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Obgleich in diesen Monita zu Recht viel tatsächlich Kritikwürdiges angesprochen wird, können das von den Diskutanten erzielte Ergebnis und die daraus gezogenen Folgerungen letztlich nicht überzeugen. Ohne Zweifel hat der Gesetzgeber mit den Geschäftsherrenvarianten gem. § 299 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 StGB Tatbestände geschaffen, die bei wortlautgetreuer Auslegung auch in der nachgebesserten Version immer noch Konstellationen erfassen, die – wie der von uns gebildete Fall des Kleiderordnungsverstoßes anlässlich eines Caterings[474] – eher arbeits- als strafrechtliche Sanktionen nach sich ziehen sollten, in der Sache also viel zu weit ausgefallen sind. Schon dem zweiten Kritikpunkt – fehlendes orientierungsstiftendes Schutzinteresse – ist aber entgegenzutreten. In der (finalen) Gesetzesbegründung gibt es zum Rechtsgut der neuen Tatvarianten zunächst eine einigermaßen klare Positionierung: Geschützt werden sollen die „Interessen des Geschäftsherrn an der loyalen und unbeeinflussten Erfüllung der Pflichten“ durch seine Agenten.[475] Diese Aussage wird auch nicht dadurch wieder aufgelöst, dass in der Gesetzesbegründung wenig später (tatsächlich widersprüchlich!) formuliert wird, die Untreue und die Bestechlichkeit/Bestechung im geschäftlichen Verkehr i.S.v. § 299 StGB n.F. hätten eine „unterschiedliche Schutzrichtung“.[476] Denn der gesetzgeberische Wille hat sich noch an anderen Stellen manifestiert, die deutlich für einen im Kern allein die Interessen des Prinzipals schützenden Tatbestand sprechen. Hingewiesen sei hier nur auf die Passage zur Strafantragsberechtigung des Mitbewerbers beim Eingreifen der Geschäftsherrenvariante (in § 301 Abs. 2 StGB), die fehlen soll, wenn „ausschließlich Belange des Unternehmens verletzt“ sind,[477] und die Angabe in der Begründung, wonach „die in dem Rahmenbeschluss vorgesehene befristete Möglichkeit, die Strafbarkeit auf Fälle mit Wettbewerbsbezug zu beschränken, mittlerweile nicht mehr besteht“.[478] Dass ein untreueähnlich ausgestalteter Straftatbestand[479] systematisch besser nicht im 26. Abschnitt des StGB („Straftaten gegen den Wettbewerb“), sondern im Regelungskontext der Vermögensdelikte loziert worden wäre, sei zugestanden; zu beanstandende (Fehl-)Platzierungen dieser Art finden sich aber bei Hybridtatbeständen auch sonst im StGB.[480] Schließlich lässt sich die These nicht bestätigen, dass wegen unionsrechtlicher Vorgaben allein eine wettbewerbsbezogene Auslegung richtig sei, die zu einer Korrektur des gesetzgeberischen Willens zwinge. Der hier geläufige Verweis auf notwendig zu berücksichtigende überindividuelle Schutzaspekte, die der Erwägungsgrund Nr. 9 des EU-Rb 2003/568/JI damit beschreibt und begründet, dass die Korruption die „Rechtstreue der Gesellschaft gefährdet, den Wettbewerb im Zusammenhang mit der Beschaffung von Waren oder gewerblichen Leistungen verzerrt und eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung hemmt“,[481] kann das gewünschte Auslegungsergebnis nicht tragen. Denn er gibt anderen aussagekräftigeren unionsrechtlichen Interpretationsanknüpfungspunkten nicht das ihnen gebührende Gewicht – wenn sie denn überhaupt in die Betrachtung einbezogen werden.[482] So definiert Art. 1 des EU-Rahmenbeschluss die Pflichtverletzung (in Form einer Minimalbedingung) allein unter Rückgriff auf ein treuwidriges Verhalten gegenüber dem Prinzipal, ohne ein (zusätzliches) Wettbewerbsverzerrungserfordernis zu erwähnen. Dass der Rahmenbeschluss den „Normalfall“ gerade in einer Pflichtwidrigkeit des Agenten ohne das Potenzial einer Wettbewerbsverzerrung sieht, ergibt sich aus Art. 3 Abs. 3 EU-Rahmenbeschluss[483]. Nach alledem spricht viel dafür, als Rechtsgut der Geschäftsherrenvarianten im Ausgangspunkt allein den Schutz des Unternehmensführers vor der Illoyalität seiner Agenten zu definieren mit der Konsequenz, dass auch die Verletzung nicht-wettbewerbsbezogener Pflichten dem Tatbestand unterfallen können.[484]
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Es bleibt das Bedürfnis und die Notwendigkeit, den Tatbestand ganz im Fahrwasser einer mittleren Linie zwischen einem untreuespezifischen und einem wettbewerbsspezifischen Geschäftsherrenmodell (dazu Rn. 16) verfassungskonform restriktiv auszulegen, um dem Grundsatz verhältnismäßigen Strafens Genüge zu tun. Hier sind unionsrechtlich angelegte und alle in § 299 StGB verankerten Restriktionskriterien fruchtbar zu machen. Eine besondere Rolle kommt dabei dem Merkmal „im Rahmen von Geschäftsvorgängen“ (s. Art. 2 Abs. 1 EU-Rb) bzw. „im geschäftlichen Verkehr“ (s. § 299 Abs. 1 Nr. 2 StGB) sowie dem erforderlichen Handeln beim „Bezug von Waren oder Dienstleistungen“ zu, die bereits einen gewissen Wettbewerbsbezug aufweisen. Zusätzlich muss es – wie oben herausgearbeitet ( Rn. 16) – um den Schutz der wirtschaftlichen Interessen des Geschäftsherrn gehen. Schließlich sollten aus Gründen der notwendigen Konturierung die Anforderungen an die Pflichtwidrigkeitsvarianten dergestalt verschärft werden, dass der Angestellte oder Beauftragte auf das zu tätigende Geschäft maßgeblichen Einfluss hat und die Pflicht selbst geschäftlichen Bezug aufweist (mit dem Effekt der Ausklammerung bloß ideeller, sozialer oder kultureller Zwecke außerhalb des Unternehmenszwecks). [485] In der Gesamtschau müssten diese Kriterien jedenfalls im von uns gebildeten Catering-Fall in aller Regel den Tatbestandsausstieg ermöglichen. Es bleiben grundsätzlich strafbar aber Fälle wie die Kreditgewährung ohne Bonitätsprüfung außerhalb von Wettbewerbslagen oder auch die Bestechung in Präqualifikationsverfahren.[486] Das Grundübel des neuen Tatbestandes lässt sich natürlich mit dieser tastenden Suche nach Einschränkungskriterien nicht überwinden.
