Der Narzissmus
Wie Du den Umgang mit
Narzissten erlernst und
Dein Leben nicht von ihnen
bestimmen lässt
Fritz Gerlinger
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Index
1. Worum es in diesem Buch geht
2. Der Ursprung des Narzissmus
2.1 Der Mythos Narziss oder das narzisstische Selbst
2.2 Die Auslegung und Interpretation
3. Der Narzissmus in der modernen Welt
4. Gesunder und krankhafter Narzissmus
5. Die Schwankung zwischen dem verletzlichen und dem grandiosen Selbst
5.1 Das grandiose Selbst
5.2 Das verletzliche Selbst
6. Anzeichen und Ursachen für Narzissmus
6.1 Wie erkenne ich einen Narzissten?
6.2 Arten des Narzissmus – der offene und der verdeckte Narzissmus
6.3 Ursachen für Narzissmus
6.4 Auswirkungen von Narzissmus
6.5 Wie sich der Narzisst selbst sieht
7. Unterschiede zwischen dem männlichen und dem weiblichen Narzissmus
7.1 Der männliche Narzissmus
7.2 Der weibliche Narzissmus
8. Narzisstischer Missbrauch
9. Narzissmus in der Familie
9.1 Die Mutterliebe im Narzissmus
9.2 Der Narzissmus von Vätern
9.3 Das narzisstische Kind
10. Die verschiedenen Gesichter des Narzissmus
10.1 Narzissmus in der Partnerschaft und Liebe
10.2 Der Narzisst als Freund
10.3 Narzissmus im Berufsleben
11. Die Förderung von Narzissmus in der modernen Gesellschaft
11.1 Soziale Netzwerke und die virtuelle Selbstdarstellung
11.2 Körperkunst, Sucht und Selbstverletzung
11.3 Schönheitschirurgie und narzisstischer Schönheitswahn
12. Der Umgang mit Narzissten – Tipps und Hinweise
1. Worum es in diesem Buch geht
Der Narzissmus ist zwar von Narziss aus der griechischen Mythologie abgeleitet, hat jedoch heutzutage sowohl eine umgangssprachliche als auch psychologische Bedeutung. Oftmals wird der Begriff im Alltag auf eine sehr selbstbezogene Person angewendet und bewertet so ein egoistisches Verhalten oder die Nichtbeachtung anderer Menschen. Das gilt immer dann, wenn jemand seinen Ich-Anspruch deutlich über die Ansprüche anderer stellt oder wenn jemand sich selbst erheblich überschätzt und kein Bewusstsein für die Wirklichkeit oder die reale Reaktion anderer auf ihn hat. Diese Selbstzentriertheit erfolgt dann dermaßen aufgebläht, dass die positive Selbstreflexion nicht stattfindet. Die Rücksichtnahme auf andere oder ein gutes Einfühlungsvermögen sind dann kaum möglich. Selbst gegen Kritik sind Narzissten immun. Genauso gibt es Menschen, die nur hin und wieder narzisstische Züge zeigen und ansonsten eine durchaus normale Einschätzung ihrer selbst haben.
Über die dann doch eher harmlose Selbstbewunderung hinaus kann Narzissmus allerdings auch eine sehr komplexe Persönlichkeitsstörung sein. Siegmund Freud hat neben Ödipus und dem damit verbundenen Komplex auch auf Narziss aus der griechischen Mythologie zurückgegriffen und beide psychoanalytisch gedeutet und eingeführt. Bei ihm geht es um narzisstische Neurosen, die er von den typischen Übertragungsneurosen differenzieren wollte. Bei Freud gab es einen primären und sekundären Narzissmus, der psychologische Erkrankungen auslösen kann und als eine Art starke Fixierung auftritt, die entweder nach der Kindheit endet oder sich im Erwachsenenalter fortsetzt und dann krankhaft wird. Das beinhaltet z. B. eine starke sexuelle Ausrichtung auf sich selbst mit der gedanklich-emotionalen Herausbildung eines Ich-Ideals.
Während der primäre Narzissmus bald widerlegt werden konnte, darunter von C. G. Jung und Erich Neumann, hat der sekundäre Narzissmus weiterhin einen Anteil an der Symptomerkennung in der Psychoanalyse. Ein auf sich selbst fixiertes Kind kann noch nicht zwischen Objekt und Subjekt unterscheiden und durchlebt die sogenannte magische Phase, in der es sich als Zentrum der Welt betrachtet. Wird diese Phase jedoch nicht überwunden, ist vom sekundären Narzissmus die Rede. Der Erwachsene sieht sich selbst immer noch als Mittelpunkt und bezieht alles, was ihm widerfährt und in seiner Umwelt begegnet, auf sich selbst. Das führt zu einer Selbstüberschätzung, die überhandnimmt und die Empathie für andere Menschen stark begrenzt. Alles, was zählt, ist das eigene Ich. Dafür wird fast über Leichen gegangen.
