[609]
In diesem Sinne jedoch Wollschläger : Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht – die seiner Ansicht nach der Auslegung des § 299 StGB (a.F.) zu Grunde zu legen ist – seien deutsche Marktteilnehmer lediglich gehalten, sich im Inland am deutschen Wettbewerbsrecht zu orientieren. Auf einem Auslandsmarkt werde dies in aller Regel wegen des im Wettbewerbsrecht herrschenden Grundsatzes der Waffengleichheit gerade nicht verlangt; es gelte das Recht des betroffenen Staates. Solange die Rechtsvereinheitlichung nicht internationale Mindeststandards hervorgebracht habe, sei der umfassende Schutz des Weltwettbewerbs mittels eines deutschen Strafgesetzes nicht angebracht und eine den jeweiligen Standards entsprechende Korrektur (über die Sozialadäquanz oder die Einschränkung des Rechtsgüterschutzes) vorzunehmen (Täterkreis, S. 85 ff.; ders. StV 2010, 385, 388 f.; ders. in: AnwK-StGB, § 299 Rn. 25; in der Tendenz auch Schuhr in: Spickhoff, § 299 Rn. 55); überzeugend gegeneine teleologische Reduktion des Schutzbereichs von § 299 StGB aber Mölders Bestechung, S. 232; zust. Dannecker in: NK-StGB, § 299 Rn. 120; Fischer § 299 Rn. 43; Heine/Eisele in: Schönke/Schröder, § 299 Rn. 31; Krick in: MK-StGB, § 299 Rn. 114. Die gleichen Argumente lassen sich auch gegen den Ansatz von Lenk (wistra 2014, 50 ff.) anführen, der zunächst zutreffend darauf hinweist, dass deutsches Strafrecht grundsätzlich nur angewendet werden kann, wenn der deutsche Rechtsgüterschutz ausgelöst ist (51 m.w.N.). Anders als vom Gesetzgeber intendiert, sei es jedoch nicht möglich gewesen, den ausländischen Wettbewerb über § 299 Abs. 3 StGB (a.F.) am deutschen Rechtsgüterschütz teilhaben zu lassen, weil in manchen Ländern kein freier Wettbewerb existiere. Auf Taten mit entsprechendem Auslandsbezug sei deutsches Strafrecht deshalb nicht anwendbar (52 f.). Dem liegt die Fehlvorstellung zu Grunde, der Gesetzgeber könnte durch reale Umstände (hier: Verbreitung korruptiver Praktiken in Teilen des Auslands) daran gehindert sein, normative Ziele zu erreichen (d.h. hier: auch alle Inlandstaten mit Auslandsbezug strafrechtlich zu erfassen); tatsächlich ist die Legislative – im Rahmen der verfassungs- und unionsrechtlichen Grenzen – aber sogar frei darin, Utopien zu schützen (und genau das dürfte die Vorstellung von einem vollends „fairen Wettbewerb“ zumeist sein). Anders als Lenk meint, entspricht sein Vorschlag deshalb der Sache nach der von Wollschläger geforderten teleologischen Reduktion und ist ebenso abzulehnen.
[610]
Dannecker in: NK-StGB, § 299 Rn. 119, 122 f.; Krick in: MK-StGB, § 299 Rn. 114 – beide m.w.N.; Mehle in: FS Gauweiler, 2009, S. 395, 404 ff.; Ludwig in: Müller-Gugenberger, § 53 Rn. 115; Haft/Schwoerer in: FS Weber, 2004, S. 367, 383: (nach Ansicht der Autoren nicht zum Zuge kommende) „korrigierende Wirkung“ der §§ 3 ff. StGB; vgl. auch Golombek Strafanwendungsrecht, S. 106.
[611]
OLG Karlsruhe BB 2000, 635.
[612]
BGH NJW 1968, 1572, 1575 – Bierexport.
[613]
Tiedemann in: LK, § 299 Rn. 63; Dannecker in: NK-StGB, § 299 Rn. 122; Krick in: MK-StGB, § 299 Rn. 115; Fietz/Weidlich RIW 2005, 423, 425 ff.; Rönnau JZ 2007, 1084, 1085 f.; Kappel/Junkers NZWiSt 2016, 382 f.; Heine/Eisele in: Schönke/Schröder, § 299 Rn. 31; näher Kahsnitz Korruption, S. 110 ff.
[614]
Weidlich/Fietz RIW 2005, 362, 364; Krick in: MK-StGB, § 299 Rn. 114; Gaede in: NK-WSS, § 299 Rn. 115; Rogall in: SK-StGB, § 299 Rn. 77; Dannecker in: NK-StGB, § 299 Rn. 123. Zu den Einwänden gegenüber der Regelung, die dem Grundsatz der limitierten Akzessorietät der Teilnahme widerspricht, s. nur Werle/Jeßberger in: LK, § 9 Rn. 52 und Ambos in: MK-StGB, § 9 Rn. 41 – beide m.w.N.; grundlegend zur Kritik und mit Reformvorschlägen Magnus NStZ 2015, 57, 61 f.; verteidigend aber Miller/Rackow ZStW 117 (2005), 379, 388. Auf schwierige und langandauernde Ermittlungen oder Härten kann mit der Nichtverfolgung von Auslandstaten gem. § 153c Abs. 1 Nr. 1 StPO reagiert werden, vgl. Gaede in: NK-WSS, § 299 Rn. 133, Deiters in: GS Weßlau, 2016, S. 51, 52, 63 ff. und Ambos a.a.O., § 9 Rn. 41, 46 – Letztere m.w.N. Näher zur Tatortbestimmung bei § 299 StGB Mölders Bestechung, S. 203 ff.; Weidemann RIW 2006, 370 ff.; auch Möhrenschlager in: Dölling, 8. Kap. Rn. 394, 402 ff.
