Und welche Preise sollten bei einem Hotel gewählt werden, das ganz neu auf den Markt kommt? Manche Hoteliers tendieren dazu, hohe Einführungsrabatte zu gewähren, damit das neue Produkt gleich gut ausgelastet ist, sich herumspricht und Marktanteile und Kunden gewonnen werden. Dieser Gedanke ist nachvollziehbar, jedoch nicht unproblematisch. Durch rabattierte Preise entfällt der Preis als Qualitätsindikator, zumindest in der Anfangsphase. Da das Produkt neu und unbekannt ist, haben die potenziellen Kunden keinen internen Referenzpreis und können nicht beurteilen, ob ein verlangter Preis angemessen ist. Durch den niedrigen Einführungspreis ist die Qualitätsanmutung niedriger, als wenn der optimale Preis verlangt wird. Das günstige Angebot kann dazu führen, dass Schnäppchenjäger zuschlagen und die Kapazitäten blockieren, die eigentlich für die anvisierten Zielgruppen gedacht sind. Im schlimmsten Fall verhindert eine Niedrigpreis-Einführungsstrategie das neue Produkt den Wunschkunden vorzustellen, da die Kapazitäten von Kunden genutzt werden, die nur aufgrund des attraktiven Schnäppchenpreises gebucht haben. Diese Kunden werden später – dann zu regulären Preisen – nicht buchen, da der Preis außerhalb ihres Budgets liegt. Bei der Vermarktung eines neuen Produktes sollte eher mit Knappheit argumentiert werden. Knappheit suggeriert eine hohe Qualität und steigert die Zahlungsbereitschaft. 19
In der Praxis konnten wir durch Preis-Strategien schon Steigerungen des Nettoumsatzes um 15 Prozent nach einem Jahr realisieren, und das ohne Investitionen. Mit der Preis-Strategie sollte man sich jedes Jahr befassen, es zahlt sich aus. Mit diesem einfachen Beispiel möchte ich die Bedeutung des richtigen Preises unterstreichen. Es ist nie zu früh, sich mit seiner Preis-Strategie zu befassen, aber Sie können viel Geld verlieren, wenn Sie sich zu viel Zeit lassen.
Die Preisdurchsetzung umfasst alle Maßnahmen, die ein Verkäufer oder eine Verkäuferin einsetzt, um den festgesetzten Preis auch tatsächlich zu erzielen. Nun hängt der Erfolg der Preisdurchsetzung im hohen Maße davon ab, wie stark Ihre Marke und vor allem Ihr Selbstbewusstsein ist. Luxusprodukte setzen ihre Preise in der Regel leichter durch als Billigprodukte, die manchmal nur mit Schleuderpreisen verkauft werden können. Je weniger dominant die Marktposition ist, desto entscheidender ist das Verhalten der Führungskräfte. In einem Hotel ist die Rolle des Chefs oder der Chefin bei der Preisdurchsetzung fundamental. Er oder sie entscheidet wie die Preis-Kultur in einem Hotel ist.
Einmal einen Rabatt gewährt, bleibt dieser in der Regel bis ans Ende aller Tage. Und Rabatte sind wie die Pest, sie sind ansteckend, ruinieren Ihr Ergebnis, sprechen sich herum und verteilen sich überall. Rabatte haben die Angewohnheit zu mäandern und sickern in alle Ritzen der Preis-Politik. Wenn die Familie Dr. Schmidt fünf Prozent Sonderrabatt bekommt, dann kann man doch einer anderen Familie diesen Rabatt nicht vorenthalten, schon gar nicht, wenn diese Familien miteinander befreundet sind. Wir wollen doch fair sein. Die Fähigkeit Preise durchzusetzen, hängt viel mit dem eigenen Selbstbewusstsein zusammen, mit der Sicherheit, die einem innewohnt, die richtigen Preise zu verlangen. Die erste Voraussetzung ist daher, die richtigen Preise zu verlangen und diese selbstbewusst durchzusetzen. Wenn das Selbstbewusstsein fehlt, dann spüren das die Gäste. Sie werden immer wieder fragen, ob beim Preis noch was zu machen ist, und hat sich einmal eine Rabattkultur eingeschlichen, ist sie kaum noch loszuwerden.
