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Schreibt man der Einziehung des durch die Tat Erlangten mit der überwiegenden Literaturauffassungim Hinblick auf die aus dem nicht tatverstrickten Vermögen aufgewandten Kostenanteile Strafcharakter zu, so ist bezüglich der Anforderungen an die Anknüpfungstatzu differenzieren:[24]
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Nur soweit dem Begünstigten durch die Einziehung allein ein durch oder für die Tat erlangter Vermögensvorteilentzogen wird, ohnedass Aufwendungenirgendeiner Art veranschlagt werden müssten, reicht auch heute noch eine bloße rechtswidrige Tatbzw. eine mit Geldbuße bedrohte Handlung als Anknüpfungstat. |
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Soweit dagegen dem Begünstigten durch die Einziehung des durch die oder aus der Tat Erlangten oder seines Wertes auch der Betrag der Kostenentzogen wird, die er für die Erlangung des Tatentgelts oder des Tatgewinns aus seinem Vermögen aufgewandt hatte,[25] müssen die §§ 73b und 73d StGB sowie 29a OWiG einer verfassungskonformen teleologischen Reduktion unterworfen und in dem Sinne interpretiert werden, dass eine schuldhafte Verstrickung des Einziehungsadressatenin die Anknüpfungstat erforderlich ist: Den durch die Tat begünstigten „anderen“ muss an der Anknüpfungstat ein Verschulden treffen, wenn der Einziehung Kostenanteile unterworfen werden, die er selbst aufgewandt hatte.[26] Da nach der Rechtsprechung des BVerfG für überpersonale Einheiten nur die Schuld der für sie verantwortlich handelnden Personen maßgeblich sein kann,[27] setzt also die Anordnung der unternehmensbezogenen Brutto-Tatertragseinziehung eine im strafrechtlichen Sinne schuldhafte Beteiligung der für das Unternehmen handelnden Leitungspersonen an der Anknüpfungstat voraus – sei es als Mittäter oder mittelbarer Täter oder als schuldhaft handelnder Teilnehmer im strafrechtlichen Sinne, sei es als vorwerfbar handelnder Beteiligter i.S.v. § 14 OWiG (s. dazu unten 1. Teil 3. Kap. Rn. 3).[28] Das Schuldprinzip verlangt dabei auch Beachtung auf der Rechtsfolgenseite: Der Zugriff auf den gesamten Erlös kann nur insoweit zugelassen werden, als er mit dem Maß des Verschuldens des Einziehungsadressaten vereinbar ist.[29] |
6. Der Anknüpfungstatbestand
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§ 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB und § 29a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 OWiG setzen übereinstimmend voraus, dass der „andere“ durch die Tat etwas erlangt und der Täter (oder Teilnehmer) „für ihn gehandelt“ hat. Ein Handeln für den anderenist nach der Rechtsprechung des BGH vornehmlich gegeben im Vertretungsfall in einem weiteren Sinne, d.h. nicht nur beim Handeln als Organ, Vertreter oder Beauftragter i.S.v. § 14 StGB und § 9 OWiG (unten 3. Kap. Rn. 6 ff.), sondern auch bei sonstigen Unternehmensangehörigen, die im Organisationsinteresse tätig werden.[30] In der Neufassung erfassen § 73b Abs. 1 StGB und § 29a Abs. 2 OWiG ferner den vom BGH weiter herausgearbeiteten Verschiebungsfall, den sie um den Erbfall ergänzen (jeweils S. 1 Nr. 2 und 3). Auch diese sind als mögliche Anwendungsfälle einer Drittbegünstigung denkbar, doch dürfte der Vertretungsfall ganz im Vordergrund stehen. In dem vom BGH ebenfalls genannten Erfüllungsfall scheidet die Einziehung dagegen aus; ein solcher liegt vor, wenn der Beteiligte einem gutgläubigen Dritten Tatvorteile zuwendet, und zwar in Erfüllung einer nicht bemakelten entgeltlichen Forderung, deren Entstehung und Inhalt in keinem Zusammenhang mit der Tat stehen.
