Denkbar wäre, die Zins- und Tilgungs verpflichtungen als freiwillige Aufwendungen für den Erhalt der Kreditsumme zu begreifen. In dem skizzierten Beispiel sind sie wirtschaftlich wertlos, so dass kein Aufwand geltend zu machen ist. Sollte die Bank (in einer Abwandlung) aber werthaltige Rückzahlungsansprüche erhalten hat, weil der Kreditnehmer das Darlehen zum Teil zurückzahlen kann, könnte § 73d StGB anwendbar sein. Denn der Unternehmer hat die Verpflichtungen übernommen, um die Darlehenssumme zu erhalten. Allerdings begreift der Reformgesetzgeber eine Verbindlichkeit nicht als Aufwendung. Das hat er im Kontext der Betrugsfälle, für die § 73d Abs. 1 S. 2 Var. 2 StGB konzipiert wurde, deutlich gemacht.[790] Deshalb ist im Ergebnis der volle Wert der erhaltenen Kreditsumme abzuschöpfen.[791] Wenn der Kreditnehmer das Darlehen vor der Abschöpfungsanordnung schon zum Teil zurückgezahlt hat, greift § 73e Abs. 1 StGB; die Einziehungssumme wird in entsprechender Höhe gemindert. Zahlungen nach der Einziehungsanordnung hindern erst die Vollstreckbarkeit der Einziehungsanordnung gem. § 459g Abs. 4 StPO.
Im Beispiel hat die Bank keinen wirtschaftlichen Vorteil erlangt, so dass eine Abschöpfung hier nicht in Betracht kommt. Bisher – soweit ersichtlich – nicht diskutiert wurde die Frage, ob auch bei ihr abzuschöpfen wäre, wenn das Kreditgeschäft (trotz unterlassener Bonitätsprüfung) beiderseitig erfüllt wird und deshalb im Ergebnis in Höhe der Zinsen wirtschaftliche Vorteile bringt. Ein (eher theoretisches) Beispiel dafür ist ein kreditwürdiger Unternehmer, der einen Bankmitarbeiter nur deshalb mittels Geldzahlung zur Darlehensvergabe ohne Bonitätsprüfung veranlasst, weil er die Kreditsumme möglichst schnell erhalten will. In Betracht käme eine (Drittempfänger-)Einziehung gegen die Bank gem. § 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB. Dann müsste die Bank die Zinsen „durch“ eine Straftat erlangt und der Bankmitarbeiter müsste „für“ sie gehandelt haben. Beide Merkmale sind nicht unproblematisch.
Bei rein tatsächlicher Betrachtung (Kausalitätslösung) hat die Bank die Zinsen „durch“ einen Verstoß ihres Mitarbeiters gegen § 299 Abs. 1 Nr. 2 StGB „erlangt“. Indes ist zu bedenken, dass dieser wirtschaftliche Zuwachs aus einem entgeltlichen Kreditgeschäft stammt, das an sich nicht strafrechtswidrig ist. Geht es bei der Vermögensabschöpfung darum, dem Täter, Teilnehmer oder Drittempfänger das unrechtmäßig Erlangte wieder zu entziehen, so liegt die Besonderheit des Beispiels gerade darin, dass der Bank die Zinsen aus dem Kreditgeschäft zustehen; zudem soll sie durch die Geschäftsherrenvariante des § 299 Abs. 1 Nr. 2 StGB, die der Mitarbeiter verwirklicht hat, geschützt werden. Bei einer normativ-restriktiven Auslegung des § 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB wären die Zinsen mithin nicht „durch“ die Tat erlangt.[792] Folgt man der Argumentation nicht, ist weiter zu prüfen, ob der Angestellte i.S. des § 73b Abs. 1 Nr. 1 StGB „für“ die Bank (als Dritte) gehandelt hat. Fordert man dafür, dass der Beteiligte die Bereicherung des anderen will,[793] kommt die Abschöpfung nicht in Betracht, wenn der Mitarbeiter ausschließlich im eigenen Interesse handelt. Allerdings versteht der Reformgesetzgeber § 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB als Umsetzung der BGH-Rechtsprechung zu den „Vertretungsfällen“ (§ 73 Abs. 3 StGB a.F.).[794] Danach handelt ein Beteiligter (schon) dann „für“ einen anderen, wenn er ihm faktisch einen Vorteil verschafft hat.[795] Die Lesart der Judikatur wurde indes zu Recht kritisiert. Sie raubt dem Merkmal jede Funktion. Denn § 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB setzt (ebenso wie § 73 Abs. 3 StGB a.F.) ohnehin voraus, dass der Dritte einen wirtschaftlichen Vorteil erhalten hat („durch die Tat etwas erlangt hat“). Der Reformgesetzgeber hat es versäumt, das von § 73 Abs. 3 StGB a.F. bekannte Auslegungsproblem zu beseitigen, so dass es uns auch im neuen Recht begegnet.[796]
