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Nach § 59 Abs. 3 Nr. 1 LFGB wird bestraft, wer einer unmittelbar geltenden Vorschrift in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft, der Europäischen Union oder der Europäischen Atomgemeinschaft zuwiderhandelt, die inhaltlich einem in Absatz 1 Nr. 1 bis 19 bezeichneten Gebot oder Verbot entspricht, soweit eine Rechtsverordnung nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
b) Verstoß gegen unmittelbar geltende Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder Union, die inhaltlich der Regelung einer Rechtsverordnung nach § 62 LFGB entsprechen
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Nach § 59 Abs. 3 Nr. 2 LFGB wird bestraft, wer einer anderen als in Absatz 2 genannten unmittelbar geltenden Vorschrift in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft, der Europäischen Union oder der Europäischen Atomgemeinschaft zuwiderhandelt, die inhaltlich einer Regelung entspricht, zu der die in
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Absatz 1 Nr. 21 lit. a LFGB genannten Vorschriften ermächtigen, soweit eine Rechtsverordnung nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 LFGB für einen bestimmten Straftatbestand auf diese Strafvorschrift verweist, |
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Absatz 1 Nr. 21 lit. b LFGB genannten Vorschriften ermächtigen, soweit eine Rechtsverordnung nach § 62 Abs. 2 LFGB für einen bestimmten Straftatbestand auf diese Strafvorschrift verweist. |
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§ 59 Abs. 3 Nr. 2 LFGB betrifft unmittelbar geltende Rechtsakte, die nicht von § 59 Abs. 2 LFGB erfasst werden und inhaltlich einer Regelung durch Rechtsverordnung entsprechen, zu der die in § 59 Abs. 1 Nr. 21 LFGB genannten Vorschriften ermächtigen, soweit eine Rechtsverordnung nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 LFGB (§ 59 Abs. 3 Nr. 2a LFGB) oder § 62 Abs. 2 LFGB (§ 59 Abs. 3 Nr. 2 lit. b LFGB) für einen bestimmten Straftatbestand auf diese Strafvorschrift verweist. Von der Möglichkeit solcher Rückverweisungsklauselnhat der Verordnungsgeber in § 3 Abs. 2, § 7 Abs. 1 LMRStV 2006 Gebrauch gemacht.[144] Nach der hier vertretenen Auffassung entsprechen die Rückverweisungsklauseln jedoch nicht den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG und sind deshalb verfassungswidrig ( Rn. 54).
6. Qualifikationstatbestände des § 59 Abs. 4 LFGB
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Im 2. ÄndG wurde mit § 59 Abs. 4 LFGB ein Qualifikationstatbestand geschaffen. Dieser Tatbestand ist im Wesentlichen an die Strafzumessungsregel des § 58 Abs. 5 LFGB angelehnt. § 59 Abs. 4 Nr. 1 LFGBbedroht – anders als die Regelbeispiele mit tatbestandlich zwingender Wirkung – Taten nach § 59 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 10, Abs. 2 Nr. 1 lit. a und 1 lit. b LFGB mit Freiheitstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe, soweit der Täter die Handlung aus grobem Eigennutz( Rn. 263) begeht und für sich oder einen anderen einen Vermögensvorteil großen Ausmaßes( Rn. 264) erlangt.
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Nach § 59 Abs. 4 Nr. 2 LFGBist auch die beharrliche Wiederholungder in § 59 Abs. 1 Nr. 8 und 10, Abs. 2 Nr. 1a lit. a und b LFGB bezeichneten Handlungen mit Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bedroht. Unter der beharrlichen Wiederholung sind in Anlehnung an die beharrliche Zuwiderhandlung in § 184e StGB[145] und die beharrliche Begehung in § 238 StGB fortgesetzte Verstöße gegen die Verbote zum Täuschungsschutz nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 und § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 LFGB und nach Art. 14 Abs. 1 i.V.m. 2 lit. b und Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 2. Spiegelstrich BasisVO zu verstehen, soweit die Begehung in einer Haltung geschieht, die eine gesteigerte Missachtung oder Gleichgültigkeit gegenüber dem Verbot offenbart und daher weitere Wiederholung indiziert.[146]
III. Bußgeldvorschriften des § 60 LFGB
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§ 60 LFGB normiert in seinen Abs. 1-4 lebensmittelrechtliche Ordnungswidrigkeitentatbestände. Dabei folgt § 60 LFGB im Wesentlichen der bereits in den §§ 53, 54 LMBG und § 21 FMG angelegten Systematik, wenn auch die in § 53 Abs. 2 Nr. 2 LMBG noch enthaltene Regelung, wonach bestimmte Verstöße nur bei leichtfertiger Begehung mit Bußgeld bedroht waren, weggefallen ist.[147] § 60 LFGB bedroht nunmehr in Absatz 1 fahrlässiges und in den Absätzen 2 bis 4 vorsätzliches und fahrlässiges Handeln mit Geldbuße.
