116
Neben der Untreue zulasten des Prinzipals[688] wird „Begleittat“ der Bestechung im geschäftlichen Verkehr häufig eine Steuerhinterziehung nach § 370 AOsein.[689] Der Empfänger von Bestechungsgeldern wird diese regelmäßig nicht versteuern und sich damit in Tatmehrheit begangener Einkommensteuerhinterziehung (durch Unterlassen)[690] – selten auch wegen Umsatzsteuerhinterziehung[691] – strafbar machen;[692] der Bestechende ist dem Risiko einer Strafbarkeit wegen Beihilfe zu den Hinterziehungstaten des Empfängers ausgesetzt, wobei eine äußerlich „neutrale“ Handlung (wie etwa eine Bargeldzahlung) als Hilfeleistung für sich genommen allerdings nicht genügen wird.[693]
Beispiel
G, der A für Bevorzugungen bei Auftragsvergaben erhebliche Summen hat zukommen lassen, fürchtet, A werde damit einen auffallend aufwändigen Lebensstil führen. Er gibt A daher den „Tipp“, das Geld sogleich „steuerfrei“ in der Schweiz anzulegen. Der BGH hat darin eine neutrale Handlung gesehen. Eine strafbare Beihilfe sei nur anzunehmen, wenn konkrete Hinweise gegeben werden, an welche Personen oder Institutionen sich der Empfänger zwecks Geldtransfers und -anlage wenden kann oder der Zuwendende sogar anbietet, den entsprechenden Kontakt herzustellen.[694]
117
Zu berücksichtigen ist auch, dass nach den §§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 S. 1 EStG, 8 Abs. 1 KStG[695] Bestechungszahlungen für in oder nach 1999 beginnende Wirtschaftsjahre überhaupt nicht mehr als Betriebsausgaben steuerlich absetzbar sind;[696] ihre bewusste Geltendmachung erfüllt regelmäßig den Tatbestand der Steuerhinterziehung.[697] Das Abzugsverbotgreift bereits ein, wenn die Zuwendung eine rechtswidrige Tat nach § 299 StGB darstellt;[698] auf eine Verurteilung oder Einstellung des Verfahrens gem. den §§ 153 ff. StPO kommt es nicht mehr an; auch schuldhaftes Verhalten oder die Verfolgbarkeit der Handlung werden nicht vorausgesetzt.[699] § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 S. 3 EStG enthält eine Pflicht der Finanzbehörde, der Staatsanwaltschaft Tatsachen mitzuteilen, die den Verdacht einer Korruptionstat begründen – und damit eine (verfassungsrechtlich nicht unproblematische) Durchbrechung des Steuergeheimnisses.[700] Selbst die Möglichkeit einer bereits eingetretenen Strafverfolgungsverjährung oder eines Beweisverwertungsverbots stehen dieser Mitteilungspflicht, die der BFH noch einmal ausdrücklich festgestellt hat, nicht entgegen.[701] Umgekehrt sind nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 S. 2 EStG auch Gerichte, Staatsanwaltschaften und Verwaltungsbehörden verpflichtet, den Finanzbehörden Tatsachen mitzuteilen, die sie dienstlich erfahren und den Verdacht einer Tat gem. § 299 StGB begründen.[702] Das Entdeckungsrisiko für Korruptionstaten dürfte dadurch gestiegen sein.[703] Neben den Bestechungszahlungen erfasst das Abzugsverbot zusätzlich auch die Kosten des Strafverfahrens sowie Geldbeträge, hinsichtlich derer die Einziehung (früher: der Verfall) angeordnet wurden.[704]
118
Eine Tat nach § 299 StGB wird nur auf Antrag(Prozessvoraussetzung) – zu stellen innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Kenntniserlangung von der Tat und der Person des Täters (§ 77b Abs. 1, Abs. 2 S. 1 StGB) – verfolgt, wenn nicht die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht, § 301 Abs. 1 StGB.[705] Antragsberechtigtsind nach dem neugefassten § 301 Abs. 2 StGB[706] der Verletzte (vgl. § 77 Abs. 1 und 2 StGB) sowie in den Wettbewerbsvarianten des § 299 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StGB neben dem Verletzten auch die in § 8 Abs. 3 Nr. 2 und 4 des UWG genannten rechtsfähigen Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG) sowie Industrie-, Handels- und Handwerkskammern (§ 8 Abs. 3 Nr. 4 UWG)[707]. Der Verletztenbegriff ist tatbestandsspezifisch zu bestimmen und daher bei § 299 StGB zu fragen, wer durch diese durch das KorrBekG 2015 deutlich erweiterte Strafnorm geschützt ist. Hierbei ist zwischen den verschiedenen Tatvarianten des § 299 StGB zu differenzieren. Als „Verletzter“ der Tatvarianten des Wettbewerbsmodellsgem. § 299 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB (die im Wesentlichen § 299 Abs. 1 und 2 StGB a.F. entsprechen) werden ganz überwiegend die Mitbewerber sowie, wenn das Verhalten des Angestellten oder Beauftragten ihm gegenüber pflichtwidrig war, der Geschäftsherr angesehen.