„… Handeln soll … ein menschliches Verhalten (einerlei ob äußeres oder innerliches Tun, Unterlassen oder Dulden) heißen, wenn und insofern als der oder die Handelnden mit ihm einen subjektiven Sinn verbinden. Soziales Handeln aber soll ein solches Handeln heißen, welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist.“ (Weber 1922, 1)
Parsons (1937, S. 44) Parsonsdifferenziert den Definitionsvorschlag dahingehend, dass es kleinste Elemente einer Handlung gibt, die ihr einen Sinn geben ( unit act unit act ) und mindestens die folgenden Elemente haben: einen Handelnden ( actor actor ) und einen Zweck bzw. ein Ziel ( end end ), d.h. den zukünftigen Status der Angelegenheiten, an dem die Handlung orientiert ist – in diesem Sinne ist das Schema „teleologisch“. Die Handlung muss zudem in einer Situation begonnen werden, die sich vom zukünftigen Status in einem bedeutenden Aspekt unterscheidet. Hinzukommen die Bedingungen ( conditions conditions ) des Handelns, die sich nicht ändern lassen, und die Mittel ( means means ), über die der Handelnde die Kontrolle hat.
Talcott Parsons (1902–1979)
Amerikanischer Soziologe, Schwerpunkte: Handlungstheorie und soziologische Systemtheorie
Für Parsons gibt es Beziehungen zwischen ihren Elementen: Im Falle der Wahlmöglichkeit zwischen alternativen Mitteln zur Zielerreichung besteht eine normative Orientierung . Dieses grundlegende Konzept impliziert: 1. Handlung ist immer ein Prozess in der Zeit. 2. Die Tatsache, dass dem Handelnden Wahlmöglichkeiten zur Verfügung stehen, schließt die Möglichkeit von Irrtum ein. Parsons entwirft so eine Handlungstheorie, in der Handlungen als System beschrieben werden, das verschiedene Funktionen umfasst: Anpassung , Zielerreichung , Integration und Inhalte latenter Muster . Diese Funktionen werden genutzt, um Probleme der Umwelt bewältigen zu können. Sie dienen den Betroffenen als Rahmen. Der Bezugsrahmen ist subjektiv,
„denn die Phänomene sind Dinge und Ereignisse, wie sie in der Sichtweise des Handelnden erscheinen , dessen Handlung analysiert und betrachtet wird. […]Die prinzipielle Bedeutung dieser Betrachtung ist, dass der Körper des Handelnden für ihn ebenso wie die Handlungssituation die ‚äußere Umwelt‘ bilden“ (Parsons 1937, 47).
Kommunikation als HandlungHandlungBegriff
HandlungMerkmaleEin so ausdifferenzierter Handlungsbegriff stellt für das Verständnis von Kommunikation als Handeln ein Problem dar. Denn ParsonsParsons Definition bleibt innerhalb eines individualistischen Ansatzes, der an einer der Teleologie des Handelns verpflichteten Theorie orientiert ist. Handeln ist laut Parsons das Tun eines Einzelnen, der seinen Interessen nachgeht. Ausgangspunkt ist also ein monadisch agierendes Individuum, das ein Ziel ganz allein für sich verfolgt. Frei nach dem Motto: Ich will mit meinem Handeln etwas für mich. HabermasHabermas (1995, Bd. II, S. 320) sieht in einem solchen Verständnis von Handeln einen Mangel und begründet dies so:
„Da die regulierende Kraft der kulturellen Werte die Kontingenz der Entscheidungen nicht berührt, steht jede Interaktion zwischen zwei Aktoren, die eine Beziehung eingehen, unter der Bedingung ‚doppelter Kontingenz‘“.Kontingenz
Definition
Monadisch : griechisch monas , Einheit, das Einfache
Interaktive RahmungHandlungInteraktionDas besagt: Handeln wird nach Habermas erst als Handlung identifiziert, wenn es ein Gegenüber gibt, dem in der durchgeführten Aktion das zu sehen unterstellt werden kann, was auch der Handelnde als Handlung erkennt. Denn dieser unterstellt wiederum dem Akteur dasselbe, auch er geht davon aus, dass ihm unterstellt wird, was der Andere ihm unterstellt. Für HabermasHabermas (1995, Bd. II, S. 320) gilt daher ein „immer schon“ intersubjektiv geteiltes kulturelles Wertesystem als notwendige Voraussetzung für kommunikatives Handeln.