III. Das Verfahren der Einziehungsanordnung
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Auch für die Anordnung der Einziehung sowohl von Gegenständen als auch von Taterträgen oder deren Wert gegen einen Unternehmensträger stehen zwei Verfahrenstypenzur Verfügung:
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Regeltypus ist das verbundene Verfahrengegen den Täter der Anknüpfungstat als Betroffenen und den Dritten als Einziehungsbeteiligten (§§ 421 ff. StPO, §§ 46 Abs. 1, 87 OWiG). |
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Daneben besteht aber auch die Möglichkeit einer Anordnung der Maßnahmen im selbständigen Verfahren. Die Voraussetzungen divergieren etwas, doch können die Unterschiede hier auf sich beruhen (s. § 76a StGB, § 29a Abs. 5 OWiG, § 435 StPO, §§ 46 Abs. 1, 87 OWiG). |
IV. Die unternehmensbezogene Mehrerlösabführung nach dem WiStG
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Eine spezielle Möglichkeit der Gewinnabschöpfung bietet das Wirtschaftsstrafgesetz 1954(s. dazu näher 4. Teil 1. Kap.). Dieses Gesetz regelt Sanktionen für Zuwiderhandlungen gegen die Sicherstellungsvorschriften der einfachen Notstandsgesetze (§§ 1, 2 WiStG) und für Verstöße gegen preisregelnde Normen (§§ 3–5 WiStG). Als spezifische Rechtsfolge ist dort die Abführung des Mehrerlösesvorgesehen. Hat der Täter durch eine Zuwiderhandlung einen höheren als den zulässigen Preis erzielt, so schreibt § 8 Abs. 1 S. 1 WiStG die Anordnung vor, „dass er den Unterschiedsbetrag zwischen dem zulässigen und dem erzielten Preis (Mehrerlös) an das Land abführt, soweit er ihn nicht auf Grund einer rechtlichen Verpflichtung zurückerstattet hat“. Diese Maßnahme ist in dem selbständigen Verfahren nach § 10 Abs. 2 WiStG auch gegen Unternehmen zulässig: Ist eine rechtswidrige Tat nach dem WiStG in einem Betrieb begangen worden, so kann die Mehrerlösabführung gegen den Leiter oder den Inhaber des Betriebes selbständig angeordnet werden, wenn ihnen der Mehrerlös zugeflossen ist; das gilt nach ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung auch, falls der Inhaber eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft ist.
[1]
S. näher Achenbach in: FS Stree/Wessels, 1993, S. 545, 549 f.; ders. JR 1997, 205, 206.
[2]
BGBl. I, S. 872 – hier abgekürzt als VermAbschRefG.
[3]
§ 29a OWiG spricht nur von dem „Täter“ (ohne Teilnehmer), verkennt aber auch damit den Beteiligungsbegriff gemäß § 14 OWiG ( 1. Teil, 3. Kap., Rn. 3).
[4]
Ungeklärt ist das Verhältnis von § 73b zu § 74e StGB, der seit dem VermAbschRefG 2017 ja auch für die Tatertrags- und Tatertragswerteinziehung gilt. § 73b dürfte als die weiter greifende Norm dem § 74e aber vorgehen. Dafür spricht, dass § 74e nach der Gesetzesbegründung den allein für die Einziehung alten Typs geltenden § 75 StGB a.F. ersetzen soll (BT-Drucks. 18/9525 S. 70), sowie der Umstand, dass § 29 OWiG als Parallelnorm zu § 74e StGB weiterhin nur in dem Abschnitt über die Einziehung von Gegenständen loziert ist.
[5]
Eser /Schuster in: Schönke/Schröder, § 73c Rn. 2; Gürtler in: Göhler, § 29a Rn. 20; Mitsch in: KK-OWiG, § 29a Rn. 37.
[6]
Gürtler in: Göhler, § 29a Rn. 21 je m.w.N.
[7]
§ 29a OWiG will eine Reduzierung des eingezogenen Geldbetrages nach dem Ermessen des Rechtsanwenders zulassen (s. etwa Gürtler in: Göhler, § 29a Rn. 26; Mitsch in: KK-OWiG, § 29a Rn. 46).
[8]
RegE des VermAbschRefG, BT-Drucks. 18/9525, S. 46 f., 61 f., 67; ebenso der Bericht des BT-Rechtsausschusses, BT-Drucks. 18/11640, S. 78 f. Zur Geltung dieser Erwägungen für § 29a OWiG s. BT-Drucks. 18/9525, S. 105.
[9]
Hier und Im Folgenden RegE des VermAbschRefG, BT-Drucks. 18/9525, S. 62, 67; ebenso Meyberg in: BeckOK-OWiG, § 29a Rn. 35a ff.
[10]
S. dazu hier in der 4. Aufl. die bisherige Rn. 37.
[11]
Mitsch in: KK-OWiG, § 29a Rz. 31 f.; ebenso zu § 29a OWiG a.F. Gürtler in: Göhler § 29a Rn. 7, 11; Lemke/Mosbacher § 29a Rn. 12; Rebmann/Roth/Herrmann § 29a Rn. 7, 10.
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