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Daraus folgt weiter, dass die Behauptung nicht zutrifft, der Komplementär einer KGscheide als Täter des § 299 Abs. 1 StGB aus, weil er als Geschäftsinhaber anzusehen sei.[116] In der KG muss vielmehr dasselbe gelten wie in anderen Personengesellschaften: Geschäftsinhaber der KG ist entweder die KG selbst oder die Gesamtheit der Komplementäre und Kommanditisten, jedenfalls aber nicht ein einzelner Komplementär. Dieser ist deshalb als Beauftragter der KG[117] bzw. aller übrigen Gesellschafter zu qualifizieren.[118] Dem steht insb. nicht entgegen, dass der Komplementär gem. § 164 HGB von Weisungen der Kommanditisten unabhängig agieren kann.[119] Weisungsgebundenheit ist lediglich ein Abgrenzungskriterium zwischen Angestellten- und Beauftragtenstellung;[120] Beauftragter kann aber sehr wohl auch sein, wer keinen Weisungen unterworfen ist, solange er nur seinerseits die geschäftlichen Entscheidungen des Geschäftsinhabers zu beeinflussen in der Lage ist. Damit bleibt festzuhalten, dass der Komplementär einer KGals tauglicher Täter i.S.d. § 299 Abs. 1 StGB in Betracht kommt.[121] Anderes gilt für den Kommanditisten, dem die Möglichkeit zur Beeinflussung betrieblicher Entscheidungen regelmäßig fehlt, so dass er jedenfalls in Standardkonstellationen als tauglicher Täter der Wirtschaftskorruption ausfällt.[122]
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Eine Sonderkonstellation kann sich bei der GmbH & Co. KG[123] ergeben. Hier wird teilweise zu Unrecht vertreten, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer der Komplementär-GmbHnicht als Täter von § 299 Abs. 1 StGB in Betracht komme, wenn es sich bei der Komplementärin um eine Ein-Personen-GmbHhandelt.[124] Zwar ist richtig, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer einer Ein-Personen-GmbH grundsätzlich nicht zum Täterkreis des Angestelltenbestechungstatbestandes gehört;[125] jedoch kann das nicht ohne weiteres auf die GmbH & Co. KG übertragen werden.[126] Anders als in einer reinen Ein-Personen-GmbH hat der Geschäftsführer einer Ein-Personen-Komplementär-GmbH erheblichen Einfluß auf fremde betriebliche Entscheidungen , nämlich die der KG bzw. ihrer sonstigen Gesellschafter. Er ist deshalb grds. dem Täterkreis des § 299 Abs. 1 StGB zuzurechnen.[127]
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Die mögliche Strafbarkeit von Gesellschaftern einer GmbHist bisher kaum angesprochen worden; es gelten jedoch die gleichen Erwägungen wie in einer Personengesellschaft:[128] Wird in einer GmbH nur einer von mehreren Gesellschaftern bestochen, fallen sein Interesse und das Unternehmensinteresse – repräsentiert durch die Gesellschaftergesamtheit – auseinander. Hier kommt eine Strafbarkeit nach § 299 Abs. 1 StGB grundsätzlich in Betracht; fraglich ist allerdings, ob ein GmbH-Gesellschafter hinreichenden Einfluss auf die betrieblichen Entscheidungender Gesellschaft hat, um als Beauftragter qualifiziert werden zu können.[129] Insofern ließe sich aber an das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung (vgl. § 37 Abs. 1 GmbHG) anknüpfen. – Entscheidet die Gesellschafterversammlung offen über die Vorteilsannahme, legen die einzelnen Gesellschafter gerade den Unternehmenswillen fest und können sich somit nicht wegen eines Korruptionsdelikts strafbar machen.[130]
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Werden Vermittlerfirmenfür die „Auftragsvermittlung“ eingeschaltet, ist die Tätereigenschaft ihrer Mitarbeiter für die Wettbewerbsvarianten des § 299 StGB problematisch.[131]
Beispiel
Leitende Angestellte eines Abnehmerunternehmens (etwa aus der Automobilbranche) gründen ein selbständiges Vermittlungsunternehmen, dessen Angestellte von potenziellen Lieferanten (etwa Zulieferfirmen) „Vermittlungsprovision“ fordern, von der sie nach Auftragserteilung einen Teil an die Angestellten des Abnehmerunternehmens weiterleiten.
