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Nach der in diesem Zusammenhang ergangenen Judikatur des EuGH[22] sind Erzeugnisse, die sowohl unter den Lebensmittelbegriff als auch unter den des Arzneimittels fallen, als Arzneimittel zu behandeln. Dies ergibt sich letztlich bereits aus Art. 2 Abs. 2 RL 2001/83/EG,[23] der diesbezüglich eine Zweifelsregelaufstellt, die als gesetzliche Fiktion materiellrechtliche Wirkung auch für das Strafrecht hat. Für Mittel, für die der Nachweis der Wirksamkeit nicht geführt ist, gilt diese Zweifelsregel jedoch nicht,[24] so dass diese Erzeugnisse im Zweifel als Lebensmittel einzuordnen sind.[25] Zu diesem Ergebnis gelangt man ebenfalls, wenn man die Abgrenzung nach dem neu gefassten § 2 Abs. 1 AMG vornimmt.[26]
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Die Lebensmittelzusatzstoffewerden in § 2 Abs. 3 S. 1 LFGB zumindest partiell eigenständig definiert als Stoffe, die weder als Lebensmittel verzehrt, noch als charakteristische Zutat eines Lebensmittels verwendet werden und einem Lebensmittel aus technologischen Gründen zugesetzt und damit Bestandteil des Lebensmittels werden.[27] Ferner nennt § 2 Abs. 3 S. 2 LFGB in den Nrn. 1 bis 4 Stoffe, die den Lebensmittelzusatzstoffen gleichgestellt sind.
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§ 2 Abs. 3 S. 3 LFGB nimmt dagegen einige Stoffe, so z.B. Pflanzenschutzmittel, ausdrücklich vom Begriff des Lebensmittels aus.
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Auch für die Definition des Futtermittelbegriffs nimmt § 2 Abs. 4 LFGB auf Art. 3 Nr. 4 BasisVO Bezug. Danach sind Futtermittel „Stoffe oder Erzeugnisse, auch Zusatzstoffe, verarbeitet, teilweise verarbeitet oder unverarbeitet, die zur oralen Tierfütterung bestimmt sind“ .[28] Damit ist jedes Erzeugnis ein Futtermittel, das seiner Zweckbestimmung nach der Ernährung von Tieren dient, unabhängig davon, ob diese Tiere in der Nahrungsmittelproduktion eingesetzt werden.[29] Auch Arzneimittel für Tiere ( Fütterungsarzneimittel) sind von dieser Definition umfasst.[30]
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Das LFGB unterscheidet ferner weitere Arten der Futtermittel – Einzelfuttermittel, Mischfuttermittel, Diätfuttermittel, Futtermittelzusatzstoffeund Vormischungen– die in § 3 Nr. 12 bis 16 LFGB, teilweise unter Rückgriff auf Definitionen des Gemeinschaftsrechts, legaldefiniert sind.
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Kosmetische Mittel sind nach § 2 Abs. 5 LFGB „Stoffe oder Gemische aus Stoffen, die ausschließlich oder überwiegend dazu bestimmt sind, äußerlich am Körper des Menschen oder in seiner Mundhöhle zur Reinigung, zum Schutz, zur Erhaltung eines guten Zustandes, zur Parfümierung, zur Veränderung des Aussehens oder dazu angewendet zu werden, den Körpergeruch zu beeinflussen. Als kosmetische Mittel gelten nicht Stoffe oder Gemische aus Stoffen, die zur Beeinflussung der Körperformen bestimmt sind“. Es kommt allein auf die Zweckbestimmungan, die sich nach der Verkehrsauffassung bestimmt (dazu auch Rn. 268 ff.).
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Die unter der Geltung des § 4 LMBG auftretenden Differenzen zwischen dem Begriff des kosmetischen Mittelsim nationalen Lebensmittelrecht und in Art. 1 der RL 76/768/EWG (KosmetikRL)[31] dürften sich durch die Angleichung der Legaldefinition des § 2 Abs. 5 LFGB an Art. 1 KosmetikRL weitgehend erledigt haben.
