Derselbe BGH-Senat hat nun in seinem Urteil vom 18.5.2017[643] diese Rechtsmeinung angesichts der „gleichartigen Deliktsstruktur auf die Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (§ 299 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 2 StGB) übertragen.“ In den Worten des Gerichts: „Sind sich der Bestochene und der Bestechende über die bevorzugende Handlung und die hierfür zu erbringende Gegenleistung einig und wird die Unrechtsvereinbarung tatsächlich voll umgesetzt, kommt es für die Tatbeendigung auf die jeweils letzte Handlung zur beidseitigen Erfüllung der getroffenen Vereinbarung an. Die Taten sind in diesen Fällen beendet, wenn der Vorteil vollständig entgegengenommen (…) und zugleich die bevorzugende Handlung vollständig abgeschlossen ist.“[644]
In der Literatur ist vor allem die Entscheidung zur Amtsträgerkorruption überwiegend kritisch aufgenommen worden.[645] Teilaspekte der Kritik lassen sich aber auch auf § 299 StGB spiegeln. Die Grundsatzentscheidung hat ersichtlich zum Ziel, den Strafverfolgungsorganen mehr Zeit für ihre Ermittlungen einzuräumen. Einen Verstoß gegen den Wortlaut von § 78a S. 1 StGB wird man den Richtern dabei allerdings nicht vorwerfen können. Denn auf der Grundlage einer am Rechtsgut orientierten (materiellen) Beendigungslehre[646] lässt sich tatsächlich die Vornahme der Diensthandlung (bzw. der Bevorzugungshandlung) als Schlusspunkt in der Umsetzung der Unrechtsvereinbarung erblicken.[647] Fraglich ist nur, ob dieser „tatbestandsexterne“ Beendigungsbegriff (aus dem ein verjährungsspezifischer Tatbegriff folgt) zu angemessenen Ergebnissen führt.[648] Zweifel sind hier insb. deshalb angebracht, weil mit der Anknüpfung des Beginns der Verjährungsfrist an ein ggf. weit jenseits der tatbestandlichen Vollendung liegendes Beendigungsereignis die effektive Gesamtverjährungszeit erheblich über die durch § 78c Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB begrenzte Höchstdauer von 10 Jahren hinaus verlängert werden kann.[649] Dass auf diese Weise die Zwecke der Verjährung – u.a. die Strafverfolgungsorgane zu zügiger Verfahrensdurchführung anzuhalten (Disziplinierungsfunktion)[650] – in Mitleidenschaft gezogen werden, ist unübersehbar. Misslich ist zudem, dass der Verjährungsbeginn bei der Bestechung (mit Vorteilserhalt) nach der BGH-Lösung ausschließlich vom Verhalten des Vorteilsnehmers abhängt, auf das der Bestechende keinen Einfluss mehr haben kann. Auch auf der Basis einer materiellen Beendigungslehre kann nur der Vorteilsnehmer durch die Vornahme der (pflichtwidrigen) (Dienst-)Handlung seinen Worten Taten folgen lassen und die hierdurch mit dem Abschluss der Unrechtsvereinbarung eingetretene Rechtsgutsverletzung intensivieren, was zumindest für eine (differenzierte) personenbezogene Bestimmung des Beendigungszeitpunkts spricht.[651] Selbst diejenigen, die dieser Rechtsprechung „im Grundsatz“ zustimmen, sehen eine Reihe von Folgeproblemen und mahnen rechtsstaatliche Begrenzungen an.[652]
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§ 299 StGB sieht keine Versuchsstrafbarkeitvor; mit den Tatvarianten des „Forderns“ und „Anbietens“ wird allerdings faktisch schon der einseitige Versuch als vollendetes Delikt bestraft.[653] Tätige Reueist nicht vorgesehen; eine analoge Anwendung kommt mangels planwidriger Gesetzeslücke nicht in Betracht.[654]
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Die Zustimmungdes Geschäftsherrn hat in den Pflichtverletzungsvariantengem. § 299 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 StGB eine tatbestandsausschließende Wirkung[655] ( Rn 86, 103) – eine nachträgliche rechtfertigende Zustimmung des Geschäftsherrn (Genehmigung) scheidet allerdings aus.[656] In den Wettbewerbsvarianten gem. § 299 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StGBkommt dagegen eine Einwilligung nicht in Betracht,[657] weil sich die Tat gegen ein Rechtsgut der Allgemeinheit richtet, das nicht zur Disposition des Geschäftsherrn steht.[658] Im Ergebnis ist gleichwohl auch hier bei Zustimmung des Geschäftsinhabers weder der bestechliche Angestellte/Beauftragte nach § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB noch der Vorteilszuwendende nach § 299 Abs. 2 Nr. 1 StGB strafbar; vielmehr sind solche Fälle als den Tatbestand nicht erfüllende „Geschäftsinhaberbestechung“einzuordnen.[659] Anders als die §§ 331 Abs. 3, 333 Abs. 3 StGB enthält § 299 StGB – in den Wettbewerbsvarianten – keine Strafbefreiungsmöglichkeit durch Genehmigungserteilung.[660]
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Ein rechtfertigender Notstand(§ 34 StGB) aufgrund wirtschaftlicher Bedrängnis ist vorstellbar, wird aber regelmäßig nicht in Betracht kommen, weil eine Bestechungstat nicht das mildeste und wohl nie das angemessene Mittel zur Abwendung der drohenden Gefahr ist.[661] Diskutiert wird im Zusammenhang mit § 299 StGB auch die Rechtsfigur des sog. „Nötigungsnotstandes“.[662] Zu Auswirkungen der Sozialadäquanz bei Bestechungen mit Auslandsbezug s. Rn. 38.
