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Das Erfordernis einer Unrechtsvereinbarung neben dem Bezugsvertrag ist letztlich auch in jüngeren Entscheidungen des BGH[261] sowie einschlägigen Beiträgen der überwiegenden Literatur[262] angelegt,[263] die jeweils für das Vorliegen einer Unrechtsvereinbarung verlangen, dass die Bevorzugung eine sachfremde Entscheidung des Angestellten für einen Bewerber darstellt. Dieses Kriterium der Sachfremdheit macht deutlich, dass sich die Unrechtsvereinbarung gerade darauf beziehen muss, dass sich der Angestellte nicht im Interesse des Anstellungsunternehmens verhält, sondern seinem eigenen Interesse am Vorteil folgt. In der Praxis werden Vorteilsgewährleistungen mit dieser Zielrichtung daher zumeist geheim gehalten.[264] Der Prototypder Bestechung im geschäftlichen Verkehr besteht demnach in einer verschleierten,[265] d.h. gegenüber dem Geschäftsinhaber nicht aufgedeckten Vorteilsgewährung an den Angestellten selbst oder eine ihm nahestehende Person. Handelt der Angestellte dagegen ausschließlich im wohlverstandenen Interesse des Geschäftsherrn, stellt die Entscheidung des Angestellten eine sachliche Entscheidung dar, die keine Unrechtsvereinbarung begründet.[266]
bb) Notwendige Einschränkungen des Straftatbestandes
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Bei unbefangenem Blick auf den Tatbestand des § 299 StGB (in den Wettbewerbsvarianten) führt zunächst weder das Handeln des Angestellten mit Wissen und Billigung sowie im Auftrag seines Anstellungsunternehmens (sog. „entschleierte Schmiergelder“) noch die Tatsache, dass die Vorteile dem Geschäftsinhaber zugutekommen, dazu, dass die Verwirklichung des Tatbestandes ausscheidet. Das liegt zum einen daran, dass die Heimlichkeit der Vorteilsgewährung kein Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes gem. § 299 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB ist.[267] Zum anderen erfasst die im Jahre 1997 erfolgte Tatbestandsergänzung um den Drittvorteil nach dem Wortlaut auch den Geschäftsherrn als Vorteilsempfänger.[268] Eine vernünftige, an Sinn und Zweck der Strafnorm ausgerichtete Auslegung spricht jedoch klar dafür, Fälle entschleierter Vorteilsgewährungen (dazu Rn. 51, 92 ff.) sowie der Zuwendung von (Dritt-)Vorteilen an den Geschäftsinhaber (dazu Rn. 40 ff., 52) aus dem Tatbestand des § 299 StGB herauszunehmen.
(1) Tatbestandsausschluss bei „entschleierten Zuwendungen“
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§ 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt zwar nicht voraus, dass der Agent den Vorteil „hinter dem Rücken des Geschäftsherrn“ fordert, sich versprechen lässt etc.[269] Allerdings führt das Einverständnis des Geschäftsherrn mit dem tatbestandsmäßigen Verhalten („ Entschleierung“) dazu, dass das Rechtsgut des § 299 StGB in aller Regel nicht gefährdet wird.[270] Ausgehend von der gesetzgeberischen Entscheidung, dass der Geschäftsherr kein tauglicher Täter des § 299 StGB, sondern aufgrund seiner verfassungsrechtlich geschützten Vertragsfreiheit[271] in der Wahl seiner Geschäftspartner und der Gestaltung der Vertragskonditionen frei ist, können entschleierte Vorteilsgewährungen den Leistungswettbewerb nicht verzerren. Das liegt daran, dass es wirtschaftlich und auch normativ keinen Unterschied macht, ob ein Vorteil dem Geschäftsinhaber selbst oder einem Angestellten des Geschäftsinhabers mit dessen Wissen angeboten wird.[272] Wenn das erstgenannte Geschehen nach einhelliger Ansicht nicht dem Tatbestand unterfällt,[273] sollte Gleiches für (geplante) Vorteilszuwendungen, die mit Zustimmung des Geschäftsinhabers erfolgen, ebenfalls gelten, will man nicht wirtschaftlich gleichartige Vorgänge rechtlich unterschiedlich behandeln. Es liegt also nur eine (Bezugs-)Leistungsbeziehung und keine zusätzliche Unrechtsvereinbarung vor. Hinzu kommt, dass bei Billigung der Vorteilsannahme usw. durch den Geschäftsinhaber dieser das Preis-Leistungs-Verhältnis niemals aus dem Blick verlieren wird. Denn ein Kaufmann wird die Entgegennahme von Vorteilen durch seine Mitarbeiter nur solange akzeptieren, wie die hiervon betroffenen Geschäfte in seinem eigenen wirtschaftlichen Interesse liegen. Die Auswirkungen der Gratifikationen auf den Wettbewerb sind also nicht stärker, als wenn der Geschäftsinhaber sie selbst in seine Entscheidungsfindung einstellt.[274] Aus dem Wortlaut der Norm und ihrer rechtsgutsbezogenen Struktur[275] folgt also, dass entschleierte Vorteilsgewährungen im Ergebnis tatbestandslose Geschäftsinhaberbestechungen darstellen(näher Rn. 92 ff.).
