281
Die Privatbestechung (Art. 322 octiesund Art. 322 noviesStGB) ist in passiver und aktiver Form strafbar; im Fall der aktiven Bestechung auch gegenüber ausländischen Entscheidungsträgern der Privatwirtschaft. Seit dem 1.7.2016 wird die Privatbestechung (mit Ausnahme leichter Fälle) neu als Offizialdelikt von Amtes wegen verfolgt. Strafrahmen ist Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Damit ist die Privatbestechung bzw. -bestechlichkeit kein Verbrechen sondern nur ein Vergehen und somit keine Vortat zur Geldwäscherei. Geschütztes Rechtsgut der Privatbestechung ist der Wettbewerb, aber auch das Privatvermögen des Arbeit- oder Auftraggebers des bestochenen Entscheidungsträgers. Nicht strafbar sind hingegen im Privatsektor bloße Vorteilsgewährungen bzw. Vorteilsannahmen. Geringfügige, sozialübliche Geschenke sind generell nicht verboten (Art. 322 deciesAbs. 1 lit. b StGB).
282
Gesetzeswidrig sind sodann nach Art. 33 Heilmittelgesetz (HMG) Bestechung und Bestechlichkeit sowie Vorteilsgewährung und Vorteilsannahme im Pharmabereich (d.h. ungebührliche Vorteile an Ärzte oder Organisationen, die Personen beschäftigen, welche Medikamente verschreiben dürfen). Hier geht es vor allem um die unerlaubte Beeinflussung von Ärzten im Hinblick auf den Vertrieb von Medikamenten, z.B. durch Gratiseinladungen zu Kongressen mit luxuriösen Rahmenprogrammen. Swissmedic, die zur Verfolgung nach Art. 33 HMG zuständige Verwaltungsbehörde, hat Richtlinien zu Art und Umfang zulässiger Einladungen publiziert. Dabei geht es vor allem um Sicherstellung einer angemessenen Kostenbeteiligung der Ärzte und um Vermeidung von Luxus. Weiter befasst sich Art. 33 HMG auch mit der Gewährung von Rabatten. Das Bundesgericht hat unlängst entschieden, dass diese Rabatte den Patienten offenzulegen sind. Die gesetzliche Ausnahmeklausel, wonach gem. Art. 33 HMG Rabattgewährungen erlaubt sind, die handelsüblich und betriebswirtschaftlich gerechtfertigt sind und sich direkt auf den Preis des Medikamentes auswirken, wurde vom Bundesverwaltungsgericht stark relativiert. Es sei kaum möglich, hinreichend klare Kriterien für die Bestimmung solcher Rabatte zu definieren. Zurzeit sind Bestrebungen im Gange, Art. 33 HMG zu revidieren, nachdem auch das Bundesgericht wiederholt bemängelt hat, dass verschiedene weitere Aspekte dieser Norm nicht hinreichend bestimmt sind.
2. Erlaubte Praktiken: Gesetzlicher Anspruch oder Sozialadäquanz
283
Vorteile dürfen einem Entscheidungsträger stets gewährt werden, und zwar auch im Zusammenhang mit Ermessensentscheiden oder anderen konkreten Handlungen, wenn das Gesetz dem Empfänger einen Anspruch auf den Vorteil gibt. Ein solcher Anspruch besteht im Privatsektor bei informierter Genehmigung der Vorteilsannahme durch den Geschäftsherrn (den Arbeitgeber oder Auftraggeber). Bei Amtsträgern schließt eine informierte Genehmigung der Vorteilsannahme durch die vorgesetzte Stelle die Strafbarkeit aus, wenn eine solche Bewilligungskompetenz im anwendbaren öffentlichen Recht vorgesehen ist. Bei schweizerischen Bundesbeamten ist dies nach Bundespersonalrecht stets möglich. Bei in- und ausländischen Amtsträgern sind sodann dienstrechtlich erlaubte Vorteile nicht strafbar. Im Schweizer Bundespersonalrecht (Art. 93 Bundespersonalverordnung, BPV) sind zzt. Geschenke bis 200 CHF erlaubt, es sei denn, das betreffende Amt oder Departement erlässt abweichende Regeln. Allerdings sollten Geschenke an dieselbe Person nicht häufig wiederholt, sondern nur aus besonderen Anlässen gewährt werden (z.B. zum Geburtstag oder Jahresende). Einladungen (z.B. zum Essen) dürfen nicht ins Ausland und nicht im Zusammenhang mit einem Entscheidprozess angenommen werden (Art. 93a BPV). Bei systematischer, wiederholter Transaktionsabschlusspraxis mit einer Behörde kann ein solcher Zusammenhang leichthin angenommen werden, weshalb in diesem Fall nur Bagatelleinladungen (wenn überhaupt) zu empfehlen sind. Sodann ist zu beachten, dass der Grenzwert von 200 CHF für Geschenke, nicht für Einladungen gilt. Hier ist es nicht empfehlenswert, in der Schweiz 100 CHF pro Person zu überschreiten, und auch diesfalls muss eine zu häufig wiederholte Einladungspraxis (und wie gesagt jeder Zusammenhang mit einer konkreten Transaktion oder einem Entscheidprozess) vermieden werden.