Narzissmus ist dennoch nicht nur pathologisch negativ zu bewerten, sondern es gibt tatsächlich auch einen gesunden Narzissmus. Ohne Selbstrespekt und eine gewisse Form der Selbstliebe kann sich ein Mensch nicht weiterentwickeln. Nur wer sich selbst liebt, hat überhaupt erst die Möglichkeit, liebevoll auf andere einzugehen. Dagegen werden Menschen, die sich selbst hassen, keine Hilfe sein.
Aus einer Schwäche heraus lässt sich keine Stärke übermitteln, und der Hass auf sich selbst verleitet zu Unsicherheit, Depression und Zerstörungswut. Ist Selbstliebe nicht überhöht und durch mangelnde Empathie gekennzeichnet, bleibt sie in den vielen Schattierungen des narzisstischen Erscheinungsbilds natürlich und wünschenswert.
Gefährlich wird Narzissmus nur dann, wenn die Haltung unbewusst erfolgt und sich durch Starrsinn und Unbelehrbarkeit ausdrückt. Auch wenn es zahlreiche Therapieansätze gibt, ist eine Veränderung oder Heilung bei der narzisstischen Persönlichkeitsstörung kaum möglich. Das liegt schon alleine daran, weil ein Narzisst niemals anerkennen würde, dass er ein Problem hat oder darunter leidet. Er würde viel eher davon ausgehen, dass alle anderen eine Behandlung benötigen und er der einzig Normale in einer verrückten Welt ist.
Wenn er sich auf eine Therapie einlässt, erwartet er natürlich eine bevorzugte Behandlung. All das ist schwierig, da gerade ein Narzisst den Respekt und die Wertschätzung seiner Person wie eine Sucht benötigt und auch bekommen muss. Der Erfolg bleibt dabei zweifelhaft, und Rückfälle sind fast unvermeidlich.
Dieses Buch soll daher zeigen, was Narzissmus ist, wie er sich bei den verschiedenen Geschlechtern zeigt und auswirkt, welche Rolle er in der modernen Gesellschaft spielt, wann er krankhafte Züge annimmt und wie Menschen mit einem Narzissten umgehen können. Untersucht werden der narzisstische Missbrauch und die Eigenschaften von narzisstischen Eltern. Hier soll kein Urteil gefällt oder der Narzisst verdammt und in eine Schublade gesteckt werden. Vielmehr ist ein Rundumblick angestrebt, der zeigt, wieso die narzisstische Ader beim Menschen so häufig sichtbar wird und wo die Ursachen liegen.
2. Der Ursprung des Narzissmus
Narzissmus ist heute ein vielgebrauchter Terminus im Alltag und in der Psychologie und nimmt sich die Selbstliebe des mythischen Jünglings Narziss aus der griechischen Mythologie zum Vorbild. Trotzdem ist der Narzissmus-Begriff nicht eindeutig festgelegt, obwohl er oft im Kontext mit einer bestimmten psychologischen Störung steht, die mit Selbstüberschätzung bzw. Selbstsucht und gleichzeitig mit einem geringen Selbstwertgefühl einhergeht. Hier handelt es sich um die fehlende Trennung zwischen Objekt und Subjekt, die in der magischen Phase des Kindes ganz natürlich ist, mit zunehmender Reife jedoch verloren gehen sollte. Bleibt das Bewusstsein jedoch auf sich selbst ausgerichtet und nimmt sich dabei selbst als Ideal zum Vorbild, verschiebt sich die natürliche Ebene und es kommt zu einer psychologischen Störung und Selbstüberschätzung.
Das magische Bewusstsein des Kindes gehört zur normalen Entwicklung und geht davon aus, dass Worte, Gedanken und Handlungen immer einen Einfluss auf alle Ereignisse haben, die dem Kind widerfahren. Es denkt, es kann bestimmte Sachen hervorrufen oder verhindern, wenn es den Wunsch dazu hat. Alles, was passiert, hängt unmittelbar mit dem eigenen Selbst zusammen. Zwischen Objekt und Subjekt kann das Kind noch nicht unterscheiden. Das ermöglicht die Einbildung von schimmernden Palästen, unsichtbaren Freunden und Monstern unter dem Bett.
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