373
Nach Art. 8 Abs. 1 Health-Claims-VOdürfen nährwertbezogene Angaben nur dann verwendet werden, wenn sie im Anhang der Verordnung aufgeführt sind und den in der Verordnung festgelegten Bedingungen entsprechen. Das bedeutet, dass die Verwendung einer Bezeichnung eines Lebensmittels in anderer Weise, als dies im Anhang beschrieben ist – etwa als zuckerarm, zuckerfrei, hoher Ballaststoffgehalt etc. –, das Verbot des Art. 8 Abs. 1 VO (EG) 1924/2006 verletzt. Strafrechtlich problematischerscheint die Formulierung im 2. HS, dass die nährstoffbezogenen Angaben zudem „den in dieser Verordnung festgelegten Bedingungen entsprechen“ müssen. Nimmt man den Verweis des § 59 Abs. 2 Nr. 3 lit. d LFGB auch auf diesen Teil der Vorschrift des Art. 8 Abs. 1 VO EG 1924/2006 ernst, so führt dies zu einer umfassenden Strafbarkeit aller Verstöße gegen die Vorgaben zur Kennzeichnung oder Werbung, die letztlich die § 59 Abs. 2 Nr. 3 lit. a–c LFGB überflüssig machen. Daher ist die Verweisung des § 59 Abs. 2 Nr. 3d LFGB dahingehend auszulegen, dass lediglich auf den Satz 1 des Art. 8 Abs. 1 der Health-Claims-VO Bezug genommen wird.[139]
374
Nach § 59 Abs. 2 Nr. 3 lit. d LFGB wird bestraft, wer nährwertbezogene Angaben bei der Kennzeichnung oder Aufmachung eines Lebensmittels oder bei der Werbung verwendet, die nicht im Anhang aufgeführt sind und den in dieser Verordnung festgelegten Bedingungen entsprechen.
ee) Verwendung unzulässiger vergleichender Angaben zum Nährwert von Lebensmitteln (§ 59 Abs. 2 Nr. 3 lit. e LFGB)
375
Art. 9 Health-Claims-VObestimmt, dass vergleichende Angabenzu Lebensmitteln nur eingeschränkt zulässig sind. Im Gegensatz zur vergleichenden Werbung ist Gegenstand der vergleichenden nährwertbezogenen Angaben nicht der Vergleich mit Konkurrenzprodukten, sondern allgemein die Auslobung eines höheren oder niedrigeren Nährstoffgehalts, Brennwerts oder Gehalts an sonstigen Substanzen. Eine vergleichende Angabe kann jedoch auch in der Nennung absoluter Werte liegen, etwa wenn schlicht die Gehalte bestimmter Substanzen des beworbenen und eines anderen Produkts gegenübergestellt werden.[140]
376
Nach § 59 Abs. 2 Nr. 3 lit. e LFGB wird bestraft, wer vergleichende nährwertbezogene Angaben bei der Kennzeichnung oder Aufmachung eines Lebensmittels oder bei der Werbung verwendet, bei denen nicht die Zusammensetzung des betreffenden Lebensmittels mit derjenigen einer Reihe von Lebensmitteln derselben Kategorie – darunter auch Lebensmittel anderer Marken – verglichen werden, deren Zusammensetzung die Verwendung der Vergleichsangabe nicht erlaubt.
ff) Verwendung unzulässiger nährwertbezogener Angaben zu Lebensmitteln (§ 59 Abs. 2 Nr. 3 lit. f LFGB)
377
Art. 10 Abs. 1 Health-Claims-VObeinhaltet zunächst das grundlegende Verbot, Angaben zu verwenden, die nicht den Vorgaben des Kapitels II entsprechen. Dieser Verweis ist problematisch, weil er auch Art. 3 Abs. 1 Health-Claims-VO einschließt, der allgemein das Inverkehrbringen von Lebensmitteln verbietet, die nicht der Verordnung entsprechen. Dieses generelle Verbot mit Strafe zu bewehren kann nicht im Interesse des Gesetzgebers sein, weil es alle anderen Strafvorschriften des § 59 Abs. 2 Nr. 3 LFGB obsolet machen würde. Daher ist der Verweis auf diesen Teil von Art. 10 Abs. 1 Health-Claims-VO als strafrechtlich irrelevant zu betrachten. Das darüberhinausgehende Verbot des Art. 10 Abs. 1 Health-Claims-VO betrifft die Verletzung der Vorschriften des IV Kapitels und die Verwendung nicht gelisteter Zutaten. Art. 10 Abs. 2 Health-Claims-VObenennt Einzelverbote für die Verwendung von Kennzeichnungen und Aufmachungen, die strafbewehrt sind.[141]
378
Nach § 59 Abs. 2 Nr. 3 lit. f 1. Var. LFGB wird bestraft, wer gesundheitsbezogene Angaben bei der Kennzeichnung oder Aufmachung eines Lebensmittels oder bei der Werbung verwendet, sofern sie nicht den speziellen Anforderungen von Kapitel IV der Health-Claim-VO entsprechen, gemäß dieser Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Artikeln 13 und 14 Health-ClaimVO aufgenommen sind (Art. 10 Abs. 1 Health-Claims-VO).
