1 ...7 8 9 11 12 13 ...40 1 Faktische Beschreibung: Die Angewandte SprachwissenschaftSprachwissenschaftAngewandte beschreibt sprachliche Varietäten, Text- und GesprächstypenGesprächstypen sowie (aus kommunikations- bzw. interaktionszentrierter Perspektive) organisationale Prozesse am Arbeitsplatz. In Texten und Gesprächen am Arbeitsplatz werden Auszubildende mit der FachspracheFachsprache ihres Berufs konfrontiert, möglicherweise auch mit Fachfremdsprachen, die sie im Laufe der Zeit beherrschen und für die auf der Basis linguistischer Forschung Lehrkonzepte entwickelt werden (Forner 2016). Beschreibungen von Gesprächstypen am Arbeitsplatz wie z.B. Besprechungen, (interkulturelleinterkulturell) Verhandlungen, Verkaufs- und Reklamationsgespräche (siehe für einen Überblick Brünner 2000) bieten einen empirisch basierten Einblick in die für diese Gespräche typischen Handlungsschemata, Beteiligungsrollen und Konfliktpotenziale. Die Beschreibungen können dazu dienen, empiriebasierte Kompetenzprofile für Auszubildende in bestimmten Berufen zu formulieren sowie entsprechende Lehr- und Trainingskonzepte zu entwickeln (siehe unten). Wichtig erscheint hierbei jedoch, Anforderungen und Schulungsmodelle nicht losgelöst von der konkreten kommunikativen Praxis der Auszubildenden zu formulieren. So zeigen empirische Studien, dass Anforderungen an Auszubildende nicht nur fachlicher Natur, sondern auch zunehmend organisatorischer Art sind, da beispielsweise die Einführung der Projektarbeit in die Ausbildung neue kommunikative Aufgaben im Zusammenhang mit der Koordination im Projektteam und mit der Präsentation von Ergebnissen mit sich bringt (vgl. Efing 2010:5f.). Außerdem ist zu bedenken, dass das Gelingen von Aus- und Weiterbildung nicht allein von den Kompetenzen der Auszubildenden abhängt. Für das Funktionieren der OrganisationOrganisation ist es entscheidend, dass sich die Arbeit des Einzelnen möglichst reibungslos in die Gesamtorganisation einfügt, wofür etwa ein Unternehmen entsprechende Rahmenbedingungen und Infrastrukturen schaffen muss. Hier kann sprachwissenschaftliche Forschung dazu beitragen, die tatsächliche kommunikative Praxis an Arbeitsplätzen zu erheben, Divergenzen aufzudecken und ggf. auf notwendige Strukturveränderungen hinzuweisen (vgl. Hartung 2011).
2 Kriterienbildung und EvaluationEvaluation: Die Angewandte SprachwissenschaftSprachwissenschaftAngewandte liefert empirisch und theoretisch fundierte Kriterien für die Definition von Kompetenzen und die Beurteilung der Qualität sprachlicher Produkte und kommunikativer Prozesse. Für die Ausbildung relevante Ansätze sind hier u.a. das Konzept der „TextkompetenzTextkompetenz“, das ein zentrales Bildungsziel im Sinne von Literalität darstellt und insbesondere in der Deutsch- und DaF-Didaktik fruchtbar gemacht wird (z.B. Portmann-Tselikas 2002), sowie das im Rahmen der Angewandten GesprächsforschungGesprächsforschung diskutierte Konzept der „GesprächskompetenzGesprächskompetenz“ (Becker-Mrotzek & Brünner 2004). Wie Deppermann (2004:19) zeigt, ist die Formulierung von Kompetenzen aus linguistischer Sicht allerdings nicht unproblematisch, da die Beschreibung von Kompetenzen als optimale Handlungsformen über die empirisch basierte Deskription faktisch beobachtbarer Handlungsweisen hinausgeht. Kompetenz als normativer Begriff kommt aber im Wissenschaftsverständnis z.B. der Gesprächsforschung nicht vor, weshalb die Angewandte Gesprächsforschung hier einer theoretischen und methodischen Reflexion und Weiterentwicklung bedarf.Bei der Beurteilung der Güte sprachlicher Produkte und kommunikativer Prozesse geht es u.a. um die Verständlichkeit und Optimierung von Texten der externen UnternehmenskommunikationUnternehmenskommunikation (vgl. Lutz 2015). Ansätze in diesen Bereichen sind typischerweise interdisziplinär und verbinden sprachwissenschaftliche mit kognitionslinguistischen, psychologischen, pädagogischen oder betriebswirtschaftlichen Grundlagen.