Bei einem Strategieprojekt konfrontierten wir die Hoteliers mit den verheerenden Ergebnissen der Preisanalyse ihres Hotelbetriebes. Die tatsächlich durchgesetzten Nettopreise waren viel zu niedrig und führten zu einem tiefroten Ergebnis. Im Vergleich zu Wettbewerbsbetrieben lagen ihre Preise um einen zweistelligen Prozentbetrag darunter. Nun weiß man nie, wie gut die Wettbewerber ihre Preise tatsächlich durchsetzen, wie viel Rabatte sie geben. Doch der Vergleich mit Benchmark-Kennzahlen anderer Betriebe war eindeutig. Darauf angesprochen reagierte die Unternehmerin sehr emotional. Sie habe immer ein schlechtes Gewissen, den Gästen gegenüber und knicke immer ein, wenn ein Gast Nachlässe fordert. Manchmal geben sie von sich aus Rabatte oder Upgrades, einfach um ihre Ruhe zu haben. Wie sich herausstellte hatte sie ein schlechtes Gewissen, da das Haupthaus in die Jahre gekommen war, obwohl das Hotel einen neuen Anbau hatte. Den schon niedrig angesetzten Preis ruinierte sie zusätzlich durch unnötige Rabatte. Die Preisanalyse war schmerzlich, doch die Ursache der schlechten Performance wurde gefunden.
Gemeinsam mit ihrem Sohn, der den Betrieb in den Folgejahren übernehmen sollte, konnten wir ohne Investitionen sukzessive eine erstaunliche Performanceverbesserung erreichen. Allein durch preisstrategische Maßnahmen konnte der strategische Durchschnittspreis (Netto-Pensionserlös pro Übernachtung) innerhalb von vier Jahren um über 20 Prozent erhöht werden. Die Performanceverbesserung führte zu erfreulichen Ergebnissen, die die Grundlage für Investitionen bildeten. Aufgrund der verbesserten betriebswirtschaftlichen Performance finanzierte die Hausbank die dringend notwendigen Investitionen.
Um die Preise gut durchzusetzen, benötigt man die Sicherheit, dass die Preise die richtigen sind. Die intensive Beschäftigung mit den Preisen führt zu einer hohen Sicherheit und zu Selbstbewusstsein, die Preise auch verlangen und durchsetzen zu können. Ich gebe zu, das liest sich leicht. In der Realität lauern die Herausforderungen an jeder Ecke und das tagtäglich. Der nette Stammgast, dem die Seniorchefin des Hauses seit vielen Jahren Rabatt gewährt, will sich bei einer gemeinsamen Wanderung versichern, dass er die immer schon gewährten Vorteile auch diesmal bekommt. Diese Preis-Kultur nervt und sollte sofort abgestellt werden. Eine in der Praxis bewährte Taktik ist, die Preishoheit an eine Person zu delegieren, die für die betriebswirtschaftliche Performance und für die Preise verantwortlich ist. Das kann ein Hoteldirektor sein oder die Tochter, die den Betrieb übernommen hat. Mit einem sympathischen Hinweis der Seniorchefin, dass die Preise nicht mehr in ihrer Verantwortung liegen, kann man die »Unkultur der Rabattitis« schnell und für immer loswerden.
1Vgl. Bilanzbranchenbild Hotels 2021, S. 3.
2Vgl. Bilanzbranchenbilder Hotels 2010 bis 2021.
3Vgl. Bilanzbranchenbild Hotels, Wien 2021, S. 4.
4Vgl. Bilanzbranchenbilder Hotels 2010 bis 2021.
5Vgl. Bilanzbranchenbilder Hotels (inkl. Motels) 2011, S. 25.
6Vgl. Bilanzbranchenbilder Hotels 2010 bis 2021.
7Daten entsprechend den Bilanzstichtagen zwischen 01.07.2019 und 30.06.2020. Vgl. Bilanzbranchenbild Hotels, Wien 2021.
8Der Nobelpreisträger Daniel Kahneman hat in seinem Buch dargelegt, wie schwer es für Menschen ist, Veränderungen zum Schlechteren zu akzeptieren. Er spricht in diesem Zusammenhang von Verlustaversion. Vgl. Kahnemann 2012, S. 348.
9Vgl. hierzu Matteoli 2003.
10Wir sprechen in diesem Zusammenhang vom Kunden-Nutzen-Profil. Jeder Hotelbetrieb sollte Klarheit darüber haben welchen Nutzen er seinen Gästen anbieten möchte und wie dieser Nutzen im Vergleich zu den Kernwettbewerbern ausgeprägt ist. Aus der Positionierung können auch die richtigen Preise abgeleitet werden.
11Simon 2015, S. 24.
12Vgl. Husemann-Kopetzky 2018, S. 94.
13Vgl. Simon, Fassnacht 2016, S. 166.
14Simon 2015, S. 88.
15Die Strategische Kunden-Analyse für Hotelbetriebe ist ein professionelles Marktforschungsinstrument, das wir in Kooperation mit einem Marktforschungsunternehmen durchführen. Basierend auf einer Online-Befragung mit ca. 1.000 beantworteten Fragebögen je Hotel generiert die Strategische Kunden-Analyse ein umfassendes Verständnis der Marke aus der Gästeperspektive.
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