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Machen sich Repräsentanten eines Unternehmens der aktiven Bestechung im geschäftlichen Verkehr schuldig oder ist einem Unternehmensinhaber (bzw. seinem Vertreter) diesbezüglich ein Aufsichtsversagen i.S.v. § 130 (ggf. i.V.m. § 9) OWiG vorzuwerfen, kann außerdem – soviel sei hier nur angedeutet – gem. § 30 i.V.m. § 17 Abs. 4 OWiGeine Geldbuße (in z.T. beträchtlicher Höhe)[797] gegen die juristische Person oder Personenvereinigung verhängt werden.[798] Daneben kennt das Zivilrecht verschiedene weitere Möglichkeiten der Sanktionierung.[799]
IX. Ausländische Korruptionstatbestände
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Insbesondere im anglo-amerikanischen Rechtskreis lässt sich schon seit längerer Zeit die Tendenz beobachten, Korruptionsdelikte in größerem Umfang auch dann zu verfolgen, wenn die Tat allein im Ausland begangen wurde (sog. „long-arm statues“[800]). Für international agierende deutsche Unternehmen ergeben sich daraus nicht unerhebliche Haftungsrisiken, denn im Einzelfall können schon geringe Berührungspunkte mit einer solchen ausländischen Rechtsordnung genügen, um dem jeweils geltenden Korruptionsbekämpfungsregime zu unterfallen (z.B. durch die Errichtung einer unselbständigen Betriebsstätte in dem Land oder die bloße Nutzung von dessen Telekommunikationseinrichtungen). Im Falle einer Unternehmenstätigkeit mit Auslandsbezug muss die Unternehmensleitung sich deshalb mit den Anforderungen des möglicherweise einschlägigen ausländischen Korruptionsrechts vertraut machen,[801] um so ihrer Compliance-Verantwortung gerecht zu werden und Schaden vom Unternehmen abzuwenden.[802]
1. „U.S. Foreign Corrupt Practices Act“ (FCPA) und andere Korruptionstatbestände in den USA
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Vorreiter für das beschriebene Phänomen einer expansiven Korruptionsbekämpfungsstrategie ist der „U.S. Foreign Corrupt Practices Act“ (FCPA)[803] aus dem Jahr 1977, der bei einschlägigem Verhalten ausländischen natürlichen und juristischen Personen schon bei geringen Berührungen mit der U.S.-amerikanischen Rechtsordnung erhebliche Strafen[804] androht.[805] Zwar erfasst der FCPA grundsätzlich nur (aktive) Bestechungshandlungen gegenüber ausländischen Amtsträgern („foreign officals“) von Tätern mit U.S.-Nationalität (natürliche und juristische Personen [einschließlich „foreign issuers“])[806] und enthält keine Regelung zur Sanktionierung von Wirtschaftskorruption („commercial bribery“).[807] Allerdings wird der Amtsträgerbegriff von der U.S.-Justiz zunehmend weit ausgelegt,[808] so dass zum Beispiel Bestechungshandlungen gegenüber Angestellten von gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen auch dann einbezogen sind, wenn die öffentliche Hand weder eine Anteilsmehrheit an dem Unternehmen hält noch ihr auf andere Weise ein beherrschender Einfluss zukommt.[809] Zudem gibt es auf Bundesebene Spezialgesetze, die Wirtschaftskorruption in bestimmten Branchen (zum Beispiel im Sport oder in der Alkoholindustrie) unter Strafe stellen.[810]
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Tatbestände, die ausdrücklich Bestechungshandlungen im privaten Sektor kriminalisieren, finden sich auch in den meisten Bundesstaatender USA und weisen dort zum Teil einen ähnlich weiten territorialen Anwendungsbereich auf wie der FCPA.[811] Zudem lassen sich diese Strafnormen auf Ebene der einzelnen Bundesstaaten mit bestimmten Vorfelddelikten verknüpfen, die ihrerseits auf Bundesebene geregelt sind und tendenziell ebenfalls nur geringe Anforderungen an die Verfolgung von Auslandstaten stellen. Nur beispielhaft sei insofern der „Travels Act“[812] genannt, nach dem sich auf Ebene des Bundesrechts strafbar macht, wer die U.S.-amerikanische Wirtschaftsinfrastruktur (zum Beispiel Post, Telefon, Fax, Überweisungsverkehr) mit dem Ziel nutzt, einen Verstoß gegen einen der „commercial-bribery“-Tatbestände der Bundesstaaten zu begehen oder zu fördern.[813]
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