3 Vermittlung: Die Angewandte SprachwissenschaftSprachwissenschaftAngewandte beteiligt sich an der Entwicklung von Unterrichts-, Beratungs- und Trainingskonzepten für die Vermittlung sprachlicher und kommunikativer Kompetenzkommunikative Kompetenz. Dieses Anliegen schlägt sich nicht nur in der Verzahnung zwischen Sprachwissenschaft und (schulischer) Sprachdidaktik nieder, sondern beispielsweise auch in der Entwicklung von sprachwissenschaftlich fundierten Ratgebern (z.B. Porila & ten Thije 2008 für die interkulturelleinterkulturell Kommunikation), Beratungskonzepten für die betriebliche Praxis (vgl. z.B. Hartung 2011) sowie in der Diskussion verschiedener Methoden für Kommunikationstrainings (z.B. Fiehler & Schmitt 2011).Quer zu den drei Bereichen faktische Beschreibung, Kriterienbildung und EvaluationEvaluation sowie Vermittlung liegen die verschiedenen Gegenstandsbereiche angewandt sprachwissenschaftlicher Forschung (siehe für eine erste Übersicht Knapp et al. 2011), von denen die folgenden aus unserer Sicht von besonderer Relevanz für die Untersuchung von Sprache und Kommunikation in Aus- und Weiterbildung sind.
2. Kommunikation in InstitutionenInstitution und OrganisationenOrganisation
Linguistische Forschung zu Kommunikation in InstitutionenInstitution und OrganisationenOrganisation sollte mindestens folgende Interaktionseinflüsse analytisch und konzeptionell einbeziehen:
die Rahmenbedingungen der Interaktion (u.a. bestehende Strukturen und Hierarchien, Machtverteilungen, die OrganisationOrganisation von Arbeitsabläufen sowie juristische, räumliche und institutionsspezifische Möglichkeiten und Grenzen der Interaktion) – Kontextsensitivität
verwendete (und ggf. alternative) Kommunikationsformen (inkl. MedienMedien und Kommunikationskanäle) – Medien- und Kommunikationsformensensitivität
kommunikative Gattungen und kleinere Formen bei mündlichen sowie Textsorten bei schriftlichen Kommunikationsformen – Mustersensitivität
Unabhängig davon, ob das vornehmliche Untersuchungsziel faktische Beschreibung, Kriterienbildung und EvaluationEvaluation oder Vermittlung ist, kann die Erforschung nicht in angemessener Weise ohne Reflexion der o.a. Einflüsse erfolgen. Dies hat seinerseits Einfluss auf die Forschungsmethodik. So sind authentische Interaktionen in natürlichen Situationen unabdingbar, die für umfassende (kommunikationsfokussierte) Auswertungen konserviert und möglichst interpretationsarm aufbereitet werden müssen. Für Gespräche heißt das, dass unabhängig von der Forschung stattfindende Gespräche möglichst wenig situationsverzerrend aufgezeichnet, für die anvisierten Zwecke hinreichend genau transkribiert (also verschriftlicht) und möglichst alle situations- und kontextrelevanten Aspekte erfasst werden sollten. Letzteres macht eine wenigstens zeitweise und stichprobenhafte Teilnahme der Forscherinnen und Forscher an den zu untersuchenden Interaktionssituationen erforderlich (teilnehmende BeobachtungBeobachtungteilnehmende), so dass diese möglichst alle Rahmenbedingungen erfassen können. Des Weiteren muss ein (idealiter regelmäßiger) Austausch mit den Aufgenommenen und weiteren Personen unterschiedlicher Hierarchiestufen und Organisationseinheiten erfolgen, um deren (Arbeitsalltags-)Expertise zu nutzen und damit unvermeidbare blinde Flecken zu entdecken und so gut wie möglich zu bearbeiten (vgl. Deppermann 2013). Außerdem können so auch fachliche (und weitere) Wissenslücken geschlossen und Probleme aus Sicht der Akteure eruiert werden.
Ein großer Vorteil dieses Vorgehens ist die präzise Erfassung der tatsächlichen Ereignisse, ohne dass diese durch Gedächtnisprotokolle der Forscherinnen und Forscher und/oder durch vage Erinnerungen einzelner Akteure rekonstruiert werden müssen. So können zu mündlichen Kommunikationen auch kleinste Formulierungs- und weitere Gesprächspartikel erfasst und deren interaktionale Auswirkungen sowie interaktionale Bedeutungsaushandlungen untersucht werden (siehe z.B. Deppermann 2015). Dies erfolgt, indem die Interaktionen sequenzanalytisch, also schrittweise (‚Turn‘ für ‚Turn‘), einer detaillierten Betrachtung unterzogen und vorläufige Ergebnisse durch nachfolgende Gesprächsbeiträge der Akteure sowie durch die Gesamteinbettung (ins Gespräch und des Weiteren bestimmt durch die o.a. Interaktionseinflüsse) überprüft werden.
Читать дальше