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Die Ausdehnung des § 299 StGB auf den ausländischen (nicht auf den europäischen Binnenmarkt beschränkten) Wettbewerb hat zu einer Diskussion über die dogmatische Einordnung dieser Erweiterung geführt. Zu Recht nicht durchgesetzt hat sich dabei die Auffassung, der Formulierung in § 299 Abs. 3 StGB a.F. sei keine (nur) den Schutzbereich erweiternde Regelung zu entnehmen, sondern ein (im Ergebnis noch weitergehender) Verzicht auf die Erfordernisse der §§ 3–7 StGB mit der Folge der Geltung des Weltrechtsprinzips für Taten nach § 299 StGB.[606] Dessen alter Abs. 3 spricht – ebenso wie heute § 299 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StGB – nicht von „Handlungen im Ausland “, sondern von „Handlungen im ausländischen Wettbewerb “. Das ist zwar unpräzise, muss sich aber keineswegs auf den Ort der Handlung beziehen, sondern kann ohne Weiteres – wie vom Gesetzgeber beabsichtigt – verstanden werden als „Handlungen mit Auswirkungen auf ausländischen Wettbewerb“.[607]
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Mit der Schutzbereichserweiterunghat der Gesetzgeber 2002 der bis dahin vorherrschenden Ansicht, der „Weltwettbewerb“ sei durch § 299 StGB a.F. nicht geschützt, den Boden entzogen. Im Hinblick auf die zunehmende Internationalisierung des Wettbewerbs geht von der Ausdehnung der Norm auf Bestechungshandlungen mit (potenziellen) Auswirkungen auf andere Märkte als den rein nationalen zwar das richtige Signal aus; Wettbewerbsnachteile entstehen für im Ausland aktive deutsche Unternehmen dadurch allerdings dann, wenn im jeweiligen ausländischen Staat Korruptionsverbote bestehen, diese aber nicht (effektiv) durchgesetzt werden, sich also als reine „Papiertiger“ entpuppen.[608] Gleichwohl kann in diesen Fällen keine teleologische Reduktion des § 299 Abs. 3 StGB a.F. (bzw. der Wettbewerbsvarianten in § 299 StGB n.F.) angenommen werden.[609] Ggf. notwendige Strafbarkeitseinschränkungen können sich allerdings aufgrund anderer Aspekte (etwa der Sozialadäquanz) ergeben (dazu Rn. 36).
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Ein hinreichender Bezug zur nationalen Rechtsordnungist aber dadurch sichergestellt, dass ein „Anknüpfungspunkt“ i.S.d. §§ 3–7 StGBfür die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts vorausgesetzt wird.[610] Bei Inlandstaten muss die Tat zumindest teilweise auf deutschem Territorium begangen werden (vgl. §§ 3, 9 StGB), etwa durch Fordern eines Vorteils,[611] der Abgabe eines Versprechens[612] oder der Übergabe von Bargeld.[613] Für den Teilnehmer regelt § 9 Abs. 2 S. 2 StGB (besonders tückisch!), dass auf die im Inland durchgeführte Teilnahmehandlung deutsches Strafrecht auch dann Anwendung findet, wenn die Haupttat am Tatort nicht strafbar ist. Damit macht sich etwa ein deutscher Manager wegen Anstiftung oder Beihilfe zu § 299 Abs. 2 Nr. 1 StGB strafbar, der im oder vom Inland aus einem einheimischen Vermittler zwecks Auftragserlangung Schmiergelder zur Verfügung stellt, obwohl im Land des Einsatzortes die Angestelltenbestechung straflos ist.[614] Ausschließlich im Ausland begangene Taten sind gem. § 7 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 StGB strafbar, wenn sie dort von deutschen Mitarbeitern oder gegen solche vorgenommen werden, sofern die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt.[615] Die umstrittene, hinsichtlich des Erfordernisses beiderseitiger Strafbarkeit großzügige Rechtsprechung fordert keine Kongruenz von ausländischem und deutschem Straftatbestand;[616] es genügt, dass für die konkrete Tat i.S.d. § 264 StPO unter irgendeinem rechtlichen Aspekt Kriminalstrafe oder eine gleichwertige Sanktion (nicht aber eine Geldbuße[617]) angedroht ist.[618] Da Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe des Tatortstrafrechts bei der Feststellung der Strafdrohung grundsätzlich zu berücksichtigen sind,[619] ist auch die Sozialadäquanz der Schmiergeldzahlungenals Tatbestandsausschluss- oder Rechtfertigungsgrund zu beachten, soweit ein solches Geschäftsgebaren wirklich von der betreffenden ausländischen Rechtsordnung akzeptiert, eine derartige Übereinstimmung also nicht nur behauptet wird[620] (näher Rn. 38). Dazu wird im Strafverfahren i.d.R. ein Sachverständigengutachten einzuholen sein.[621] Die Amtsträgerkorruption ist in vielen (nach Rügemer [622] in allen) Ländern strafbar[623] und auch die Pönalisierung der Bestechung im privaten Sektor steht nicht mehr ganz am Anfang.[624] Eine auf § 7 Abs. 1 StGB gestützte Strafverfolgung setzt voraus, dass ein Deutscher durch die Auslandstat verletzt wurde.[625] Nach h.M. wäre also an die betroffenen (Vermögens-)Interessen der Mitbewerber und Geschäftsherren anzuknüpfen; sieht man – wie hier – ausschließlich den Leistungswettbewerb als geschütztes Gut an (dazu Rn. 13), gibt es überhaupt keinen Verletzten.[626] – Inwieweit mögliche Korruptionssachverhalte mit Auslandsbezug von deutschen oder ausländischen Strafverfolgungsbehörden zum Anlass für Strafverfahren genommen werden, bleibt abzuwarten.[627] Die in jüngerer Zeit erfolgten Ermittlungen gegen den Vorstandsvorsitzenden der Telekom wegen vermuteter Bestechungshandlungen in Mazedonien und Montenegro[628] und gegen Mitarbeiter der Deutschen Bank aufgrund von Zuwendungen an Entscheidungsträger in Japan[629] zeigen allerdings, dass sich die Aktivitäten auch in diesem Bereich verstärken.
