Um auch in der Ausbildung der Veterinärmediziner dem Tierschutz einen festen Platz zu sichern, wurde am 4. Oktober 1996 an der Tierärztlichen Hochschule Hannover ein Tierschutzzentrumeingerichtet, das sich mit der Bearbeitung und Beantwortung tierschutzrelevanter Fragestellungen auf wissenschaftlicher Basis befasst. Nach Schließung des Instituts für Tierschutz und Verhalten an der TierärztlichenHochschule Hannover Ende September 2018 wird ein neues virtuelles Tierschutzzentrum als „Tierschutzzentrum-Hannover“ fortgeführt. Es ist auch weiterhin zu finden unter: http://www.tierschutzzentrum.de.
Aber auch von privater Seite wird Tierschutz durchgesetzt. Viele private Organisationen haben sich dem Tierschutz verschrieben. Die wohl größte Tierschutzorganisation in Deutschland ist der Deutsche Tierschutzbund e. V. Er wurde 1881 gegründet. An diesen Verein sind 16 Landesverbände und circa 740 örtliche Tierschutzvereine mit ungefähr 800000 Mitgliedern angeschlossen. Unterhalten wird ebenfalls die Akademie für Tierschutz in Neubiberg, welche insbesondere Aus- und Fortbildungsveranstaltungen auf diesem Gebiet anbietet, sowie ein Tierschutz- und Jugendzentrum in Weidefeld in Schleswig Holstein.
Hinzu kommen Tierheime, die von Städten, Gemeinden, Kreisen oder anderen privaten Trägern betrieben werden. Insgesamt gibt es ungefähr 900 deutsche Tierheime.
Anhand der aufgezählten Umstände wird man wohl sagen können, dass der Tierschutz in Deutschland recht fortschrittlich ist. Aber auch andere Länder in Europa sind diesbezüglich positiv hervorzuheben wie die Schweiz, Skandinavien und die Niederlande. Leider sind die Probleme in vielen südeuropäischen Staaten noch allzu groß, was jedoch auch immer vor dem Hintergrund der schlechten wirtschaftlichen Lage mancher Länder zu sehen ist.
Aber europaweit nimmt der Tierschutz einen immer größeren Stellenwert ein, da nur so ein effizienter Tierschutz möglich und durchsetzbar ist. Es ist keinem Tier geholfen, wenn durch Transport über irgendeine Grenze sämtliche Schutzbestimmungen umgangen werden können.
Der Europarat hat zahlreiche völkerrechtliche Übereinkommen auf dem Gebiet des Tierschutzes erarbeitet. Auf diese wird im entsprechenden Kapitel nochmals ausführlich eingegangen. Das nationale Recht der Länder, die dem Europarat angeschlossen sind, ist diesen Übereinkommen jeweils anzupassen.
Die Fachabteilung „Bürgerrechte und konstitutionelle Angelegenheiten“ des Europäischen Parlaments hat sich im Bericht „Das Wohlergehen von Tieren in der Europäischen Union 2017“ mit der aktuellen Situation befasst und kommt u. a. zu dem Ergebnis:
„Ein frappierendes Defizit … besteht darin, dass häufig gehaltene Tierarten nicht von den bestehenden Rechtsvorschriften erfasst sind.“ (S. 55 d. Berichts)
Weiterhin wird strategisch empfohlen, die erheblichen Lücken durch ein allgemeines Gesetz über das Wohlergehen von Tieren zu schließen (S. 64 d. Berichts).
CTierschutz & Tierschutzgesetz
I.Mögliche Kollision des Tierschutzes mit anderen Interessen
Der Gesetzgeber musste im Bereich des Tierschutzes ethische Grundsätze, Tierwohl und wissenschaftliche sowie wirtschaftliche Erfordernisse miteinander in Einklang bringen. In vielen Bereichen können dabei Interessenkonflikte auftreten. Sie seien hier folgend ohne Anspruch auf Vollständigkeit kurz aufgezeigt.
1.Nutztierhaltung in Deutschland
In Deutschland wurden in den Jahren 2016/2017 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes
12.365.495 |
Rinder |
27.175.000 |
Schweine |
158.648.625 |
Geflügeltiere |
440.000 |
Pferde |
1.574.300 |
Schafe |
gehalten.
Dass fast 200 Millionen Tiere auf einer Fläche von 356 950 km 2abzüglich des für die 82 Millionen Menschen notwendigen Lebensraum nicht ohne Probleme untergebracht und gehalten werden können, ist klar ersichtlich.