Bereits Durkheim und Conrad (1982) Durkheimverweisen auf ein solches intersubjektives Konzept. Der Bezug zur Welt ist nämlich stets von unterschiedlichen Horizonten, die der Einzelne einbringt, bestimmt. Jeder kennt das Phänomen des Perspektivenwechsels, wenn er ein Haus betritt. Das Haus hat eine Vorder- und eine Rückseite, ein Innen und ein Außen. Wir sehen den Bau stets nur aus einer Perspektive. Durkheim spricht in diesem Zusammenhang von einem Innen - und einem Außenhorizont . Darüber hinaus wird das Betreten des Hauses immer von vielen weiteren Vorstellungen begleitet und bewertet: Der Blick kann sich auf die Lage und die Wohngegend richten, der Baustil kann uns interessieren, wir vergleichen es mit den Häusern, die wir kennen. Auf diese Weise entsteht eine Struktur vieler möglicher Verweise zur Welt und sie bilden einen Sinnhintergrund, der als objektive Welt nicht angemessen umschrieben werden kann.
David Emil Durkeim (1858–1917)
Französischer Soziologe und Ethnologe, Schwerpunkt: Methodologie
Alfred Schütz (1899–1959): Österreichischer Jurist, Philosoph und Soziologe, Schwerpunkt: Phänomenologische Soziologie
Schütz (1932) (1974, 15–16)Schütz schlägt vor, zwischen dem Sinn, wie er vom Handelnden verstanden wird, und dem, den der Beobachter dem Handelnden unterstellt, zu unterscheiden. Damit unterstellt er dem Handeln Bedingungen, wie sie von Sapir (1982, S. 78–81) Sapirder Kommunikation unterstellt werden. Kommunikative Handlungen würden so gewählt, dass sie einer Beschreibung und Bestätigung durch das Gegenüber standhalten können, d.h. dass der vom Verhalten des Anderen Betroffene diesem Verhalten eine Bedeutung zuschreibt, die vom Handelnden so angedacht und gewünscht ist.
Edward Sapir (1884–1939)
Amerikanischer Ethnologe und Linguist, Schwerpunkte: Strukturen der Sprache, Determiniertheit durch Sprache
01 R |
GIESST KAFFEE IN DIE TASSE VON S |
02 S |
Danke |
Es ist Nachmittag, R und S sitzen am Tisch und trinken gemeinsam Kaffee. R zeigt ein Verhalten: GIESST KAFFEE IN DIE TASSE VON S. Dieses Verhalten wird von S als Geste der Kooperation akzeptiert. Es ist ein Tun, das Fürsorge von R gegenüber S ausdrücken kann, wenn R und S im Umgang miteinander diese Erfahrung sammeln konnten. Dieses Erfahrungswissen bietet für beide Deutungspotential, um in ihrem Tun bestimmtes Handeln sehen zu können. Wenn beide dieselben Interpretationen nutzen, wirkt ihre Interaktion kohärent und hat im Normalfall zur Folge, dass R und S zufrieden sind. |
Kommunikation mit an Demenz Erkrankten: Notiz zum Viedoausschnitt |
Interaktive DeutungsarbeitDeutungsarbeitDas muss aber nicht in jedem Fall so sein, obwohl das gezeigte Verhalten dasselbe ist. In Aufzeichnungen eines Korpus, das die Kommunikation mit älteren Menschen erfasst hat, liegt der Fall vor, dass S seine Tante besucht, eine ältere Dame. Sie hat ihm schon dreimal Kaffee nachgegossen, obwohl er angedeutet hat, dass er keinen mehr mag. Das Deutungsmuster von S kann zwar noch die Lesart aufrechterhalten, R sei um sein Wohl besorgt. Es kann aber auch die Deutung folgen, R dränge sich wie schon immer mit ihren Erwartungen auf und wolle ihr Interesse durchsetzen und ihn dazu zwingen, noch länger zu bleiben. Vorstellbar ist auch, dass S um die mentale Beeinträchtigung von R weiß und in der Handlung nur ein stereotypes Verhalten von R sieht, das durch diese Situation ausgelöst wird, und dass er R unterstellt, gar nicht kontrollieren zu können, was sie wirklich tut.
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