Detmer Wulf - Pragmatische Bedingungen der Topikalität

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Auch neuere pragmatisch orientierte Ansätze zur Informationsstruktur greifen für die Explikation der Satztopik-Kategorie auf die traditionelle Unterscheidung von Satzgegenstand und Satzaussage zurück und deuten das Satztopik unter Rückgriff auf bestimmte kognitive und kommunikative Strukturierungsprinzipien als Bestandteil der sogenannten Aboutness-Relation: Prädizierende Sätze lassen sich aufgliedern in dasjenige, worüber etwas ausgesagt wird, und dasjenige, was darüber ausgesagt wird. Ausgehend von der These, dass es im Deutschen keine explizit ausgewiesene syntaktische Position für Satztopiks gibt, geht dieser Band der Frage nach, welche diskursiven Bedingungen für die Aboutness-Relation vorausgesetzt sein müssen und über welche Eigenschaften Diskursreferenten mit Topikstatus verfügen.

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Detmer Wulf Pragmatische Bedingungen der Topikalität Zur Identifizierbarkeit - фото 1

Detmer Wulf

Pragmatische Bedingungen der Topikalität

Zur Identifizierbarkeit von Satztopiks im Deutschen

Narr Francke Attempto Verlag Tübingen

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© 2019 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

www.narr.de• info@narr.de

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

ISBN 978-3-8233-8260-7 (Print)

ISBN 978-3-8233-0166-0 (ePub)

Vorwort

Dies ist die leicht überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die ich im Mai 2016 unter dem gleichen Titel an der Philologischen Fakultät der Universität Leipzig eingereicht habe. Ohne vielseitige Unterstützung und Förderung wäre der erfolgreiche Abschluss der Arbeit nicht möglich gewesen. Mein besonderer Dank geht zunächst an die Betreuer meiner Dissertation, Prof. Dr. Frank Liedtke (Leipzig) und Univ.-Prof. Dr. Dietrich Busse (Düsseldorf). Das Vertrauen, das sie mir entgegenbrachten, und auch die Freiheit, die sie mir in wissenschaftlicher Hinsicht ließen, waren für mich von großer Bedeutung.

Die Arbeit wurde in Leipzig eingereicht, ist aber in Düsseldorf verfasst worden. Darum möchte ich mich noch einmal bei Dietrich Busse für die stets vertrauensvolle Zusammenarbeit bedanken sowie dafür, dass er – auch und gerade während meiner Zeit als Projektmitarbeiter im Sonderforschungsbereich 991 – die für das Gelingen meiner Dissertation bestmöglichen Rahmenbedingungen geschaffen hat.

Mein Dank geht auch an Freunde und Kollegen, die mich in der einen oder anderen Form unterstützt haben. Für Feedback (nicht nur) in fachlicher Hinsicht danke ich insbesondere Brigitte Schwarze und Robert Mroczynski. Christian Horn und Doris Gerland haben in unserer (wenn auch nur kurz bestehenden) Schreibgruppe dazu beigetragen, dass diese Arbeit an einem kritischen Punkt wieder ‚in die Spur‘ gekommen ist. Für moralische Unterstützung (und Ablenkung) sorgten Michaela Felden, Lars Inderelst und Nansaa Tsagaan.

Den Herausgeberinnen und Herausgebern der „Studien zur Pragmatik“ danke ich schließlich für die Aufnahme der Arbeit in die vorliegende Reihe.

Düsseldorf, im April 2019 Detmer Wulf

1 Einleitung

Terminological profusion and confusion, and underlying

conceptual vagueness, plague the relevant literature to a point

where little may salvageable. (Levinson 1983, x)

Diese Arbeit widmet sich der Kategorie des Satztopiks, für die innerhalb funktional-grammatischer Ansätze häufig (mehr oder weniger verdeckt) die traditionelle Unterscheidung von Satzgegenstand und Satzaussage zugrunde gelegt wird. Der Satztopik-Kategorie liegt die Idee zugrunde, dass sich (prädizierende) Sätze aufgliedern lassen in dasjenige, worüber etwas ausgesagt wird und dasjenige, was darüber ausgesagt wird. Diese Unterscheidung kommt auch in Hocketts einflussreicher Topik-Definition zum Ausdruck: „The most general characteristic of predicative constructions is suggested by the terms ‘topic’ and ‘comment’ for their ICs: the speaker announces a topic and then says something about it“ (Hockett 1958, 201). Hockett geht es hierbei jedoch nicht um eine Identifizierung der Topik/Kommentar-Unterscheidung in der Subjekt-Prädikat-Struktur – so wie etwa in (1), wo Topik und Subjekt zusammenfallen; denn eine ganze Reihe von Fällen – so wie bspw. in (2) – lassen auch andere Deutungen zu (vgl. Hockett, ebd.):

(1) John ran away.
(2) That new book by Thomas Guernsey I havent’t read.