V. Vollendung, Beendigung, Versuch, Rechtfertigung
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Die Tat ist bereits mit der Vornahme der jeweiligen Tathandlung vollendet.[630] Beim Fordern, Anbieten und Versprechen genügt also der Zugang der schriftlichen Erklärung,[631] bei mündlichen Erklärungen die Kenntnisnahme;[632] beim Sichversprechenlassen, Annehmen und Gewähren muss der andere Teil der Unrechtsvereinbarung darüber hinaus zugestimmt haben.[633] Für die Vollendung ist nicht erforderlich, dass der Vorteilsgeber tatsächlich bevorzugt wird;[634] Bestechlichkeit und Bestechung sind Tätigkeits-(und Absichts-)delikte.[635] Das gilt bei der Pflichtwidrigkeitsvariante auch für die Vornahme des erstrebten pflichtverletzenden Verhaltens.[636]
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Für die Bestimmung der Tatbeendigungwar lange Jahre der Zeitpunkt maßgeblich, in dem der Vorteilsnehmer oder Dritte den (von der Unrechtsvereinbarung umfassten) Vorteil vollständig entgegengenommen hatte[637] oder die auf eine Vorteilserlangung gerichteten Bemühungen endgültig fehlgeschlagen waren und der Täter mit Erfüllung nicht mehr rechnete.[638] Diese Rechtsprechung ist vom 3. BGH-Strafsenat durch ein zu den §§ 332, 334 StGB ergangenes – und damit wegen der Strukturparallelen der Tatbestände auf § 299 StGB grundsätzlich übertragbares[639] – Urteil vom 19.6.2008erheblich modifiziert worden.[640] Danach richtet sich für den Fall, dass Amtsträger und Bestechender sich über die pflichtwidrige Diensthandlung und die zu erbringende Gegenleistung einig sind und die Unrechtsvereinbarung auch tatsächlich vollständig umgesetzt wird, die Tatbeendigung (i.S.v. § 78a S. 1 StGB) auf Basis der materiellen Beendigungslehre nach der jeweils letzten Handlung zur Erfüllung der Unrechtsvereinbarung. Wird die pflichtwidrige Diensthandlung erst nach der Zuwendung des Vorteils vorgenommen, so soll erst dies zur Beendigung der Tat führen.[641] Obwohl die pflichtwidrige Diensthandlung kein objektives tatbestandliches Element des § 332 Abs. 1 S. 1 StGB sei, beschreibe sie doch den materiellen Unrechtskern (der den Tatbestand des Bestechlichkeit von dem der Vorteilsannahme abhebe) und sei daher zentraler Bezugspunkt aller Tatbestandsvarianten. Als verjährungsauslösendes Ereignis diene die Vornahme der Diensthandlung auch bei der Bestechung gem. § 334 StGB jedenfalls dann, wenn Amtsträger und Bestechender die getroffene Unrechtsvereinbarung beidseitig erfüllen. In Situationen, in denen sich die Tat in dem (vergeblichen) Fordern oder (abgelehnten) Anbieten eines Vorteils erschöpft, soll mit der entsprechenden Handlung das Delikt nicht nur voll-, sondern auch beendet sein. Einigen sich die Partner des Austauschgeschäftes hingegen, wird die Vereinbarung aber nicht vollzogen, so ist nach dem BGH die Bestechung wie die Bestechlichkeit jedenfalls in dem Zeitpunkt beendet, in dem sich die Vereinbarung endgültig als „fehlgeschlagen“ erweist.[642]
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