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Bei der Abgrenzung des kosmetischen Mittels zum Arzneimittel( Rn. 9 ff.) können Probleme auftreten, denn Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die zur Beeinflussung der Körperformen bestimmt sind, z.B. sog. Schlankheitsmittel, sind keine kosmetischen Mittel, sondern Arzneimittel.[32]
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Dem Anwendungsbereich des Lebensmittelrechts unterfallen weiterhin die sog. Bedarfsgegenstände. Hier nennt § 2 Abs. 6 S. 1 Nr. 1 LFGB die sog. Lebensmittelbedarfsgegenständei.S.d. Art. 1 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1935/2004, die bei normaler oder vorhersehbarer Verwendung mit Lebensmitteln in Berührung kommen oder kommen sollen oder Bestandteile auf Lebensmittel abgeben. Ferner zählt § 2 Abs. 6 S. 1 Nr. 2 bis 9 LFGB die sonstigen Bedarfsgegenständeenumerativ auf; darunter fallen u.a. Kosmetikverpackungen, Zahnbürsten, Kleidung sowie häusliche Reinigungsmittel. Mit einer allgemeinen Definition können Bedarfsgegenstände als Produkte umschrieben werden, die dazu bestimmt sind, nicht nur vorübergehend mit dem menschlichen Körper in Kontakt zu treten, und geeignet sind, auf diesen zumindest mittelbar einzuwirken.[33] Arzneimittelsind nach § 2 Abs. 6 S. 2 LFGB keine Bedarfsgegenstände.
2. Geltung des Missbrauchs- und des Verbotsprinzips
a) Missbrauchsprinzip
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Das Lebensmittelrecht folgt grundsätzlich dem Missbrauchsprinzip. Danach darf der Unternehmer Lebensmittel ohne Genehmigung in eigener Verantwortung in Verkehr bringen;[34] es gilt lediglich ein Verbotsvorbehalt.[35] Die Verkehrsfähigkeit der Erzeugnisse setzt jedoch voraus, dass diese den gesetzlichen Anforderungen gerecht werden; sie müssen insbesondere sichersein. Verstöße gegen die Konformität der Erzeugnisse mit dem Lebensmittelrecht können aufgrund der Selbstverantwortung des Unternehmers zu straf- und verwaltungsrechtlichen Sanktionen führen.[36]
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Bei bestimmten Stoffen brächte eine generelle Zulassung jedoch erhebliche Gefahren, vor allem für die Gesundheit von Menschen, mit sich. Deshalb sieht das Lebensmittelrecht im Sinne eines vorbeugenden Gesundheitsschutzes für manche Erzeugnisse eine behördliche Zulassung vor; insofern gilt das Verbotsprinzip. Dieses statuiert Verbote mit Erlaubnisvorbehalt, so dass eine Handlung, die nicht ausdrücklich erlaubt wird, verboten ist.[37] Dies ermöglicht eine gesetzlich reglementierte Prüfung potenziell gefährlicher Stoffe auf die mit ihrer Verkehrsfähigkeit einhergehenden Risiken, um so eine möglichst hohe Sicherheit für Erzeugnisse des Lebensmittelrechts zu erreichen.
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Für Zusatzstoffegilt i.d.R. das Verbotsprinzip. Sie sind nur verkehrsfähig, soweit sie in einer Positivliste ausgewiesen sind. Dieser Grundsatz hatte sich bereits mit der Richtlinie 89/107/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 durchgesetzt und ist nun unter Geltung der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über Lebensmittelzusatzstoffe unmittelbar geltendes Unionsrecht (dazu auch Rn. 347 ff.) und kommt in § 6 Abs. 1 Nr. 1 lit a und b LFGB zum Ausdruck.[38]
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Obwohl die Anwendung des Verbotsprinzips regelmäßig eine erhöhte Sicherheit für den Verbraucher mit sich bringt, bedarf dieser Grundsatz, der mit einem erheblichen Eingriff in die Freiheiten der Unternehmer verbunden ist, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit einer besonderen Rechtfertigung.[39] Diese spezifische Notwendigkeit wurde für den Bereich der Stoffe mit pharmakologischer Wirkungund der neuartigen Lebensmittelbejaht. Entsprechend sah bereits die Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten (sog. Novel Food-Verordnung)[40] ein Zulassungsverfahren vor. Auch im Bereich der Futtermittelgilt für bestimmte Bestandteile das Verbotsprinzip (vgl. § 21 Abs. 2, 3 LFGB; dazu Rn. 292).[41] Doch sollte die Einführung von Zulassungsverfahren aus Sicht der Unternehmer nicht ausschließlich als Freiheitseinschränkung betrachtet werden, da ein zugelassenes Erzeugnis das Vertrauen des Verbrauchers genießt und so allgemeine Qualitätsstandardsgesetzt werden.[42]
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