Hockett deutet die vorangestellte Objektkonstituente als Topik, den restlichen Teil als Kommentar und somit prädizierenden Bereich des Satzes, der hier auch noch das Subjekt enthält.

Dies ist natürlich alles andere als eine neue Entdeckung. Schon die traditionelle Unterscheidung von psychologischem vs. grammatischem Subjekt bzw. Prädikat (vgl. etwa Paul 1880) beruhte auf der Beobachtung, dass sich auch andere Satzglieder als das Subjekt als das ‚Worüber‘ eines Satzes deuten lassen. Aus den Kategorien psychologisches Subjekt und psychologisches Prädikat ist dann in der weiteren Entwicklung u.a. die Thema/Rhema-Dichotomie der sogenannten ‚Funktionalen Satzperspektive‘ hervorgegangen (als historischen Überblick vgl. Daneš 1974), deren Ziel es war, Wortstellungsvarianten funktional zu beschreiben und die Voranstellungen von Objektkonstituenten, so wie etwa die in (2), als Indikator für Thematizität gedeutet hat. An diese Tradition schließen auch zeitgenössische, pragmatisch orientierte Ansätze an (etwa Gundel 1988b, Lambrecht 1994), die den Topik-Begriff – auch unter Rückgriff auf bestimmte kognitiv-kommunikative Prinzipien – als Bestandteil der sogenannten Aboutness-Relation deuten.

Die Topik-Kategorie stellt sicherlich, zusammen mit ihren Komplementär-Kategorien ‚Fokus‘ oder ‚Kommentar‘, eine der zentralen informationsstrukturellen Kategorie-Konzepte dar, trotz der von Levinson beklagten Terminologie-Fülle – und vielleicht auch Verwirrung (siehe das oben vorangestellte Zitat aus Levinson 1983). Der Grund für diese Terminologie-Fülle mag auch in den unterschiedlichen analytischen Zugriffen liegen. So zielen einige Ansätze mit ihren terminologischen Unterscheidungen zunächst primär auf die Benennung oder Beschreibung bestimmter syntaktischer Strukturen ab. Dies ist etwa der Fall in Diks (1981) Unterscheidung zwischen ‚Theme‘ und ‚Topic‘, die er für die Analyse von Satz-Konstruktionen mit Linksherausstellungen in Anspruch nimmt. Während ‚Topic‘ als Bestandteil der Subjekt-Prädikat-Struktur des Matrix-Satzes bestimmt ist, wird ‚Theme‘ auf die nach links herausgestellte Konstituente bezogen.1 Ein weiteres Beispiel ist Vallduvis (1992) link -Begriff, mit dem er auf die seiner Meinung nach allgemein bestehende Funktion satzinitialer Konstituenten als „address pointer“ abzielt, d.h. als diejenige Konstituente, die den Gegenstand denotiert, auf den die durch den Satz ausgedrückte Information zu beziehen ist (Vallduvi 1992, 48). Demgegenüber werden in anderen Ansätzen informationsstrukturelle Kategorien zunächst unabhängig von ausdrucksseitigen Aspekten als kognitiv-kommunikative Kategorien expliziert und erst dann hinsichtlich ihres Niederschlags in der Struktur von Sätzen (unterschiedlicher Sprachen) untersucht. Für diese Vorgehensweise stehen m.E. Ansätze wie etwa die von Gundel (1988a; 1988b) oder Lambrecht (1994), die Topikalität nicht auf Konstituenten, sondern auf Diskurs referenten beziehen, die in einer besonderen Relation zu der durch den Satz ausgedrückten Proposition stehen. So ist etwa nach Lambrecht ein durch einen Satz realisierter Referent genau dann „topic of a proposition“, wenn „in a given situation the proposition is construed as being about this referent, i.e. as expressing information which is relevant to and which increases the addressee’s knowledge of this referent“ (Lambrecht 1994, 131). Die pragmatische Perspektive einer solchen Explikation besteht somit zunächst vor allem darin, dass sie die Aboutness-Relation auf der Basis des Sprecher-Hörer-Verhältnisses deutet: Topik ist derjenige Diskursgegenstand, über den der Sprecher dem Hörer etwas Neues bzw. Relevantes mitteilen möchte. Wie sich diese Relation (in den jeweiligen Sprachen) ausdrucksseitig niederschlagen kann, ist dann eine daran anschließende Frage (vgl. u.a. Gundel 1988a; Lambrecht 1994).

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