379
Nach § 59 Abs. 2 Nr. 3 lit. f 2. Var. LFGB wird bestraft, wer gesundheitsbezogene Angaben bei der Kennzeichnung oder Aufmachung eines Lebensmittels oder bei der Werbung verwendet und die die Kennzeichnung oder, falls diese Kennzeichnung fehlt, die Aufmachung der Lebensmittel und die Lebensmittelwerbung nicht folgende Informationen nach Art. 10 Abs. 2 Health-Claims-VO tragen:
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einen Hinweis auf die Bedeutung einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung und einer gesunden Lebensweise, |
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Informationen zur Menge des Lebensmittels und zum Verzehrmuster, die erforderlich sind, um die behauptete positive Wirkung zu erzielen, |
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gegebenenfalls einen Hinweis an Personen, die es vermeiden sollten, dieses Lebensmittel zu verzehren, und |
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einen geeigneten Warnhinweis bei Produkten, die bei übermäßigem Verzehr eine Gesundheitsgefahr darstellen könnten. |
380
Nach § 59 Abs. 2 Nr. 3 lit. f 3. Var. LFGB wird bestraft, wer bei der Kennzeichnung oder Aufmachung eines Lebensmittels oder bei der Werbung Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden verwendet, denen nicht eine in einer der Listen nach Artikel 13 oder 14 enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist (Art. 10 Abs. 3 Health-Claims-VO).
gg) Verwendung unvollständiger, inhaltsleerer gesundheitsbezogener Angaben zu Lebensmitteln (§ 59 Abs. 2 Nr. 3 lit. g LFGB)
381
Art. 12 Health-Claims-VOsoll den Verbraucher davor schützen, dass der Unternehmer bei ihm Ängste um seine Gesundheit weckt, um ein Lebensmittel zu verkaufen.[142]
382
Nach § 59 Abs. 2 Nr. 3 lit. g LFGB wird bestraft, wer gesundheitsbezogene Angaben bei der Kennzeichnung oder Aufmachung eines Lebensmittels oder bei der Werbung verwendet, die den Eindruck erwecken, durch Verzicht auf das Lebensmittel könnte die Gesundheit beeinträchtigt werden, die Aussagen über Dauer und Ausmaß der Gewichtsabnahme treffen oder Angaben, die auf Empfehlungen von einzelnen Ärzten oder Vertretern medizinischer Berufe und von Vereinigungen verweisen, die nicht in Artikel 11 Health-Claims-VO genannt werden.
5. Strafbarkeit der Verletzung von in § 59 Abs. 2 LFGB nicht genannten unmittelbar geltenden gemeinschafts- und unionsrechtlichen Verboten (§ 59 Abs. 3 LFGB)
a) Rechtsakte der Union, die inhaltlich einem Verbot der § 59 Abs. 1 Nr. 1–19 LFGB entsprechen (§ 59 Abs. 3 Nr. 1 LFGB)
383
§ 59 Abs. 3 Nr. 1 LFGBbetrifft Fälle, in denen das Gemeinschafts- oder Unionsrecht Vorschriften beinhaltet, die den in § 59 Abs. 1 Nr. 1–19 LFGB bezeichneten Verboten inhaltlich entsprechen, soweit eine Rechtsverordnung nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 LFGB für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist; so etwa in § 6 Abs. 4 Aromenverordnung (AromenV).[143] Solche Rückverweisungsklauselnsind nach der hier vertretenen Auffassung verfassungsrechtlich nicht haltbar ( Rn. 54), so dass eine Bestrafung auf Grundlage dieser Vorschrift nicht in Betracht kommen kann.
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