Ein generelles oder spezielles Verbot der Intensivtierhaltung findet sich im Tierschutzgesetz nicht. Gleichzeitig wird sie nicht auch nicht ausdrücklich erlaubt. Die Intensivtierhaltung in Deutschland ist nicht nur ein tierschutzrechtliches Problem, sondern betrifft eine Vielzahl von Rechtsbereichen, wie das Lebensmittelrecht, Tierseuchenrecht und Futtermittelrecht.
Die aktuellsten statistischen Angaben stammen aus dem Jahr 2016. Insgesamt leben in Deutschland ungefähr 8,6 Millionen Hunde und 13,4 Millionen Katzen. Gerade bei der Haltung von Haustieren kommt es immer wieder vorsätzlich oder auch unabsichtlich zu Verstößen gegen das Tierschutzgesetz, da die Motivation und Sachkenntnisse der jeweiligen Halter äußerst unterschiedlich ausgeprägt sind. Endstation für viele dieser Tiere sind dann die Tierheime. Insgesamt wurden z.B 2009 in den dem Dt. Tierschutzbund angeschlossenen Heimen in Deutschland
74.900 |
Hunde |
131.900 |
Katzen |
17.300 |
Vögel |
67.600 |
Kleintiere |
1.000 |
Großtiere und |
3.700 |
Exoten |
zusammen also 224.400 Tiere in Tierheimen aufgenommen. Dabei ist festzustellen, dass dort in den Sommermonaten Juni, Juli, August ein extremer Anstieg der Tiere zu verzeichnen ist. Der Zusammenhang mit Ferien und Urlaub liegt auf der Hand.
Die Haltung von Tieren im Zoo verfolgt den primären Zweck lebende Wildtiere und z. T. auch Haustiere für Stadtbewohner erlebbar zu machen. Zu diesem Zweck erfahren die Tiere notwendigerweise eine Einschränkung ihres Bewegungsfreiraumes und auch ihrer Rückzugsmöglichkeiten, obwohl man gerade im Zoo bemüht ist, im Interesse der Tiere, aber auch der Besucher eine möglichst naturnahe und artgerechte Haltung der Zootiere zu gewährleisten. Besonders in diesem Bereich hat in den letzten Jahren ein Wandel stattgefunden. Nicht mehr die Schaustellung von Tieren allein, sondern auch ihres Lebensraumes, sowie die Nachzucht (Arterhaltungsprogramme) von Tieren haben einen hohen Stellenwert in der heutigen Zootierhaltung. Trotzdem handelt es sich um in Gefangenschaft gehaltene Wildtiere, die hinsichtlich des Tierschutzes eine besondere Aufmerksamkeit erfahren. In Deutschland werden in über 500 Einrichtungen, Zoos, zoologischen Gärten, Tiergärten, Tierparks, Wildparks, Vogelparks Tiere gehalten und gegen Bezahlung der Öffentlichkeit zur Schau gestellt.
4.Tierversuche in Medizin und Forschung
In diesem Bereich werden zahlreiche Tierversuche durchgeführt. Sie müssen auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen aus medizinischen oder gesundheitlichen Gründen, zur Erkennung von Umweltgefährdungen oder für die Grundlagenforschung unerlässlich sein, das heißt, es darf keine andere Alternative geben. Dabei hat eine Abwägung stattzufinden, ob die zu erwartenden Schmerzen, Leiden oder Schäden der Versuchstiere im Hinblick auf den Versuchszweck ethisch vertretbar sind. Hierbei ist eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen. Zusammenfassend wird man wohl die Notwendigkeit von Tierversuchen, insbesondere in der Human- und Tiermedizin, als gegeben betrachten können, da vielen Menschen und Tieren mit diesen Erkenntnissen das Leben gerettet oder erleichtert werden kann. Wichtig ist allerdings, den Tierversuchen eine möglichst große Effizienz zu kommen zu lassen, um so wenig Tiere wie irgend möglich im Versuch einzusetzen.
5.Tierversuche im Verbraucherschutz
Insbesondere im kosmetischen Bereich sind Tierversuche ein heikles Thema, da ihre Notwendigkeit nicht unumstritten ist. Grundsätzlich gilt ein Verbot für Tierversuche zur Entwicklung von Waschmitteln und Kosmetika. Seit 2009 sind auch Tierversuche für Bestandteile kosmetischer Mittel verboten. Auch das EU-Recht enthält seit 2013 ein vollständiges Verbot, auch im Hinblick auf die Einfuhr derartiger Kosmetika aus Drittländern. Die Rechtmäßigkeit dieser Regelung wurde durch den Europäischen Gerichtshof bestätigt (EuGH vom 21.9.2016 C-592/14).
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