganz. Man denke nur an den Denkmalschutz.
Verdammt! – Der Teufel war außer sich vor Zorn. Nach Pech und Schwefel hat er ihm gestunken und geraucht. Nach irdischer Zeitrechnung schrieb man das Jahr 1607, und der Alte Peter hat halt ein neumodischeres Häubchen bekommen.
Читать дальше