16
Den damit angedeuteten Mittelweghat Rogall skizziert.[38] Er verläuft zwischen einem untreuespezifischen Geschäftsherrenmodell auf der einen und einem wettbewerbsspezifischen Geschäftsherrenmodell auf der anderen Seite. In der Sache sind die schon tatbestandlich angelegten Schranken in verfassungsrechtlich gebotener (einschränkender) Manier auszubauen und bei der Auslegung des Pflichtwidrigkeitsmerkmals eine dem Tatbestand des § 299 StGB angemessene faktisch-wirtschaftliche Position einzunehmen. Dies berücksichtigend ist zunächst festzustellen, dass zwar die vom Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz empfohlenen und vom Deutschen Bundestag akzeptierten Tatbestandsergänzungen („ohne Einwilligung des Unternehmens“; Vornahme einer Handlung oder Unterlassung) kaum Einschränkungspotenzial enthalten.[39] Einen gewissen Wettbewerbsbezugerzwingen die Pflichtwidrigkeitsvarianten aber insoweit, als sie ein Täterverhalten „im geschäftlichen Verkehr“ verlangen, das mit „dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen“ verknüpft ist.[40] Ohne dass im Hintergrund Wettbewerb stattfindet, sind diese Voraussetzungen in modernen Marktwirtschaften kaum einzuhalten. Auch wird das Interesse des Vorteilsgebers an der Pflichtverletzung des Agenten regelmäßig ein wirtschaftliches sein, das ihn oder einen Dritten fördert. Bei dieser tatbestandlichen Einbettung ist Rogall zu unterstützen, wenn er zum Rechtsgut präzisierend und in Harmonie mit der geltenden Rechtslage ausführt, „dass es bei dem sog. Geschäftsherrenmodell um den Schutz des Geschäftsherrn vor unlauteren Geschäftspraktiken geht, die seine unternehmerische Entscheidungsfreiheit beeinträchtigen.“[41] Weiter konkretisierend geht es faktisch zumeist um wirtschaftliche Interessen des Geschäftsherrn, die sich in einem wettbewerblichen Umfeld ergeben[42] – und eben nicht nur (eher) um diffuse Loyalitätsinteressen (mit welchem Inhalt auch immer).[43] Damit lässt sich hinsichtlich der Schutzinteressen der Pflichtwidrigkeitsvarianten resümierend feststellen: Primärsind diese auf den Schutz der wirtschaftlichen Interessen des Prinzipalsausgelegt, (abstrakt) mittelbarbezwecken sie aber auch Wettbewerbsschutz(wenngleich weit im Vorfeld konkreter Wettbewerbslagen und tatsächlicher Wettbewerbsverzerrungen).[44] Da für die Tatbestandsverwirklichung auch Vermögensschädigungen (real oder in Form konkreter Vermögensgefährdungen) nicht eingetreten sein müssen, handelt es sich bei den Pflichtwidrigkeitsvariantenebenfalls um abstrakte Gefährdungsdelikte.[45]
II. Tatbestand der passiven Bestechung (§ 299 Abs. 1 StGB)
17
§ 299 Abs. 1 StGB ist ein echtes Sonderdelikt:[46] Der Täterkreis ist in der Wettbewerbs- und auch der Geschäftsherren-/Pflichtwidrigkeitsvariante auf Angestellte und Beauftragte eines Unternehmens beschränkt.[47] Außenstehende können sich nur der Anstiftung oder Beihilfe schuldig machen; bei der Strafzumessung ist in diesem Fall die strafrahmenändernde Vorschrift des § 28 Abs. 1 StGB zu beachten.[48] Auch Selbständige und Geschäftsinhaber (die nicht zugleich Beauftragte eines weiteren Unternehmens sind) [49]können in eigener Person den Tatbestand selbst nicht verwirklichen.[50]
18
Der Begriff des „Unternehmens“ersetzt den zuvor verwendeten Begriff des „geschäftlichen Betriebs“, ohne dass der Gesetzgeber damit inhaltlich etwas korrigieren wollte.[51] Bezweckt war allein eine Anpassung an die redaktionellen Änderungen des UWG v. 3.7.2014 (BGBl. I, 1414) und offenbar auch eine Modernisierung des gesetzlichen Sprachgebrauchs. Damit kann weiter auf die bisherigen Ausführungen zum „geschäftlichen Betrieb“ zurückgegriffen werden kann. Darunter wurde jede auf eine gewisse Dauer angelegte Tätigkeit im Wirtschaftsleben durch Austausch von Leistungen verstanden.[52] Der geschäftliche Betrieb bzw. heute das Unternehmen muss darauf ausgerichtet sein, dauerhaft am Wirtschaftsleben teilzunehmen.[53] Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich; allein dieses weite Verständnis entspricht Art. 2 Abs. 2 Rb 2003/568/JI. Damit kommen auch Einrichtungen mit gemeinnütziger, kultureller und sozialer Zielsetzung in Betracht, wenn sie wirtschaftlich tätig sind;[54] freiberufliche Tätigkeiten (von Ärzten, Rechtsanwälten, Architekten, Steuer-, Wirtschafts- oder Unternehmensberatern etc.) sind jetzt ebenfalls zweifelsfrei einzubeziehen.