[615]
Zur Nichtanwendbarkeit von § 6 Nr. 9 StGB s. Dannecker in: NK-StGB, § 299 Rn. 121, 129 m.w.N. (allg. M.); zur Anwendbarkeit von § 5 Nrn. 12 und 13 s. F. Walther Bestechlichkeit, S. 132.
[616]
Näher Eser/Weißer in: Schönke/Schröder, § 7 Rn. 4; Möhrenschlager in: Wabnitz/Janovsky, 3. Kap. Rn. 40 – jew. m. w. (Rspr.-) Nachw.; zu Begrenzungsversuchen s. Dannecker in: NK-StGB, § 299 Rn. 127 f. m.w.N.
[617]
BGHSt 27, 5, 6.
[618]
BGHSt 2, 160, 161; 42, 275, 277; offengelassen in NStZ 2017, 146, 147 f.; OLG Celle NJW 2001, 2734 f.; Heger in: Lackner/Kühl, § 7 Rn. 2; Horrer Bestechung, S. 269 ff.; Rogall in: SK-StGB, § 299 Rn. 77 und Mölders Bestechung, S. 227 f. – jew. m.w.N.; im Ergebnis auch Dannecker in: NK-StGB, § 299 Rn. 127 (unter Rückgriff auf die Funktion des lex loci -Erfordernisses); enger Tiedemann in: LK, § 299 Rn. 65 („untreueähnliche Straftatbestände“); Hoyer in: SK-StGB, § 7 Rn. 4 („parallele Schutzrichtung“); Heine/Eisele in: Schönke/Schröder, § 299 Rn. 31 („wettbewerbsstrafrechtliche, jedenfalls aber untreueähnliche Schutzrichtung“); auch Volk in: Holtz/Kulessa, S. 17, 27 (im Ausland müsste „identische Norm“ gelten).
[619]
Dannecker in: NK-StGB, § 299 Rn. 128; Krick in: MK-StGB, § 299 Rn. 114; Böhm NStZ 2017, 618, 622; Eser/Weißer in: Schönke/Schröder, § 7 Rn. 5 m.w.N. und einer Skizze der Grenzen (d.h. Kollision mit universal anerkannten Rechtsgrundsätzen).
[620]
Tiedemann in: LK, § 299 Rn. 65 unter Hinweis auf OLG Hamburg RIW 1993, 327, 328 f. zum syrischen Recht (das den sog. Handel mit Einfluss bestraft) und Behr in: FS Offerhaus, 1999, S. 345, 351 zum nigerianischen Strafrecht; weiter Grützner/Behr in: Momsen/Grützner, Kap. 9 B Rn. 302, Gaede in: NK-WSS, § 299 Rn. 111 und Rogall in: SK-StGB, § 299 Rn. 78 m.w.N. Zum Auseinanderfallen von „law in the books“ und „law in action“ s. Rönnau JZ 2007, 1084, 1086 f.
[621]
Beukelmann in: FS I. Roxin, 2012, S. 201, 207; Rogall in: SK-StGB § 299 Rn. 78.
[622]
KritJ 1997, 458, 469.
[623]
Ein rechtsvergleichendes Gutachten zu den Bestechungsdelikten (einschließlich der Wirtschaftskorruption) in 19 Staaten liefern Eser/Überhofen/Huber Korruptionsbekämpfung durch Strafrecht, 1997. Zum Ende des Jahres 2012 haben mindestens 40 Staaten die Korruption von Amtsträgern unter Strafe gestellt, s. OECD Working Group in Bribery Annual Report 2013, S. 44 (online abrufbar unter http://t1p.de/wpuo).
[624]
S. unten 2. Fn. zu Rn. 129.
[625]
Die wohl h.M. in Rechtsprechung und Literatur verneint die Anwendbarkeit des § 7 Abs. 1 StGB auf juristische Personen mit Sitz im Inland unter Hinweis auf seinen Wortlaut, die Entstehungsgeschichte und das Analogieverbot gem. Art. 103 Abs. 2 GG, vgl. BGH NJW 2018, 2742, 2743; KG NJW 2006, 3016, 3017; OLG Stuttgart NStZ 2004, 402 f.; Böhm NStZ 2017, 618, 620 f.; Kahsnitz Korruption, S. 182 ff.; Fischer § 7 Rn. 4 – jew. m.w.N. Mit bedenkenswerten Argumenten dagegenaber Böse in: NK-StGB, § 7 Rn. 4 m.w. Belegen; auch Eser/Weißer in: Schönke/Schröder, § 7 Rn. 11: „zwecks Gleichbehandlung an sich wünschenswerte Schutzerweiterung“; ohne Argumentation dafür Momsen/Laudien in: BeckOK-StGB, § 299 Rn. 12.
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