Auf die enge innere Verbundenheit von Beziehungstheologie und Trinitätslehre wurde bereits hingewiesen. Zur Benennung der beiden Teil-„Wirk“-lichkeiten von Beziehung, der Person-Orientierung und der Gemeinschafts-Orientierung, können daher auch Begriffe dienen, die der trinitätstheologischen Reflexion entstammen: Mit den Begriffen der „ Personalität “ und der „ Communialität “ sollen im Folgenden die beiden konstituierenden Aspekte der Beziehungswirklichkeit bezeichnet werden. 47Die Personalität umschreibt „Selbstsein und Selbstwerden in Beziehung (zu Gott und dem Mitmenschen), in gegenseitigem Empfangen und Schenken“ 48und weist damit auch schon hin auf den Beziehungsaspekt der Communialität , der in der „Communio“/„Gemeinschaft“ gründet. „Communio“ kann verstanden werden als „ die in der Gemeinschaft des dreieinen Gottes vorgebildete und in der Teilhabe an seinem Leben gründende personale Gemeinschaft der Menschen mit ihm und den Mitmenschen“ 49. Personalität und Communialität können als konstituierende Aspekte der Beziehungswirklichkeit in der Erarbeitung der vorliegenden Thematik hilfreich sein: in der wirtschaftswissenschaftlichen Aufarbeitung der Beziehungsthematik erlauben die Wirkelemente der Person-Orientierung und der Gemeinschafts-Orientierung eine strukturierte Aufgliederung der beziehungsrelevanten Ergebnisse. 50Im Zuge der trinitätstheologischen Erarbeitung sind beide Begriffe noch vertiefend zu betrachten und werden schließlich zu wesentlichen Elementen bei der Ausarbeitung einer trinitarisch fundierten Beziehungswirklichkeit. 51
Es soll deutlich werden: Personalität und Communialität bilden die beiden unverzichtbaren Wirkelemente der Beziehungswirklichkeit, die miteinander ins Gleichgewicht zu bringen sind – eine ausgewogenen und gleich gewichtete „Verbindung von Personalität und Communialität“ 52ist anzustreben. Dominiert einer dieser beiden Teil-Wirk“-lichkeiten zu stark oder geht sogar ein konstituierender Aspekt unter dem Übergewicht seines Gegenparts ganz verloren, so wird eine gelingende Beziehung verunmöglicht. Diese Gefährdung ist von beiden Seiten her denkbar: Zum einen kann eine übersteigerte Betonung des personalen Aspekts in die Vereinzelung führen und Gemeinschaft unmöglich machen. Auf der anderen Seite darf eine überstarke Gemeinschaftsausrichtung nicht die Person des Einzelnen überrollen. Die personale Orientierung als solche muss gewahrt bleiben. In der heutigen gesellschaftlichen Situation ist jedoch stärker der individuelle, personale Aspekt in den Vordergrund getreten: eine steigende Individualisierung und Singularisierung der Gesellschaft, beispielhaft abzulesen an der stetigen Zunahme von Single-Haushalten in Deutschland, lässt den communialen Aspekt der Beziehungswirklichkeit heute tendenziell zurücktreten. Eine stärkere Betonung der gemeinschaftlichen Wirklichkeit von Beziehung scheint auf diesem Hintergrund angebracht – gerade auch in der caritativen Diakonie der Kirche und im christlichen Krankenhaus. Die beiden konstituierenden Elemente von Beziehung – Personalität und Communialität – werden in der weiteren Bearbeitung der Beziehungswirklichkeit im christlichen Krankenhaus immer wieder in den Blick zu nehmen sein.
47Es wäre hier z.B. auch möglich das Begriffpaar „Individualität“ und „Sozialität“ zu wählen. Um die Überlegungen zur Beziehungswirklichkeit auf die trinitäts theologische Erarbeitung hin zu akzentuieren, bieten sich jedoch die Begriffe „Personalität“ und „Communialität“ an. Vgl. zur praktischtheologischen Erläuterung und zur Verwendung der Begriffe „Personalität“ und „Communialität“ auch: POMPEY, Heinrich: Wie im Himmel so auf Erden : Wenn Liebe göttlich wird ... – Kirche als Ikone der Dreifaltigkeit. In: KLASVOGT, Peter; POMPEY, Heinrich (Hrsg.): Liebe bewegt … und verändert die Welt , S. 387-419
48GRESHAKE, Gisbert: Person. II. Theologiegeschichtlich u. systematisch-theologisch. In: LThK , 3. Aufl., Bd. 8, Sp. 46-50, hier Sp. 50, Abkürzungen im Original hier von W.S. aufgelöst.
49DRUMM, Joachim: Communio. I. Systematisch-theologisch. In: LThK , 3. Aufl., Bd. 2, Sp. 1280-1283, hier Sp. 1280, Abkürzungen im Original hier von W.S. aufgelöst.
50Vgl. Kap. II.4, S. 109ff.
51Vgl. v.a. Kap. III.5.2, S. 157ff.
52POMPEY, Heinrich: Das caritative Engagement der Kirche. In: RAUSCHER, Anton (Hrsg.): Handbuch der Katholischen Soziallehre . Berlin : Duncker & Humblot, 2008, S. 707-720, hier S. 710.
