Nach dem insofern nicht entgegenstehenden Wortlaut kommt zunächst auch ein Dritter(also weder der Prinzipal des Bestochenen [„Unternehmens“, ehemals „geschäftlicher Betrieb“] noch der Bestechende) als Bezieher der Ware in Betracht.[367] Das Bezugsverhältnis muss ohnehin unabhängig von der vertraglichen (Unrechts-)Vereinbarung zwischen dem Bestochenen und dem zu Bevorzugenden bestehen, weil ersterer keinesfalls als Partei des Bezugsverhältnisses in Betracht kommt (s. Rn. 48). Eine teleologische Betrachtung zwingt allerdings zu einer Korrektur des offenen Wortlauts: Charakteristisch für § 299 StGB ist die Situation, dass jemand entscheidenden Einfluss auf die Bezugsentscheidungen eines anderen hat und von dritter Seite dafür bezahlt wird, diesen Einfluss in bestimmter (das Leistungsprinzip als Entscheidungsmaßstab ausblendender) Weise auszuüben.[368] Einflussnehmender ist in § 299 StGB der „Angestellte“ oder „Beauftragte“, und dieser hat allein auf die Bezugsentscheidungen seines Geschäftsherren Einfluss, sodass nurLetzterer – in den Worten der Norm: das „Unternehmen“– als Bezieher(bzw. bei umgekehrter Lieferrichtung: Veräußerer) in Betracht kommt. M. a.W. muss der Täter des § 299 Abs. 1 StGB Angestellter oder Beauftragter des Beziehers sein.[369] Das Zuführen von Kunden– etwa durch von Restaurantbetreibern bestochene Taxifahrer – ist daher tatbestandslos, weil Bezieher der Leistung des bestechenden Restaurantbetreibers der Kunde ist,[370] der Taxifahrer aber nicht als „Beauftragter“ des Kunden auftritt[371] und Letzterer im Zweifel auch kein „Unternehmen“, sondern ein Privater ist.
66
Das Merkmal des Bezuges von Waren oder Dienstleistungen steht auch im Mittelpunkt der rechtlichen Beurteilung von Korruptionsfällen im Sport: Wird einem angestellten Vereinsspielervon einem Dritten eine sog. „Verlustprämie“ für eine absichtlich schlechte Spielleistung angeboten, so kommt es zwischen dem Dritten und dem Prinzipal des Spielers – dem Verein – nicht zu einem „Bezug“. Eine Strafbarkeit nach § 299 StGB scheidet in diesen Fällen daher aus.[372] Dasselbe gilt für die Bestechung von Sportschiedsrichtern: Auch hier zielt der Vorteilsgeber nicht darauf ab, von dem Geschäftsherren des Schiedsrichters (zumeist ein Sportverband) bei einem Bezugsvorgang bevorzugt zu werden; vielmehr will er lediglich eine Schlechtleistung des Schiedsrichters gegenüber dem Prinzipal erreichen.[373] Erfolgt eine Spielmanipulation vor dem Hintergrund eines Wettgeschäfts, kommt eine Strafbarkeit nach § 263 StGB (sog. Sportwettbetrug) in Betracht.[374] Dass sportverbandsinterne Korruption(etwa in Form eines Stimmenkaufs bei Funktionärswahlen) den Wettbewerbsvarianten des § 299 StGB nicht unterfällt, wird vielfach behauptet.[375] Eine nähere Untersuchung der Frage am Beispiel des Stimmenkaufs durch DFB-Funktionäre bei einer fiktiven (zukünftigen) Vergabe des World Cup hat jedoch ergeben, dass jedenfalls dieses Verhalten sehr wohl als gem. § 299 Abs. 2 Nr. 1 StGB strafbar zu qualifizieren ist.[376]
e) Bevorzugung in unlauterer Weise
67
Der Täter muss im Rahmen der Unrechtsvereinbarung (nicht der Bezugsvereinbarung!) den Vorteil dafür fordern, sich versprechen lassen oder annehmen, dass er den Zuwendenden im Wettbewerb „ in unlauterer Weise“ bevorzuge. Nach der Gesetzesfassung ist es hierfür ausreichend, dass sich die Beteiligten die unlautere Bevorzugung nur vorgestellt haben („bevorzuge“). Einen Erfolg i.S.d. einer tatsächlich eingetretenen Bevorzugung oder gar einer Benachteiligung bzw. Schädigung der Marktteilnehmer setzt der Tatbestand nicht voraus.[377]
68