1. Systematik des § 60 LFGB
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Die in § 60 Abs. 1–4 LFGB enthaltenen Ordnungswidrigkeitentatbestände sind in vier Gruppen gegliedert:
§ 60 Abs. 1 LFGBstellt zunächst die fahrlässigeBegehung von Handlungen unter Bußgeldandrohung, die in § 59 LFGB mit Strafe bedroht sind. Dabei wird in § 60 Abs. 1 Nr. 1 LFGB die fahrlässige Verwirklichung der in § 59 Abs. 1 Nr. 8 und Abs. 2 Nr. 1a lit. a) oder lit. b) LFGB genannten Verstöße mit Geldbuße bis zu 100.000 € bedroht (§ 60 Abs. 5 Nr. 1 LFGB), während die weiteren in § 59 LFGB genannten Handlungen bei Fahrlässigkeit mit Geldbuße bis zu 50.000 € sanktioniert werden können.
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§ 60 Abs. 2 LFGBnormiert eigenständige Sanktionstatbestände wegen Verstößen gegen Ge- und Verbote aus dem LFGB und Rechtsverordnungen, die auf den gesetzlichen Ermächtigungen beruhen. Gegenstand dieser Verstöße sind Futtermittelvorschriften(§ 60 Abs. 2 Nr. 2 bis 13 LFGB), Bestimmungen über Bedarfsgegenstände(§ 60 Abs. 2 Nr. 18 LFGB), über Duldungs-, Organisations-, Mitwirkungs-, Übermittlungs- und Mitwirkungspflichten(§ 60 Abs. 2 Nrn. 19 bis Nr. 23 LFGB). § 60 Abs. 2 Nrn. 24 und 25 LFGB normiert Sanktionen wegen Verletzungen von Verbringungs- und Ausfuhrverboten, und § 60 Abs. 2 Nr. 26 LFGB erfasst Verstöße gegen bestimmte Rechtsverordnungen.[148]
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§ 60 Abs. 3 LFGBstellt in Nr. 1 die Zuwiderhandlung gegen bestimmte Vorgaben der BasisVO,in Nr. 2 Verstöße gegen Art. 19 VO (EG) 396/2005und in Nr. 3 spezifische Zuwiderhandlungen gegen die KunststoffVO EU Nr. 10/2010 unter Sanktionsdrohung.
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§ 60 Abs. 4 LFGBbeinhaltet eine mit den § 58 Abs. 3 und § 59 Abs. 3 LFGB vergleichbare Rückverweisungsklausel für Verstöße gegen Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Union, die inhaltlich mit dem deutschen Recht übereinstimmen (vgl. Rn. 49 ff.).
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Soweit in einigen Rückverweisungsklauseln eine Trennung der Verstöße gegen Rechtsverordnungen in lit. a und lit. b vorgenommen wird (§ 60 Abs. 2 Nr. 26, Abs. 4 LFGB), erklärt sich dies aus der unterschiedlichen Bemessung der Geldbußen in § 60 Abs. 5 LFGB.
2. Schutzgüter des § 60 LFGB
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Die Rechtsgüter, die von § 60 LFGB geschützt werden, sind vielfältig. Neben den bereits von § 59 LFGB geschützten Interessen, die durch § 60 Abs. 1 LFGB bei fahrlässigem Verhalten sanktioniert werden, handelt es sich bei den Schutzgütern der § 60 Abs. 2–4 LFGB um die Rechtsgüter Gesundheit von Menschen, wobei hier der Schutz weit vorverlagert wird, Gesundheit von Tieren, Sicherung der Qualität von Nutztieren gewonnener Produkte, den Naturhaushalt, die Information des Verbrauchersund die effektive Lebensmittelüberwachung. Manche Vorschriften, wie z.B. § 60 Abs. 2 Nr. 6 LFGB, der die Richtlinie 82/471/EWG des Rates vom 30. Juni 1982 über bestimmte Erzeugnisse für die Tierernährung umsetzt, sollen auch mehrere Rechtsgüter, in diesem Fall die Gesundheit von Menschen und Tieren, schützen. Damit dienen das Lebensmittelrecht und auch das Lebensmittelstrafrecht dem spezifischen Umwelt- und Tierschutz.
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