Betrachtet man den Aufbau der vorliegenden Arbeit, so wird das Thema der Beziehungswirklichkeit zunächst in den beiden Theoriebereichen des Personalmanagements und der Trinitätstheologie aufgearbeitet. Die strukturierte Herausarbeitung beziehungsrelevanter Aspekte im Bereich des Personalmanagements erfolgt anhand des SHRM-Ansatzes ( Kap. II). Daran schließt sich die exemplarische Darstellung der trinitätstheologisch gegründeten Relevanz von Beziehung an ( Kap. III). Anschließend werden für das christliche Krankenhaus und seine Propriumsfrage struktur-analoge Korrelationen und Inspirationen zwischen beiden Theorien hergestellt ( Kap. IV).
Nach den hinführenden Erläuterungen des ersten Kapitels wird in einem zweiten Hauptteil ( Kap. II) untersucht, wie in den Wirtschaftswissenschaften die Relevanz von zwischenmenschlichen Beziehungen bedacht wird. Dabei kommt das Krankenhaus als Unternehmen in den Blick. Der Fokus der Darstellung richtet sich hierbei auf die aktuelle personalwirtschaftliche Diskussion. Aspekte zum Mitarbeiter in Beziehung – gerade im Personalmanagement des Krankenhauses – kommen hierbei zur Sprache. Es zeigt sich, dass in der personalwirtschaftlichen Diskussion der vergangenen Jahre beziehungsrelevante Fragestellungen sowohl unter verhaltenswissenschaftlicher als auch unter ökonomischer Perspektive vermehrt Beachtung gefunden haben. Um diese Rolle der Beziehungswirklichkeit in der Personalwirtschaft zu strukturieren und in geordneter Form darzustellen, bietet sich, wie schon dargelegt, der Ansatz des Strategischen Human Resource Managements (SHRM) an. Dabei werden im SHRM sowohl strategische als auch strukturelle und operativpersonalwirtschaftliche Elemente aufeinander abgestimmt und dies gerade auch unter Berücksichtigung beziehungsrelevanter Aspekte. In einem Durchgang durch dieses Modell soll gezeigt werden, in welcher Weise hierbei Beziehung gedacht wird: in einer integrativen Sicht werden Personalauswahl, Leistungsprozess, Personalbeurteilung, -belohnung und Personalentwicklung mit den strategischen Grundentscheidungen des Unternehmens verknüpft. Dabei werden unter anderem auch Themenkomplexe wie Führung, Kommunikation, Organisationsentwicklung und Personalentwicklung berührt. Ein zentraler Punkt, den es zudem herauszuarbeiten gilt, ist die Tatsache, dass zwischenmenschliche Beziehungspflege im Unternehmen zwei Ausrichtungen hat: zum einen wird der Blick auf den einzelnen Mitarbeiter gerichtet (personale Ausrichtung), zum anderen wird aber auch die Mitarbeiterschaft als strukturelles Ganzes, als Gemeinschaft thematisiert (Gemeinschaftsausrichtung). Des Weiteren darf nicht übersehen werden, dass die Berücksichtigung und positive Gestaltung der internen Beziehungen zum langfristig angelegten Erfolg einer Unternehmung beiträgt. In einem Resümee können Aspekte der Beziehungswirklichkeit im Personalmanagement des christlichen Krankenhauses identifiziert und den drei Dimensionen Zielbestimmung , Personalität und Communialität zugeordnet werden.
Im dritten Hauptteil ( Kap. III) wird auf den theologischen Grund gelungener Mitarbeiterbeziehungen zurückgefragt. Die Beziehung in Gott wird in den Aussagen der Trinitätslehre theologisch ins Wort gebracht. Ausgewählte trinitätstheologische Überlegungen sollen in diesem Abschnitt unter Beachtung der strukturellen Analogie fruchtbar gemacht werden für das Thema der Beziehungswirklichkeit im christlichen Krankenhaus. In der Darstellung der trinitätstheologischen Aussagen wird hierbei exemplarisch von den Schriften Joseph RATZINGERS/BENEDIKTS XVI. ausgegangen. Es soll eine „trinitarische Lesebrille“ entwickelt werden, die als Orientierungshilfe und Maßstab für menschliche Beziehungen dienen kann: Aus der trinitarischen Wirklichkeit der „Einheit in Vielheit“ werden trinitarische Prinzipien des gelebten Christentums herausgearbeitet. Die Beziehungsaspekte des „Sein-Von“, „Sein-Für“ und „Sein-Mit“ erscheinen als prägend für eine trinitarisch fundierte Beziehungswirklichkeit. Zudem zeigt sich die besondere Bedeutung der beiden Wirkelemente von Personalität und Communialität, welche die Grundstruktur menschlicher Beziehungen bilden. Die verschiedenen Aspekte der trinitätstheologischen Erarbeitung werden zu einem inspirierenden Maßstab für die Gestaltung der Beziehungswirklichkeit im christlichen Krankenhaus. Bedeutsam ist an dieser Stelle die Verknüpfung der beziehungstheologischen Erarbeitung mit wichtigen Argumentationslinien der christlichen Sozialethik.
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