b) Handlung oder Unterlassung als Ziel der Unrechtsvereinbarung
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In der Unrechtsvereinbarung müssen die Parteien die (geplante) Vorteilszuwendung mit einer zukünftigen Handlung oder Unterlassungverknüpfen. Vom Wortlaut erfasst wird dabei unterschiedslos jedes Verhalten, sei es rechtsgeschäftlicher, geschäftsähnlicher oder rein faktischer Art.[446] Durch diese vom Ausschuss des Bundestages für Recht und Verbraucherschutz empfohlene tatbestandliche Ergänzung der Pflichtwidrigkeitsvariante soll klargestellt werden, dass „für die Pflichtverletzung des Vorteilsnehmers die bloße Annahme des Vorteils oder das bloße Verschweigen der Zuwendung gegenüber dem Geschäftsherrn nicht ausreichend ist und die Pflichtverletzung durch ein darüber hinausgehendes Verhalten des Vorteilsnehmers erfolgen muss“.[447] Dementsprechend genügt nach dem gesetzgeberischen Willen eine in der Annahme des Vorteils selbst liegende Pflichtverletzung auch dann nicht, wenn damit gegen Compliance-Vorschriften verstoßen wird. Der Vorteil müsse vielmehr die im Rahmen eines do ut des vereinbarte Gegenleistung für die vom Vorteilsgeber verlangte Pflichtverletzung sein.[448] Mag diese Klarstellungauch den Normadressaten und -anwender sensibilisieren, ist sie in der Sache doch überflüssig; denn schon der Begriff „ Gegen leistung“ schließt denknotwendig aus, dass in der Annahme des Vorteils gleichzeitig die Gegenleistung für die Gewährung des Vorteils gesehen werden kann.[449] Das Gesetz stellt aber noch weitere Anforderungen an das Verhalten, das Inhalt der Unrechtsvereinbarung ist.
c) Handlungen im geschäftlichen Verkehr beim Bezug von Waren oder Dienstleistungen
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Tatbestandsmäßig sind gem. § 299 Abs. 1 Nr. 2 StGB pflichtwidrige Handlungen oder Unterlassungen (wie auch unlautere Bevorzugungen i.S. der Nr. 1) nur, wenn sie im geschäftlichen Verkehr( Rn. 32) sowie beim Bezug von Waren oder Dienstleistungen( Rn. 62 ff.) stattfinden. Damit rücken typischerweise Mitarbeiter in den Einkaufsabteilungen sowie weitere am Beschaffungsvorgang beteiligte Angestellte in den Blick (der Strafverfolgungsbehörden).[450] Ob Pflichten, die im Verletzungsfall die Strafbarkeit gem. § 299 Abs. 1 Nr. 2 StGB (mit-)auslösen, weitere Eigenschaften aufweisen müssen, ist seit längerem stark umstritten und im Weiteren zu klären .
d) Pflichtverletzung gegenüber dem Unternehmen
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Zentrales Unrechtselement eines abstrakten Gefährdungsdelikts, wie es § 299 StGB in seinen sämtlichen Tatvarianten darstellt, ist das vom Gesetzgeber als strafwürdig und strafbedürftig eingestufte Tatverhalten. In der Pflichtwidrigkeitsvariante gem. Abs. 1 Nr. 2 liegt es in einer Pflichtverletzung gegenüber dem Unternehmen. Gesetz geworden ist damit eine Formulierung, die mit diesem sprachlich überaus weit ausgreifenden Tatbestandskern schon in einem ersten (diesbezüglich identischen) Gesetzesentwurf in der 16. Legislaturperiode[451] Gegenstand heftiger Kritik war.[452] Nach Gesetzeswortlaut („verletze“) und Tatbestandsstruktur muss die Pflicht nicht tatsächlich verletzt worden sein;[453] es reicht aus, wenn der Verstoß nur in Aussicht gestellt wird.[454] Einschlägig sind an Angestellte und Beauftragte adressierte und gegenüber dem Geschäftsherrn zu erfüllende unternehmensinterne Pflichten, denen im Verhältnis zum Prinzipal nicht notwendig drittschützender Charakter zukommen muss.[455] Sie können sich laut Gesetzesbegründung insbesondere aus Gesetzoder Vertragergeben,[456] nach vielfach vertretener Ansicht aber auch aus Einzelweisungen[457] (deren Zulässigkeit aus dem Direktionsrecht des Arbeitgebers folgt).[458] Strafrechtlich von Bedeutung sind die Pflichten aber erst dann, wenn sie einen Bezug zum Austausch von Waren oder Dienstleistungen aufweisen. Damit sollen nach dem historischen Willen des Gesetzgebers „rein innerbetriebliche Störungen“ aus dem Tatbestand ausgeklammert werden.[459] Dieser ersichtlich auf Sabotageakte gegen Produktionsmittel zielende Tatbestandsausschluss[460] wird im Ergebnis aber dann zweifelhaft, wenn die Auswirkungen des Verhaltens die innerbetriebliche Sphäre verlassen. Zu denken ist hier etwa (nach einem Beispiel von Wolf ) an den von einem Konkurrenten geschmierten Catering-Mitarbeiter, der bei wichtigen Kunden vorsätzlich das Essen ungenießbar macht und so bei seinem Arbeitgeber für einen lange andauernden hohen Reputationsschaden sorgt.[461] Rogall fragt hier zu Recht, warum Sabotagehandlungen dieser oder ähnlicher Art, die bei bestehendem Wettbewerb als unlautere Bevorzugung von Konkurrenten i.S.v. § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB gewertet werden können, nicht außerhalb von Wettbewerbslagen wenigstens als Pflichtverletzung gem. § 299 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 StGB gelten sollen.[462]