284
Vorteilsgewährungen sind außerdem erlaubt, wenn sie „geringfügig und sozial üblich“ (bzw. im Pharmabereich: „geldwerte Vorteile von bescheidenem Wert, die für die medizinische oder pharmazeutische Praxis von Belang“) sind. Geringfügigkeit des Vorteils ist alsdann anzunehmen, wenn die Höhe des Vorteils nicht ausreicht, um die Verhaltensweise des Empfängers zu beeinflussen. Bei Einladungen (außerhalb konkreter Entscheidungsprozesse, bei denen sie ohnehin grundsätzlich zu unterlassen sind) ist daher Luxus zu vermeiden; bei Schweizer Verhältnissen sollte man daher z.B. bei einem Abendessen auf jeden Fall unter der Schwelle von 100 CHF pro Person bleiben und häufige Wiederholungen vermeiden. Um erlaubt zu sein, müssen Vorteilsgewährungen zudem sozial üblich, d.h. sozialadäquat sein. Wann dies der Fall ist, entscheidet in der Praxis das Gericht nach seinem normativen Verständnis. Nicht sozialadäquat und damit verboten sind z.B. Geldgeschenke oder Geschenke an Entscheidungsträger außerhalb besonderer Anlässe wie Jubiläen oder dem Jahresende.
285
Ein Vorteil ist allerdings nie geringfügig, wenn er sich mit einer konkreten Handlung in Beziehung setzen lässt: Dann hat er nämlich ausgereicht, um die Handlung zu erkaufen. Wer z.B. einen Polizeibeamten mit 5 CHF davon abbringt, einen Bußzettel für Falschparkieren auszustellen, hat ihn faktisch schon mit diesem geringen Betrag bestochen. Das bedeutet, dass das Geringfügigkeitskriterium nur im Bereich der eigentlichen Vorteilsgewährungen, nicht aber bei der Bestechung zu Anwendung kommen kann.
3. Internationale Abkommen
286
Die Schweiz ist seit dem 31.5.2000 Mitglied des OECD-Übereinkommens über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr sowie ähnlicher Regelungen des Europarats und der Vereinten Nationen. Seit dem 1.7.2006 besteht eine Mitgliedschaft beim Strafrechtsübereinkommen und dessen Zusatzprotokoll des Europarats gegen Korruption. Am 24.10.2009 ist die UN-Konvention gegen Korruption für die Schweiz in Kraft getreten. Die Schweiz wird sodann demnächst dem Abkommen Nr. 198 des Europarats beitreten, welches Erleichterungen für die Strafverfolgungsbehörden bei der grenzüberschreitenden Konfiskation und Repatriierung von Korruptionserlösen auf dem Rechtshilfeweg vorsieht.
2. Kapitel Grundlagen für Compliance› C. Schweiz› IV. Kartellrecht
IV. Kartellrecht
1. Gesetzliche Grundlagen
287
Die Schweiz war mit der Einführung eines Kartellrechts im europäischen Vergleich ein Nachzügler. So waren Kartelle in der Schweiz bis 1995 grundsätzlich zulässig, solange der Wettbewerb nicht verunmöglicht wurde. Das geltende Kartellgesetz, das im Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (KG) geregelt ist, baut auf drei Säulen auf: Die erste und zweite Säule bilden dabei die Vorschriften über Wettbewerbsabreden und gegen den Missbrauch von Marktbeherrschung. Das System wird durch die Zusammenschlusskontrolle als dritte Säule vervollständigt.
288
Unzulässige Wettbewerbsabreden – sowohl horizontal als auch vertikal – sind gem. Art. 5 KG verboten. Unzulässig sind Abreden, die den Wettbewerb auf einem Markt erheblich beeinträchtigen und die sich nicht durch Effizienzgründe rechtfertigen lassen (Art. 5 Abs. 1 KG). In Art. 5 Abs. 3 und Abs. 4 werden Tatbestände aufgelistet, bei welchen eine Beseitigung wirksamen Wettbewerbs vermutet wird. Solche wettbewerbsbeseitigende Abreden unterliegen gem. Art. 49a KG strengen Sanktionen, welche durchaus mit dem Sanktionssystem der EU vergleichbar sind. Das KG sieht weiter vor, dass marktbeherrschende Unternehmen ihre Stellung nicht dahingehend missbrauchen dürfen, dass sie anderen Unternehmen auf dem Markt in der Aufnahme oder der Ausübung des Wettbewerbs behindern oder benachteiligen (Art. 7 Abs. 1 KG). Das Gesetz definiert Marktbeherrschung in Art. 4 Abs. 2 KG als Stellung, in der ein Unternehmen in der Lage ist, sich auf dem Markt in wesentlichem Umfang unabhängig von anderen Marktteilnehmern zu verhalten. Die Zusammenschlusskontrolle als dritte Säule des Kartellrechts ist in Art. 9–11 KG normiert. Mit der Zusammenschlusskontrolle soll – unter gewissen Voraussetzungen – verhindert werden, dass Unternehmen durch Zusammenschlüsse eine marktbeherrschende Stellung aufbauen. Die Zusammenschlusskontrolle greift in der Schweiz, ausgenommen bei Medienunternehmen, erst ab einem Schwellenwert von 100 Mio. CHF ein (Art. 9 KG).
Читать дальше