[55] Auch Behördenkönnen als geschäftliche Betriebe (heute: Unternehmen[56]) anzusehen sein, wenn sie (erwerbswirtschaftlich-)fiskalisch handeln[57] oder wenn sie ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung allgemeine öffentliche Aufgaben insb. im Bereich der Daseinsvorsorge (z.B. Energie-, Wasser- und Abfallentsorgung) erfüllen.[58] Entscheidend ist stets das Vorliegen einer Wettbewerbssituation, d.h., dass die öffentliche Hand und ihre privaten Konkurrenten auf demselben Markt tätig werden und die Nachfrager auf diesem frei wählen können.[59] Rein private Tätigkeit, die sich außerhalb von Erwerbs- und Berufsausübung vollzieht, wird hingegen nicht erfasst;[60] auch Geschäftsbetriebe mit ausschließlich illegaler Tätigkeit (etwa Rauschgifthandel oder Schmuggel) sind keine geschäftlichen Betriebe i.S.d. § 299 StGB,[61] da nur rechtlich zulässiger Wettbewerb schützenswert ist.[62] Der Schutzbereich ist dagegen eröffnet bei einzelnen gesetzeswidrigen Betätigungen (etwa Geldwäsche-Geschäften) innerhalb eines ansonsten legalen Betriebs.[63]
19
Angestellterist, wer in einem Dienst-, Werkvertrags- oder Auftragsverhältnis zum Geschäftsinhaber steht und dessen Weisungen unterworfen ist.[64] Dabei kommt es weder auf die arbeitsrechtliche Einordnung[65] noch auf die zivilrechtliche Wirksamkeit des Verhältnisses an; maßgeblich ist das tatsächliche Tätigwerden.[66] Die Beschäftigung muss weder dauerhaft noch entgeltlich erfolgen;[67] entscheidend für die Verwirklichung des § 299 Abs. 1 StGB in seinen beiden Tatbestandsvarianten ist, dass die Möglichkeit besteht, auf betriebliche Entscheidungen über den Bezug von Waren oder Dienstleistungen Einfluss zu nehmen.[68] Das Angestellten- wie auch das Auftragsverhältnis muss aus Gründen der Koinzidenz im Zeitpunkt der Unrechtsvereinbarung schon oder noch bestanden haben.[69] Der (Fremd-)Geschäftsführer einer GmbHwird ganz überwiegend als Angestellter qualifiziert.[70] Dagegen soll der geschäftsführende Alleingesellschafter einer GmbH– trotz „förmlichen“ Angestelltenverhältnisses – als Täter des § 299 Abs. 1 StGB ausscheiden; er ist – ebenso wie der geschäftsführende Alleingesellschafter einer Ein-Personen-AG[71] – faktisch Geschäftsinhaber.[72] Zwar ist er auch als Alleingesellschafter-Geschäftsführer nach den Regeln des GmbHG formal an die Weisungen der Rechtsperson „GmbH“ gebunden;[73] tatsächlich ist er allerdings – als wirtschaftlicher Eigentümer der GmbH – nicht von fremden Entscheidungen abhängig. Geschäftsführende Vorstandsmitglieder einer AGwerden verbreitet nicht als Unternehmensinhaber, sondern als Angestellte behandelt;[74] überzeugender ist es, sie als Beauftragte einzustufen, da sie weisungsunabhängig agieren (vgl. §§ 76 Abs. 1, 119 Abs. 2 AktG).[75]
20
Verschiedentlich stellt sich die Frage, ob der Mitarbeiter eines geschäftlichen Betriebes nun als Angestellter oderals Amtsträgerzu qualifizieren und dementsprechend sein korruptives Vorgehen nach § 299 StGB, den §§ 331 ff. StGB oder gar nach beiden Varianten zu bestrafen ist.[76] Maßgeblich für die Abgrenzung ist der Begriff des Amtsträgers, wie ihn § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB legaldefiniert; einschlägig ist hier zumeist Nr. 2 c). Amtsträger ist danach, wer „dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform wahrzunehmen“. Der BGH hat zur Bestimmung der Amtsträgereigenschaft i.S. dieser Norm zwei kumulativ zu erfüllende Kriterien entwickelt: Zum einen muss die beauftragende Stelle eine Behörde sein oder als sonstige, nicht öffentlich-rechtlich organisierte[77] Stelle rechtlich und tatsächlich derart staatlicher Steuerung unterliegen, dass sie bei einer Gesamtbewertung gleichsam als „verlängerter Arm des Staates“ erscheint; zum anderen muss die ausgeübte Tätigkeit in der Erfüllung von Aufgaben der öffentliche Verwaltung liegen.[78] Damit verfolgt der BGH in gefestigter Rechtsprechung bei der Bestimmung des Amtsträgerbegriffs eine funktionale Betrachtungsweise .[79] Im Rahmen erwerbswirtschaftlichen (fiskalischen) Handelns können Beamte danach „Angestellte“ i.S.d. § 299 StGB, aber auch Amtsträger sein.[80]
Читать дальше