[708] Die schon früher h.M.[709] hat den Gesetzgeber des KorrBekG 2015 dazu veranlasst, den vorherigen Hinweis des § 301 Abs. 2 StGB a.F. auf § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG (jeder „Mitbewerber“) zu streichen, um eine überflüssige Doppelung zu beseitigen.[710] Nach der hier vertretenen Auffassung (s. Rn. 13) gibt es dagegen in den Wettbewerbsvarianten keinen „Verletzten“, weil Individualrechtsgüter durch diese Korruptionstat nicht unmittelbar beeinträchtigt werden;[711] nur eine großzügigere Interpretation des Verletztenbegriffs könnte bei der hier vorgenommenen Rechtsgutsanalyse (eine wohl sachgerechte) Abhilfe schaffen (schon um Widersprüche mit den Sonderrechten von Verbänden und Kammern zu vermeiden), etwa dergestalt, dass den Mitbewerbern als Teilnehmer und Repräsentanten des Leistungswettbewerbs die Verletzteneigenschaft zuerkannt wird.[712] Eine Beschränkung auf diejenigen Mitbewerber, die sich um den konkreten Auftrag beworben haben („geschäftsbezogene Sicht“), wird herrschend abgelehnt und hinsichtlich der Strafantragsberechtigung eine „marktbezogene Sicht“ präferiert, wonach aber immer noch ein konkretes (und nicht nur abstraktes) Wettbewerbsverhältnis erforderlich ist.[713] Verletzter und Strafantragsberechtigter bei den pflichtbezogenen Korruptionsvarianten des Geschäftsherrenmodellsgem. § 299 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 StGB kann nur der Geschäftsherr sein, sofern der Angestellte oder Beauftragte pflichtwidrig gehandelt (und der Geschäftsherr nicht eingewilligt) hat.[714] Den Mitbewerbern steht kein Antragsrecht zu, da sie durch diese Tatvarianten nicht verletzt werden.[715]
119
Bei Bejahung des besonderen öffentlichen Interessesan der Strafverfolgung wird die Tat von Amts wegenverfolgt. Nach Nr. 242a Abs. 1 RiStBV soll ein solches Interesse insb. anzunehmen sein, wenn der Täter einschlägig (vermögensstrafrechtlich, insb. wirtschaftsstrafrechtlich) vorbestraft ist,[716] er im Zusammenwirken mit Amtsträgern gehandelt hat,[717] mehrere geschäftliche Betriebe betroffen sind, der Betrieb mehrheitlich im Eigentum der öffentlichen Hand steht und öffentliche Aufgaben wahrnimmt, ein erheblicher Schaden droht oder eingetreten ist[718] oder zureichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Antragsberechtigter aus Furcht vor wirtschaftlichen oder beruflichen Nachteilen einen Strafantrag nicht stellt.[719] Teilweise werden als Kriterien ferner etwa die besondere Raffinesse der Tatbegehung[720] oder die Stellung des Täters in der Öffentlichkeit[721] genannt. Nach Nr. 242a Abs. 2 RiStBV kann, wenn ein besonders schwerer Fall (§ 300 StGB) in Betracht kommt, das öffentliche Interesse nur ausnahmsweise verneint werden.[722] Ein weites Verständnis des „besonderen öffentlichen Interesses“ entspricht der Natur des § 299 StGB als Delikt gegen Allgemeininteressen.[723]
120
§ 299 StGB ist gem. § 374 Abs. 1 Nr. 5a StPO Privatklagedelikt; die Verweisung auf den Privatklageweg ist in der Regel aber nur angezeigt, wenn der Gesetzesverstoß leichterer Art ist und nur die Interessen eines eng umgrenzten Personenkreises betrifft (vgl. Nr. 260 RiStBV a.E.);[724] der Begriff des besonderen öffentlichen Interesses ist bei § 376 StPO noch weiter zu verstehen als in § 301 Abs. 1 StGB.[725] Diese Bewertung soll nach einer stark vertretenen Literaturansicht auf beide Tatvarianten zutreffen, denn auch das Geschäftsherrenmodell dient danach dem Schutz des Wettbewerbs und damit einem Interesse der Öffentlichkeit. [726]
Читать дальше