e) Handeln ohne Einwilligung des Unternehmens
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Strafbar ist das Verhalten des Täters in der Pflichtwidrigkeits- bzw. Geschäftsherrenvariante gem. § 299 Abs. 1 Nr. 2 StGB aber nur, wenn es „ohne Einwilligung des Unternehmens“erfolgt. Dieser als negatives Tatbestandsmerkmal[487] ausgestalteter Einwilligungsvorbehalt[488] wurde erst nachträglich vom Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages in den Tatbestand eingefügt. Er soll die Rechtssicherheit für die durch die Norm adressierten Angestellten und Beauftragten erhöhen, indem klargestellt wird, „dass bei einem transparenten und vom Unternehmen gebilligten Verhalten kein Risiko einer Strafbarkeit nach § 299 StGB besteht“.[489] Die täterentlastende Zustimmung muss dabei sämtliche Voraussetzungen einer wirksamen Einwilligung erfüllen. Hier gelten nach allgemeiner Meinung dieselben Maßstäbe wie bei der rechtfertigenden Einwilligung.[490] So muss die Einwilligung vor der Tat[491] ausdrücklich oder konkludent erklärt werden,[492] ohne dabei an eine besondere Form gebunden zu sein.[493] Eine nachträgliche Genehmigung sieht das Gesetz – anders als bei den §§ 331 Abs. 3, 333 Abs. 3 StGB – nicht vor; sie ergibt sich auch nicht aus allgemeinen Grundsätzen.[494] Fordert usw. der Agent (allein) unter dem Vorbehalt einer Einwilligung einen Vorteil, scheidet § 299 Abs. 1 Nr. 2 StGB aus, da sich sein Verhalten hier nicht auf eine pflichtwidrige Handlung oder Unterlassung richtet, so dass es am notwendigen Tatvorsatz in Bezug auf eine Unrechtsvereinbarung fehlt.[495] Gegenständlich hat sich die Gestattung sowohl auf die Annahme bzw. auf das Gewähren des Vorteils[496] als auch auf die Verknüpfung des Vorteils mit der pflichtwidrigen Handlung oder Unterlassung des Angestellten oder Beauftragten zu erstrecken.[497] Der Geschäftsherr muss also damit einverstanden sein, dass der Agent beim Bezug von Waren oder Dienstleistungen eine Handlung im geschäftlichen Verkehr gegen Vorteilsgewährung vornimmt. Billigt er – etwa in Form allgemeiner Compliance-Richtlinien – nur die Annahme geringfügiger Zuwendungen, nicht aber die Kopplung mit der vereinbarten Handlung, löst das keine Privilegierung für den Agenten aus.[498] Die Zustimmungwirkt – ähnlich wie bei § 266 StGB – tatbestandsausschließend, da bei Akzeptanz des Verhaltens dessen Pflichtwidrigkeit entfällt und damit die Interessen des Prinzipals nicht mehr verletzt werden.[499] Die fehlende Einwilligungsfähigkeitdes Gutsinhabers (bzw. seines Vertreters) kann die Einwilligung ebenso unwirksam machen wie das Vorliegen von Willensmängeln.[500] Zu denken ist hier an Täuschungen oder mangelnde Aufklärung durch den Agenten, während trotz Aufklärung verbleibende Fehlvorstellungen die Gültigkeit der Zustimmung nicht berühren.[501] Konnte der Vorteilsgeber etwaige Unwirksamkeitsgründe nicht erkennen, fehlt ihm der Tatbestandsvorsatz (§ 16 Abs. 1 S. 1 StGB).[502] Wirksam sind nur Einwilligungen von Dispositionsbefugten. Dispens erteilen kann der Berechtigte daher von der Erfüllung vertraglicher Pflichten, von gesetzlichen nur, wenn sie maßgeblich auch seinem Schutz dienen.[503] Zu beachten ist weiter, dass die Einwilligung nicht ihrerseits pflichtwidrig sein darf, will sie nicht ihre Wirksamkeit verlieren.[504]
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