Schon mangels Täterqualität findet § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB auf die für das Vermittlungsunternehmen Handelnden keine Anwendung, weil sie weder Angestellte noch (befugtermaßen tätig werdende) Beauftragte des auftragserteilenden Abnehmerunternehmens sind.[132] Wegen täterschaftlicher Bestechung gem. § 299 Abs. 2 Nr. 1 StGB machen sich die Angestellten der Strohfirma ebenfalls nicht strafbar, weil sie nicht für die Lieferanten und damit als Mitbewerber auftreten, sondern auf der Seite des Abnehmerunternehmens tätig werden.[133] In Betracht kommt daher nur eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zur Bestechlichkeit nach den §§ 299 Abs. 1 Nr. 1, 27 StGB,[134] die freilich voraussetzt, dass die Angestellten des Abnehmerunternehmens eine entsprechende Haupttat begehen. Daran ist zu zweifeln, weil die Angestellten die „Provision“ von den Lieferanten nicht selbst fordern, sondern sich dafür ihrer Mittelsleute aus der Strohfirma bedienen, ohne dass die Voraussetzungen mittelbarer Täterschaft vorliegen.[135]
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Die Praxis hat in jüngerer Zeit weiterhin die Frage beschäftigt, ob Media-Agenturen, die als Vermittler zwischen Werbung treibenden Kunden und den Vermarktern der Werbung (Fernsehsendern bzw. deren Vermarktungsgesellschaften) tätig werden, als Beauftrage (der Werbekunden) i.S.v. § 299 Abs. 1 StGB einzustufen sind. Weil die TV-Vermarkter den Agenturen Rabatte (etwa Anzeigeseiten bzw. Sendezeiten [„Freispots“], Cash-Backs, Bonifikationen) gewährt haben und von diesen teilweise nicht an die Werbekunden weitergeleitet wurden, sind die Agenturen in den Verdacht der Korruption geraten.[136] Zwar können auch freiberuflich Selbständige, die wie die Agenturen bestimmenden Einfluss auf die betrieblichen Entscheidungen ihres Arbeitgebers haben, Beauftragte i.d.S. sein (s. Rn. 21). Media-Agenturen werden im Regelfall[137] aber nicht nur als selbständig Beauftragte tätig, sondern agieren in ihrer Rolle der (Werbe-)Intermediäre mit ihren umfangreichen Leistungen (Markt- und Kundenforschung, Planung und Beratung sowie Platzierung von Anzeigen, Funk- und Fernsehspots, Controlling) auf einer – wie auch der Kartellsenat des BGH anerkennt[138] – eigenständigen Wirtschaftsstufe . Sie sind geschäftsbesorgende Eigenhändler, die im eigenen Namen auf eigene Rechnung handeln, am Markt unternehmerische Risiken tragen[139] und Chancen nutzen.[140] Damit treten sie den auftraggebenden Werbekunden als Geschäftsherrn gegenüber, die nach der klaren gesetzgeberischen Entscheidung nicht unter den Tatbestand des § 299 Abs. 1 StGB fallen.[141]
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Längere Zeit war umstritten, ob niedergelassene Vertragsärzte(früher: Kassenärzte)[142] bei Ausübung der ihnen mit der Zulassung als Vertragsarzt (§ 95 SGB V) gem. § 73 Abs. 2 SGB V übertragenen Aufgaben als Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen handeln. Teile der Literatur[143] und der Rechtsprechung bejahten das.[144] Mit Beschluss vom 29.3.2012hat der Große Senat für Strafsachendann entschieden, dass sie weder als Amtsträger i.S.d. §§ 331 ff. StGB noch als „Beauftragte“ der Krankenkasse (= geschäftlicher Betrieb) i.S.v. § 299 StGB anzusehen sind.[145] Im Fall hatte ein Arzt von einer Pharmareferentin für die Verordnung von Arzneimitteln ihres Anstellungs(hersteller-)unternehmens Prämienzahlungen erhalten, die als Honorar für fiktive wissenschaftliche Vorträge ausgewiesen wurden. Maßgeblich stellt der Große Senat in seiner Begründung auf den Wortsinn des Begriffs „Beauftragter“ ab. Diesem sei immanent, dass der Auftraggeber den Beauftragten frei auswähle und ihn bei der Ausübung seiner Tätigkeit im Sinne eines Über- bzw. Unterordnungsverhältnisses anleite. Von einer freien Auswahl des Vertragsarztes durch die Krankenkasse könne aber nicht die Rede sein, vielmehr habe gem. § 76 SGB V der Patient das Recht, den ihn behandelnden Arzt zu bestimmen. Ferner werde der Vertragsarzt bei der Ausübung seiner Tätigkeit nicht von der Krankenkasse angeleitet, sondern stehe mit ihr in einem gleichgeordneten Kooperationsverhältnis. Gegen die Beauftragtenstellung des Vertragsarztes spreche ferner, dass dieser mit einer Medikamentenverordnung nur beschränkten Einfluss auf den Rechtskreis der Krankenkasse nehmen könne. Seine Entscheidungsmacht sei a priori schon durch die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesauschusses beschränkt, die das Behandlungsspektrum katalogartig festlegen. Selbst wenn der Arzt innerhalb des verbleibenden Spielraums mit einer Medikamentenverordnung bestimmte, dass ein Versicherungsfall vorliegt, entschieden in den meisten Fällen letztlich die Apotheken im Rahmen der sog. aut-idem -Substitution, welches Medikament konkret ausgegeben werde. Die resultierende Vergütungspflicht der Krankenkasse gegenüber der Apotheke sei somit in der Gesamtschau ein bloßer Reflex der ärztlichen Verordnungsentscheidung.[146]
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