Die Rechtsprechungsetzte das Merkmal der Unlauterkeit zunächst mit dem in der Generalklausel gem. § 1 UWG a.F. enthaltenen Begriff der Sittenwidrigkeit gleich.[378] Der BGH hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 1952 unter Berufung auf das RG ausgeführt, dass eine Bevorzugung insbesondere dann unlauter i.S.d. § 299 StGB (a.F.) sei, wenn die Angestellten ihre „Vorgesetzten nicht mehr nach rein sachlichen Gesichtspunkten, sondern unter dem Einfluss der empfangenen oder erwarteten Vorteile berieten (RGSt 66, 81; 72, 289).“ [379] Die Unlauterkeit folgte nach dem BGH vor der UWG-Reform im Jahre 2004[380] damit maßgeblich aus der Gefährdung einer sachgerechten – am Leistungsprinzip orientierten – Bezugsentscheidung, die man dem Angestellten nach Ankündigung oder Gewährung des Vorteils nicht mehr zutraute. Dieses Kriterium der „Sachfremdheit“ als notwendige Voraussetzung für die Annahme einer unlauteren Bevorzugung hat der BGH im Weiteren auch in seiner neueren Rechtsprechung immer wieder herangezogen. Gefordert wird für das Vorliegen einer unlauteren Bevorzugung danach eine sachfremde Wettbewerbsentscheidung.[381]
69
Während einige in der Literaturmeinen, das Merkmal der Unlauterkeit umschreibe eine Pflichtverletzung gegenüber dem Geschäftsherrn,[382] ergibt sich für die h.M. in der Lehre die Unlauterkeit der (angestrebten) Bevorzugung daraus, dass sie (gemessen an den Grundsätzen eines fairen Wettbewerbs) nicht ausschließlich auf sachlichen Erwägungen, sondern zumindest auch auf der Vorteilsgewährung beruht, [383] d.h. als unlauter wird die Bevorzugung qualifiziert, wenn sie geeignet ist, Mitbewerber durch Umgehung der Regeln des Wettbewerbs und durch Ausschaltung der Konkurrenz zu schädigen.[384] Dabei gehen große Teile dieses Schrifttums davon aus, dass dem Merkmal der Unlauterkeit keine eigenständige Funktion im Rahmen des Tatbestandeszukommt.[385] Diese faktische Streichung des Merkmals der Unlauterkeit wird verbreitet damit begründet, dass der Abschluss einer Unrechtsvereinbarung mit dem Angestellten grundsätzlich dazu führe, dass eine Gefahr für den Leistungswettbewerb durch sachwidrige Beeinflussung entstehe. Der Argumentation liegt offensichtlich die – auch hier vertretene – Ansicht zugrunde, dass die Unrechtsvereinbarung neben die eigentliche Bezugsvereinbarung treten muss (oben Rn. 48).[386] Da eine solche zusätzliche Vereinbarung zumindest bis zur Abschaffung des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung im Jahre 2001[387] unlauter war, kam dem Merkmal der Unlauterkeit in solchen Fällen aufgrund des regelmäßig vorliegenden Verstoßes gegen diese Normen tatsächlich keine eigenständige Funktion zu.[388] § 1 ZugabeVO sah ein generelles Verbot von Zugaben vor, welches die Gewährung von Vorteilen neben normalen Austauschverträgen als unzulässig einstufte. § 1 RabattG beinhaltete ein generelles Rabattgewährungsverbot gegenüber Verbrauchern. Diese gesetzgeberische Wertung führte dazu, dass das Merkmal der Unlauterkeit in § 299 StGB immer dann ohne Bedeutung war, wenn neben dem Bezugsvertrag eine zusätzliche Vorteilsabrede existierte.
70
Die skizzierte Liberalisierung des Wettbewerbsrechts hat allerdings an der Grundstruktur korruptiven Verhaltens in der Wirtschaft, wie es § 299 StGB in den Wettbewerbsvarianten erfasst, nichts geändert; weiterhin ist es dadurch gekennzeichnet, dass ein Bezugsvertrag mit einer Unrechtsvereinbarung gekoppelt wird, Konsequenz: Es besteht zumindest die abstrakte Gefahr, dass durch die (geplante) Vorteilsgewährung an den Unternehmensmitarbeiter oder Dritten (exklusive des Geschäftsherrn!) die Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse im Rahmen der Bezugsvereinbarung zu Lasten von Mitbewerbern (und des Prinzipals) beeinflusst werden. Dieses Verhalten ist grundsätzlich unlauter;[389] gesonderter (Verbots-)Regelungen (wie sie ehemals das RabattG und die ZugabeVO enthielten), bedarf es für diese Bewertung nicht. Die rein isolierte Verknüpfung von (beabsichtigter) Vorteilszuwendung und Bevorzugungsentscheidung als Synallagma i.S.d. Wettbewerbsvarianten des § 299 StGB reicht dabei – wie mehrfach betont – für die Qualifizierung als „unlautere Bevorzugung“ allerdings nicht aus.[390] Denn damit würde das Merkmal der Unrechtsvereinbarung auf das Erfordernis eines Tausches reduziert. Der Tausch ist aber gerade das Grundmuster wirtschaftlichen Handelns, das erlaubt – und erwünscht – ist.[391] Es muss also eine Unrechtsvereinbarung hinzukommen.
Читать дальше