299
Zusätzlich zur Aufsichtsfunktion ist die FINMA auch maßgebliche Rechtsmittelinstanz für die Offenlegung von Beteiligungen bei börsenkotierten Gesellschaften (bei Ablehnung der Empfehlung der Offenlegungsstelle der SIX), für Streitfälle bei Übernahmen (Beschwerden gegen Entscheide der Übernahmekommission), in Fragen der Geldwäschereibekämpfung und schließlich in Insolvenzfragen von Banken.
2. Regeln für börsenkotierte Unternehmen
300
Alle an der schweizerischen Börse SIX zugelassenen Gesellschaften unterliegen einer gesetzlichen Meldepflicht, die vor allem der Herstellung von Waffengleichheit in einem Übernahmekampf dient. Diese Meldepflicht greift, wenn Beteiligungen (Aktien, Optionen und andere Beteiligungspapiere in ihrer Gesamtheit) bei einer Person oder einer Gruppe die Schwelle von 3, 5, 10, 15, 20, 25, 33 1/3, 50 und 66 2/3 % der Stimmrechte überschreiten oder unterschreiten (Art. 120 FinfraG). Die Offenlegung der Beteiligungen hat innerhalb von vier Tagen zu erfolgen und ist innerhalb von zwei weiteren Tagen im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) und einem elektronischen Medium (Bloomberg oder Reuters) zu veröffentlichen (Art. 24 Abs. 1 und Abs. 3 FinfraV-FINMA, Art. 8 Abs. 1 FinfraV-FINMA). Von der Meldepflicht gem. FinfraG erfasst sind auch nicht im Aktienregister eingetragene Käufer sowie Verkäufer von Beteiligungen. Diese haben die Gesellschaft zu benachrichtigen, wenn sie die vorher genannten Schwellenwerte über- bzw. unterschreiten.
301
Die Übernahmekommission der Börse hat die Aufgabe, Übernahmen von kotierten Gesellschaften in der Schweiz zu überwachen und unter Wahrung der Neutralität Angebote und Verteidigungsmaßnahmen zu kontrollieren.
302
Die Übernahmekommission befasst sich insbesondere mit Pflichtangeboten, die abgegeben werden müssen, wenn ein Aktionär mehr als ein Drittel der stimmberechtigten Beteiligungen einer Gesellschaft allein oder als Gruppe erworben hat (Art. 135 FinfraG).
303
Große praktische Bedeutung kommt mittlerweile auch den Regeln zu Insiderdelikten und Kursmanipulationen zu, die in der Schweiz graduell verschärft wurden.
304
Die bei einer schweizerischen Börse kotierten Unternehmen sind verpflichtet, den Markt über potentiell kursrelevante neue Tatsachen – d.h. Tatsachen die geeignet sind, zu einer erheblichen Änderung des Kurses zu führen – zu informieren (vgl. Art. 53 Kotierungsreglement (KR)). Die Meldung hat mindestens an die SIX Exchange Regulation, zwei elektronische Finanzinformationssysteme (z.B. Bloomberg oder Reuters) und zwei Schweizer Tageszeitungen von nationaler Bedeutung zu erfolgen. Dadurch soll die Chancengleichheit der Marktteilnehmer gewährleistet werden. Zu den Tatsachen, die publikationspflichtig sind, gehören alle Arten von kursrelevanten Transaktionen und Ereignissen, so insbesondere Fusionen, Übernahmen, Restrukturierungen, Kapitalveränderungen, wichtige personelle Wechsel, neue wichtige Produkte sowie wesentliche Verminderungen des Gewinns oder eine Erhöhung des Verlusts (sog. Gewinnwarnungen).
305
Das Finanzmarktinfrastrukturgesetz regelt dabei sowohl die aufsichtsrechtliche wie auch die strafrechtliche Durchsetzung dieser Regeln.
306
Die aufsichtsrechtliche Regelung in Art. 142 und 143 FinfraG gibt der FINMA das Recht, gegenüber allen Marktteilnehmern (einschließlich Privatanlegern) aufsichtsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen, sofern Marktteilnehmer Insiderinformationen ausnutzen oder den Markt manipulieren.
307
Die Zuständigkeit für die strafrechtliche Verfolgung von Insiderhandel und Kursmanipulation liegt bei den Bundesbehörden, d.h. die Ermittlungen werden von der Bundesanwaltschaft geführt (vgl. Art. 156 FinfraG). Im Gegensatz zum Verfahren vor der FINMA richtet sich dieses Verfahren nach der StPO, sodass dem Beschuldigten strafprozessuale Verfahrens- und Verteidigungsrechte zustehen. Marktteilnehmer, die Insiderdelikte begehen oder Handlungen vornehmen, die als Marktmanipulation qualifiziert werden, können mit Sanktionen von Buße bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden (Art. 154 f. FinfraG). Die schweren Insiderdelikte und Marktmanipulationen (im Wesentlichen Delikte, die zu einem finanziellen Vorteil von mehr als 1 Mio. CHF führen) i.S.v. Art. 154 Abs. 2 bzw. Art. 155 Abs. 2 FinfraG gelten im Übrigen als Vortaten der Geldwäscherei i.S.v. Art. 305 bisStGB.