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Der Zweck der Implementierung der Pflichtwidrigkeitsvarianten besteht darin, den bis zur Gesetzesänderung 2015 auf die Kriminalisierung von Bevorzugungen im Wettbewerb beschränkten § 299 StGB zu erweitern, indem jetzt auch Pflichtverletzungen außerhalb von Wettbewerbslagenerfasst werden.[463] Der ergänzende Schutz ist gerichtet auf das Interesse des Geschäftsherrn an der „loyalen und unbeeinflussten Erfüllung der Pflichten durch seine Angestellten und Beauftragten im Bereich des Austausches von Waren oder Dienstleistungen“.[464] Auf diesem Weg wollte der Gesetzgeber das deutsche Recht an völker- und unionsrechtliche Rechtsakte anpassen.[465] Die Crux dieser Tatbestandsvariante liegt in ihrer Weite und Unbestimmtheit, die ihr schon in früheren (nahezu textgleichen) Entwürfen massive rechtsdogmatische und -politische Kritik eingebracht hat. Daran hat sich nach Einführung der Geschäftsherrenvarianten 2015, deren Wortlaut nach Intervention des Rechtsausschusses nur geringfügig geändert wurde, bis heute nur wenig geändert. Denn die in der Endphase der Gesetzgebung hinzugefügten zwei Tatbestandspassagen: „Handlung oder Unterlassung“ beim Bezug von Waren oder Dienstleistungen sowie „ohne Einwilligung des Unternehmens“ enthalten – wie bereits ausgeführt ( Rn. 79) oder noch darzustellen ( Rn. 86) – kaum Restriktionspotenzial.[466]
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Es verwundert daher nicht, dass zur Eindämmung ausufernder Strafbarkeit schon eine Reihe von Korrekturvorschlägen unterbreitet wurden.[467] Vereinzelt geblieben sind hier zunächst Lösungsoptionen, die beim Kreis möglicher Vorteilsempfänger ansetzen und nur Angestellte oder Beauftrage mit eigenem Verantwortungsbereich und Entscheidungsspielraum als taugliche Täter akzeptieren,[468] das Merkmal des „Bezugs“ i.S. einer einseitigen Lieferrichtung restriktiv auslegen wollen[469] oder allein Verhaltensweisen für tatbestandsmäßig erklären, die eine rechtserhebliche Entscheidung vorbereiten, treffen oder als klare und evidente Pflichtverletzung (vergleichbar den Einschränkungsbemühungen bei der Untreue) zu identifizieren sind.[470] Diese Vorschläge haben sämtlichst schlechte Aussichten, sich in der Gerichtspraxis durchzusetzen, da sie in dem EU-Rahmenbeschluss 2003/568/JI, den der Gesetzgeber umsetzen wollte (und nach seiner Ansicht auch umsetzen musste), keine Stütze finden. Zahlreiche Anhänger hat dagegen eine „wettbewerbsorientierte“ Deutungdes Geschäftsherrenmodells. Danach ist das unscharfe Merkmal der Pflichtverletzung eingrenzend wettbewerbsbezogen so auszulegen, dass die Handlung zumindest die Eignung aufweisen muss, den Wettbewerb zu beeinträchtigen. Abhilfe schaffen soll hier also eine restriktive Auslegung (bzw. teleologische Reduktion) dergestalt, dass nicht jede beliebige Pflichtverletzung des Agenten beim Bezug von Waren oder Dienstleistungen den Tatbestand erfüllt, sondern nur die Verletzung von (Compliance-)Pflichten, „die ausschließlich oder jedenfalls primär dem Ziel dienen, den Leistungswettbewerb zu schützen“. § 299 Abs. 1 Nr. 2 StGB stellt nach dieser Lesart gegenüber der Wettbewerbsvariante einen „Auffangtatbestand“ dar. Inhaltlich nahestehend ist der Lösungsvorschlag von Gaede , der unter Berücksichtigung eines – (vermeintlich) vom EU-Rahmenbeschluss vorgegebenen und vom nationalen Gesetzgeber umzusetzenden – überindividuellen Ansatzes in den Tatbestand nur Pflichten einbezieht, die dem Agenten bei der Wahrnehmung des geschäftlichen Verkehrs des Unternehmens obliegen und der wirtschaftlichen Existenz des Unternehmens dienen (also wirtschaftlich bedeutsam sind).[471] Argumentativ stützen sich diese Einschränkungsbemühungen vor allem auf drei Aspekte:[472] Erstens sei die Pflichtwidrigkeitsvariante bei wortlautgetreuem Verständnis ausufernd weit geraten und systematisch nicht stimmig. Darüber hinaus lasse sich – zweitens – der Gesetzesbegründung nicht sicher entnehmen, was der Gesetzgeber eigentlich schützen wollte (Auslegungs-„Patt“).[473] Drittens gebieten nach Ansicht der Kritiker unionsrechtliche Vorgaben eine wettbewerbsorientierte Auslegung.
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