Beispiel
Ein Pharmaunternehmen lädt angestellte Ärzte zu einem mehrtägigen Fachkongress mit Unterkunft im Fünf-Sterne-Hotel und Rahmenprogramm ein. Konkrete Empfehlungen, Produkte des Unternehmens anderen vorzuziehen, werden dabei nicht gegeben. Es kann sich bei der Einladung um eine straflose Zuwendung zur „Sicherung des allgemeinen Wohlwollens“ handeln. Sachverhalte dieser Art können in der Praxis allerdings auch zu Ermittlungen der Strafverfolgungsorgane führen, weil diese – je nach Wert des Aufenthalts – eine (stillschweigende) Übereinkunft, gerichtet auf die Bevorzugung des zuwendenden Unternehmens beim Bezug von Arzneimitteln, vermuten.[293]
Bei komplexen, mit zahlreichen Vor- und Nachteilen für beide Seiten verbundenen Geschäften wird die Vorteilszuwendung oftmals nicht mit einer bestimmten Bevorzugung in Beziehung zu bringen sein.[294] Die Beweisprobleme, die den Gesetzgeber im Rahmen der §§ 331, 333 StGB zur „Lockerung der Unrechtsvereinbarung“ veranlasst haben,[295] bleiben für die Angestelltenbestechlichkeit/-bestechung damit bestehen.[296]
b) Bevorzugung eines anderen
55
Die vom Täter angestrebte oder von den Parteien geschlossene Unrechtsvereinbarung muss darauf abzielen, dass der Vorteilsnehmer(also der Angestellte oder Beauftragte) beim Bezug von Waren oder Dienstleistungen einen anderenzukünftig im Wettbewerb bevorzuge.Voraussetzung ist dafür nach dem Gesetzestext, dass „er“ (der Vorteilsnehmer) selbst die Bevorzugung bewirkt. Über die Qualität der notwendigen „Bevorzugungsmacht“ ist damit aber noch nichts ausgesagt. Herrschend lässt man es hier ausreichen, dass der Agent zumindest mittelbar die Möglichkeit der Einflussnahme auf betriebliche Entscheidungen hat.[297] Rogall verlangt dagegen mehr. Für ihn bevorzugt nur derjenige, der „die Entscheidungen (…) zu treffen hat und ihre Umsetzung veranlassen kann“ oder zumindest – gleichsam als mittelbarer Täter – die Entscheidung des Geschäftsherrn steuert.[298] Dieses Maß an Einfluss wird bei Angestellten oder Beauftragten häufig vorliegen, soll Arbeitsteilung (und damit auch die Delegation von Verantwortung) ökonomisch überhaupt Sinn ergeben. Das Einfordern einer Entscheidungskompetenz, die im Randbereich (Beispiele von Rogall : Der Prinzipal wird von seinem Mitarbeiter getäuscht oder im Unklaren gelassen) strukturell die Voraussetzungen der mittelbaren Täterschaft erfüllen muss, erscheint aber überzogen – und wird auch vom Autor selbst nicht durchgehalten, wenn er es bei der Beschreibung der Vorteilsnehmerrolle genügen lässt, dass „der Angestellte zu einer Einflussnahme auf unternehmerische Bezugsentscheidungen tatsächlich im Stande ist“ und der Beauftragte nur „mittelbar Einfluss auf die zu treffenden geschäftlichen Entscheidungen“ nehmen kann.[299] Richtig ist allerdings, dass bei Zustimmung des über den Sachverhalt informierten Prinzipals zum Geschäftsgebaren des Agenten im Falle „entschleierter Schmiergelder“ letztlich ein Verhalten des Geschäftsherrn vorliegt und damit der Tatbestand schon aus grundsätzlichen Erwägungen heraus nicht verwirklicht wird.[300]
56
Bevorzugungist die Besserstellungdes zu Begünstigenden (auch in Form der Erhaltung der bisherigen Geschäftsbeziehungen[301]) gegenüber zumindest einem weiteren Mitbewerber,[302] der im Tatzeitpunkt noch nicht einmal bekannt sein muss.[303] Mit der Privilegierung hat die Benachteiligung eines Konkurrenten(im Wettbewerb) einherzugehen.[304] Angesichts der subjektivierten Gesetzesfassung müssen beide Effekte nur angestrebt bzw. vereinbart werden, nicht aber tatsächlich eingetreten sein.[305] Dabei liegt eine Privilegierung nur vor, wenn der Begünstigte auf den Vorteil keinen Rechtsanspruchhat[306] – wie regelmäßig im privaten Wirtschaftsverkehr.[307]
Beispiel