(2) Tatbestandsreduktion bei Vorteilszuwendungen an den Geschäftsinhaber als Dritten
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Ein anderes Ergebnis als bei der Subsumtion unter den Prototyp der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr ergibt sich auch bei der Leistung von Vorteilen an den Geschäftsinhaber als Dritten(näher Rn. 40 ff.). Der Wortlaut des § 299 StGB setzt voraus, dass der Empfänger des Vorteils der Angestellte bzw. Beauftragte oder ein Dritter ist. Der Geschäftsherr ist personell von dem Agenten und dem Vorteilsgewährenden verschieden, sodass er bei unbefangener Annäherung an den Tatbestand als Dritter i.S.d. § 299 StGB angesehen werden könnte. [276] In der Literatur wird denn auch häufig ohne weiteres der Geschäftsherr als möglicher Drittvorteilsempfänger i.S.d. § 299 StGB eingestuft.[277] Dabei wird zumeist darauf verwiesen, dass die Rechtsprechung[278] bereits mehrfach entschieden habe, dass der Begriff des „Dritten“ im Rahmen der §§ 331 ff. StGB auch die Anstellungskörperschaft des Amtsträgers erfasse.[279] Bei dieser Übertragung wird jedoch übersehen, dass die §§ 331 ff. StGB ein anderes – wesentlich sensibleres – Rechtsgut schützen als § 299 StGB[280] und zudem grundsätzliche, unser Wirtschaftssystem betreffende Aussagen gegen den Geschäftsherrn als tauglichen Vorteilsempfänger sprechen. In der zu dieser Fragestellung tiefer schürfenden Literatur wird denn auch zunehmend erkannt, dass aus teleologischen Gründen Vorteile, die letztlich dem Geschäftsherrn gewährt werden, keine Strafbarkeit nach § 299 StGB begründen können.[281] Der für den Geschäftsherrn auftretende Angestellte, der Vorteile für seinen Geschäftsherrn annimmt, handelt im Interesse seines Geschäftsherrn allein im Rahmen der Bezugsvereinbarung und somit entsprechend dem Leistungsprinzip.[282] Es mangelt daher schon an einer abstrakten Gefahr für den Leistungswettbewerb als Rechtsgut der Wettbewerbsvarianten des § 299 StGB, wenn ein Angestellter für seinen Geschäftsinhaber die Verhandlungen führt und Vorteile annimmt.[283] Auch hier fehlt es an einer Unrechtsvereinbarung, die Kernvoraussetzung einer Strafbarkeit gem. § 299 StGB ist.
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Sprechen schon die skizzierten Besonderheiten der Fallkonstellationen jeweils für sich unter teleologischen – das Rechtsgut betonenden – Gesichtspunkten für eine Straflosigkeit des Verhaltens, muss das bei einer Kombination der Aspekte – also bei entschleierten Vorteilsgewährungen an den Geschäftsinhaber als Drittvorteilsempfänger– erst recht gelten.
cc) Einzelheiten zur Unrechtsvereinbarung
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Die Unrechtsvereinbarung i.S.v. § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt eine ausdrückliche[284] oder eine zumindest stillschweigende[285] (bzw. bei der Tatvariante des Forderns eine auf ihren Abschluss zielende)[286] Übereinkunft zwischen den Beteiligten voraus.[287] Jedenfalls nach der Vorstellung des Vorteilsnehmers (als Täter des § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB) muss der Vorteil Gegenleistung dafür sein, dass er einen anderen zukünftig in unlauterer Weise gegenüber Mitbewerbern bevorzuge; eine nur gelegentliche oder anlässlich einer Handlung des Vorteilsnehmers erfolgende Zuwendung genügt nicht. Im Gegensatz zur Neufassung der §§ 331, 333 StGB hat der Gesetzgeber des KorrBekG 1997 (und auch 2015) bewusst darauf verzichtet, die Anforderungen an eine solche Unrechtsvereinbarung zu lockern und hat stattdessen am Erfordernis einer konkreten Gegenseitigkeitsvereinbarungi.S. e. do ut des festgehalten.[288] Demgemäß muss der Vorteil für eine zumindest „in Umrissen“ bestimmte Bevorzugung in der Zukunft gegeben werden.[289] Anders als im Kontext der Amtsträgerkorruption sind Zuwendungen zur Sicherung des allgemeinen Wohlwollens („Klimapflege“) ebenso wenig tatbestandsmäßig[290] wie die Belohnung bereits erbrachter Leistungen.[291] So fällt etwa altruistisches Sponsoringnicht darunter, wenn die Austauschgegenstände zu unkonkret bleiben (etwa bei nur gattungsmäßiger Verknüpfung).[292]
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