308
Die Mitglieder des Verwaltungsrates und der Geschäftsleitung haben der Gesellschaft sodann Mitteilung zu erstatten, wenn sie Beteiligungspapiere ihrer Gesellschaft oder damit verbundene Finanzinstrumente kaufen oder verkaufen (Art. 56 KR). Diese Mitteilung hat spätestens am zweiten Börsentag nach der Transaktion zu erfolgen. Auch Transaktionen nahestehender Personen sind meldepflichtig, falls sie unter maßgeblichem Einfluss der meldepflichtigen Person getätigt wurden (Art. 56 Abs. 3 KR und Art. 3 Abs. 2 der Management-Transaktionen Richtlinie, RLMT). Die Gesellschaft muss die ihr zugegangen Meldungen innerhalb von drei Börsentagen mittels einer elektronischen Meldeplattform an die SIX weitergeben. Diese Meldungen werden veröffentlicht und können während drei Jahren abgerufen werden. Die Sanktionen, die bei Verletzung der Meldepflicht von der Zulassungsstelle der Börse einzeln oder kumulativ ausgesprochen werden können, reichen von Buße, Verweis, Sistierung des Handels, Dekotierung oder Umteilung unter einen anderen regulatorischen Standard bis zum Ausschluss von weiteren Kotierungen oder Entzug der Anerkennung (Art. 61 KR).
309
Kotierte Gesellschaften müssen nebst einer Jahresrechnung mit Bilanz, Erfolgsrechnung, Geldflussrechnung, Lagebericht und erweiterten Angaben im Anhang zusätzlich auch einen Abschluss nach einem anerkannten Standard zur Rechnungslegung erstellen (Art. 962 Abs. 1 OR). Der Bundesrat hat in der Verordnung über die anerkannten Standards zur Rechnungslegung (VASR) fünf private Regelungswerke als anerkannte Standards bezeichnet. Dies sind: Swiss GAAP FER, IFRS (wie vom IASB verabschiedet), IFRS for SMEs, US GAAP und IPSAS.
Die Börse verlangt, dass ein Halbjahresabschluss, erstellt in Übereinstimmung mit einem vom Regulatory Board anerkannten Rechnungslegungsstandard, veröffentlicht wird (Art. 50 f. KR).
310
Geldwäscherei ist ein allgemeinrechtliches strafrechtliches Delikt, das nicht nur von Personen im regulierten Finanzsektor, sondern grundsätzlich von jedermann begangen werden kann. Konkret wird in Art. 305 bisStGB jede Handlung unter Strafe gestellt, die geeignet ist, die Ermittlung der Herkunft, die Auffindung und Einziehung von Vermögenswerten zu vereiteln, die aus einem Verbrechen oder einem qualifizierten Steuervergehen herrühren. Indem qualifizierte Steuervergehen, d.h. Steuerbetrug im Umfang von mehr als 300 000 CHF pro Steuerperiode, seit dem 1.1.2016 in den Katalog der relevanten Vortaten aufgenommen wurden, erfuhr der Geldwäschereitatbestand nochmals eine erhebliche Ausweitung.
Typische Geldwäschereihandlungen sind gem. Rechtsprechung z.B. die Überweisung von Geld über die Grenze (weil dann die Fahndbarkeit des Geldes für die Strafverfolgungsbehörden ungeachtet bestehender Rechtshilfeverträge etc. erschwert ist), die Barabhebung verbrecherisch erlangter Geldmittel (weil dann die Fahndbarkeit des Geldes durch Unterbrechen der prüfbaren Papierspur erschwert wird), oder aber die Integration der aus dem Verbrechen herrührenden Vermögenswerte in die legale Wirtschaft, indem man damit Rechnungen bezahlt, Immobilien erwirbt etc. (weil das Geld bei einem gutgläubigen Empfänger, der dafür eine marktkonforme Gegenleistung erbringt, nicht mehr verfallen bzw. konfisziert werden kann). Das Gesagte gilt nicht nur für Vermögenswerte, die aus Verbrechen herrühren, sondern auch für Transaktionen mit legal erlangten Geldmitteln, die z.B. auf einem Bankkonto mit verbrecherischen Vermögenswerten vermischt wurden. Umstritten ist, zu welchen Teilen ein solches Bankkonto damit geldwäschereifähig ist. Je nach Theorie kann die Kontamination legaler Gelder durch verbrecherische Gelder sehr weit gehen und theoretisch ein ganzes Unternehmen komplett infizieren (und damit lahmlegen). Das Problem der Kontamination legal erworbener Gelder ist eines der Hauptprobleme, die für Unternehmen aus dem Geldwäschereitatbestand resultieren, war aber bisher kaum Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen (und wurde soweit ersichtlich höchstrichterlich bis heute nicht geklärt).
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