Eine Entertainmentgesellschaft hält für jede Musicalveranstaltung einige Plätze für Journalisten frei, die diese dann, ohne für ein Ticket zu bezahlen, kurzfristig in Anspruch nehmen können. Im Gegenzug wird von den Journalisten eine generell unkritische Berichterstattung über die Musicals erwartet. Das Verhalten der Journalisten ist nicht nach § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar, weil sie keine Bevorzugung beim Bezug von Waren oder Dienstleistungen in Aussicht stellen.[308]
57
Tatbestandsrelevant sind nur avisierte zukünftigeBevorzugungen.[309] Vorteilsgewährung für bereits ausgeführte Handlungen ist straflos (vgl. Rn. 54),[310] es sei denn, diese waren bereits Gegenstand einer früheren Unrechtsvereinbarung[311] oder sollen in der Zukunft liegende günstige Entscheidungen anregen.[312]
58
Begünstigter andererkann der Vorteilsgeberoder jeder Drittesein, zu dessen Gunsten der Vorteilsgeber aktiv wird.[313] Damit kommt auch der Geschäftsherr des Vorteilsgebers oder das Unternehmen des Mitbewerbers in Betracht.[314]
c) Bevorzugung im Wettbewerb
59
§ 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfordert eine (angestrebte) Bevorzugung „ im (in- oder ausländischen) Wettbewerb“ des Vorteilgebers mit seinen Konkurrenten oder im Wettbewerbsverhältnis des Drittbegünstigten. Der Vorsatz des Täters muss sich demnach auf das Bestehen einer Wettbewerbslage im Zeitpunkt der Bevorzugung(d.h. des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen) und nicht bereits im Zeitpunkt der Tathandlung richten.[315] Zum Teil wird das Erfordernis einer Wettbewerbslage bereits dem Merkmal der „Bevorzugung“ entnommen: Diese bedeute die Entscheidung zwischen mindestens zwei Bewerbern, setze also Wettbewerb und die Benachteiligung eines Konkurrenten voraus.[316] Mitbewerber sind alle Marktteilnehmer, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art anbieten;[317] für das Bestehen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses (i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG) ist es daher nicht erforderlich, dass sich im Einzelfall ein anderer Bewerber um den Absatz seiner Waren oder Dienstleistungen (bzw. den Bezug von solchen) bemüht;[318] maßgeblich ist ein weiter, marktbezogener Begriff des Mitbewerbers.[319] Darunter fallen nicht private Arbeitnehmer, die sich bei der Arbeitsplatzsuche in der Konkurrenz um eine Arbeitsstelle befinden. Denn ein „konkretes Wettbewerbsverhältnis“ kann nach vorherrschender Ansicht nur zwischen Unternehmen (als Mitbewerber) bestehen.[320] Aufgrund der subjektivierten Fassung des Tatbestandes („bevorzuge“)[321] muss das Wettbewerbsverhältnis zu keinem Zeitpunkt tatsächlich vorliegen; dem Charakter eines abstrakten Gefährdungsdelikts entsprechend ist die Vorstellung des Täters ausreichend, auf dem Markt, auf dem die Bevorzugung erfolgen soll, werde (in Zukunft[322]) Wettbewerb bestehen.[323] Der Vorstellung eines bestimmten (gar namentlich bekannten) Mitbewerbers bedarf es dabei nicht.[324]
Beispiel
Der Einkäufer eines Herstellers von Endprodukten verlangt einem Hersteller von Zuliefer-Teilen regelmäßig wertvolle Geschenke ab, damit er bei ihm „im Geschäft bleibe“. Entgegen der Annahme des Einkäufers gibt es auf dem Markt gegenwärtig keinen anderen Zulieferer, der passende Teile anbietet.
60
Am erforderlichen wirtschaftlichen Konkurrenzverhältnis – und damit überhaupt an der Möglichkeit einer Bevorzugung – fehlt es, wenn sich der beabsichtigte Bezug von Waren und Dienstleistungen lediglich als „Verteilung“zu gleichen Bedingungen darstellt (etwa die Vergabe von Krediten ohne Bonitätsprüfung oder Sicherheitsbestellung durch einen bestochenen Bankmitarbeiter bei ausreichender Liquidität der Bank)[325] oder auf Seiten des Vorteilsgebers ein Monopolbesteht,[326] es sei denn, dass durch die erstrebte Bevorzugung bezweckt wird, zukünftige („potentielle“) Wettbewerber auszuschalten.[327] Wettbewerb findet auch dann nicht statt, wenn die Entscheidung zugunsten eines Bewerbers bereits feststeht[328] und die Zuwendung allein dem Zweck dient, einen Rücktritt vom Vertrag zu verhindern.[329]
Читать дальше