VI. Konkurrenzen und typische Begleittaten[663]
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Kommt eine Unrechtsvereinbarung zustande, ist eine Partei jeweils notwendiger Teilnehmeran der Tat des anderen. Anstiftung oder Beihilfe treten jedoch hinter die eigene Täterschaft zurück.[664] Wenn der Umfang des zu erbringenden Vorteilsdurch die Unrechtsvereinbarung genau festgelegtist, begründet das Annehmen bzw. Gewähren auch von Teilleistungen gegenüber dem früheren Fordern, Sichversprechenlassen, Anbieten oder Versprechen keine neue, selbstständige Tat; es liegt dann tatbestandliche Handlungseinheit vor.[665] Hängt der angebotene, versprochene usw. Vorteil allerdings von der künftigen Entwicklung abund richtet sich prozentual nach dem jeweils erzielten Umsatz, soll dagegen die Gewährung bzw. Annahme jeweils für sich erneut den Tatbestand der Bestechung bzw. Bestechlichkeit erfüllen, selbst wenn sie auf ein und dieselbe Unrechtsvereinbarung zurückgeht.[666] Die Einziehung von Bestechungsgeldern durch fingierte Rechnungen, ihr Bereithalten auf Firmenkonten und die Weiterleitung an ihren Empfänger hat der BGH als eine einzige Beihilfetatbewertet.[667] Noch ungeklärt ist das Verhältnis zwischen der Wettbewerbs- und der Pflichtwidrigkeitsvariante.[668] Werden beide Delikte durch dieselbe Handlung verwirklicht, besteht nach überwiegender Ansicht Gesetzeseinheit.[669]
Tateinheitist möglich, etwa mit § 263 StGB, wenn der Bestochene seine Bereitschaft zur Bevorzugung oder der Versprechende seine Bereitschaft zur Vorteilszuwendung nur vortäuscht;[670] mit § 240 oder § 253 StGB, wenn der Täter des § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB seine Forderung mit der Drohung verbindet, den anderen zu benachteiligen,[671] mit §§ 299a und b StGB,[672] §§ 265c und d StGB[673] oder zwischen § 299 Abs. 2 StGB und Anstiftung insb. zur Untreue.[674] Die aktive Bestechung gemäß § 299 Abs. 2 StGB kann im Rahmen von Submissionsverfahren tateinheitlich mit § 298 StGB verwirklicht werden,[675] wenn ein Angestellter des Veranstalters bestochen wird.[676] Zwischen der Tat nach § 299 StGB (in Form der Wettbewerbsvarianten) und der (zukünftigen) bevorzugenden Handlung besteht in der Regel Tatmehrheit, und zwar auch dann, wenn die Taten auf eine einheitliche Unrechtsvereinbarung zurückgehen.[677]Gleiches muss auch für das Verhältnis der Pflichtwidrigkeitsvarianten (gem. § 299 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 StGB) und der pflichtverletzenden Handlung gelten, sofern diese eigenständig strafbar sind.[678] Liegen mehrere Unrechtsvereinbarungen vor, so stellt eine jede grds. eine rechtlich selbständige Tat dar;[679] werden die Gegenleistungen auf die Unrechtsvereinbarungen anschließend jedoch teilweise zusammengefasst erbracht, handelt es sich um tatbestandliche Handlungseinheit.[680] Tatmehrheit der § 299 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 StGB und § 266 StGB kommt in Betracht, wenn die erkaufte Handlung im untreuerechtlichen Sinne pflichtwidrig ist und zusätzlich zu einem Vermögensschaden führt.[681] Tateinheit zwischen § 266 StGB und § 299 StGB ist nur möglich, wenn die Verwirklichung beider Tatbestände zumindest teilweise in einer Ausführungshandlung zusammentrifft.[682] Derartige Überschneidungen sind etwa in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Herbeiführung des Vermögensnachteils für den Treugeber möglich, insb. wenn in einem Gespräch bezüglich des korruptiven Handelns bereits Einzelheiten einer späteren Manipulation (z.B. sog. „Luftnummern“) konkret vereinbart werden[683] oder bei Unrechtsvereinbarungen im Zusammenhang mit der Bildung und dem Einspeisen von schwarzen Kassen.[684] Mehrere selbständig verwirklichte Untreuetaten werden durch eine tateinheitlich begangene Tat nach § 299 Abs. 1 StGB nicht verklammert, sondern stehen zueinander in Realkonkurrenz.[685] Für die §§ 331 ff. StGB ist umstritten, ob Tateinheit mit § 299 StGB vorliegen kann, wenn der Angestellte oder Beauftragte eines staatlichen Unternehmens gleichzeitig Amtsträger ist, oder aber ein tatbestandliches Exklusivitätsverhältnis mit Vorrang der §§ 331 ff. StGB besteht.[686] Aufgrund der unterschiedlichen Schutzrichtungen der Normen ist im Interesse der Klarstellung des verwirklichten Unrechts Tateinheit mit den §§ 331 ff. StGB anzunehmen.[687]
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