365
§ 59 Abs. 2 Nr. 3 lit. a bis g LFGB nimmt Bezug auf eine Reihe von Vorschriften der Health-Claims-VOüber nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben zu Lebensmitteln, die den Verbraucher vor Fehlinformationen durch Lebensmittelunternehmer schützen sollen. Auch wenn die Regelungen der Health-Claims-VO gesundheitsbezogene Angaben auf Lebensmitteln regeln und deshalb Gesundheitsschutzaspekte berücksichtigen, dienen diese Bestimmungen vornehmlich dazu, eine suggestive Beeinflussung der Verbraucher dahingehend zu verhindern, dass sie eine gesunde Ernährung zugunsten „krankheitsabwehrender Lebensmittel“ vernachlässigen. Hinsichtlich der Details der hochkomplexen und z.T. missverständlichen Vorschriften der Health-Claims-VO, auf die § 59 Abs. 2 Nr. 3 LFGB Bezug nimmt, kann hier nur auf die Spezialkommentierungen zu den jeweiligen Vorschriften verwiesen werden.[133] Hervorzuheben ist jedoch, dass der EuGH zur Auslegung von Art. 2 Abs. 2 Nr. 6 Health-Claims-VO ausgeführt hat, eine gesundheitsbezogene Aussageliege nicht nur dann vor, wenn sie ausdrücklich erfolgt; es reiche vielmehr aus, wenn die Aussage mittelbar oder durch eine Suggestion erfolgt.[134] Gesundheitsbezogen ist eine Aussage, wenn mit ihr erklärt wird, es bestehe ein Zusammenhang zwischen einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile und der Gesundheit.[135]
366
Als Tathandlungkommt das Verwendender fraglichen Angaben bei der Kennzeichnung oder Aufmachung der Lebensmittel, die in Verkehr gebracht werden, oder auch in der Werbung ( Rn. 67) in Betracht. Dabei ergibt sich aus Erwägungsgrund 1 der Verordnung, dass die darin getroffenen Bestimmungen dazu dienen, dem Verbraucher ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten, ihm die Wahl des richtigen Lebensmittels zu erleichtern und Täuschungen über positive Eigenschaften von Lebensmitteln zu verhindern.
aa) Täuschende nährwert- oder gesundheitsbezogene Angaben zu Lebensmitteln (§ 59 Abs. 2 Nr. 3 lit. a LFGB)
367
Art. 3 UAbs. 2 Health-Claims-VOverbietet grundsätzlich und allgemein nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben zu Lebensmitteln, die
– |
(a) falsch, mehrdeutig oder irreführend sind; |
– |
(b) Zweifel über die Sicherheit und/oder die ernährungsphysiologische Eignung anderer Lebensmittel wecken; |
– |
(c) zum übermäßigen Verzehr eines Lebensmittels ermutigen oder diesen wohlwollend darstellen; |
– |
(d) erklären, suggerieren oder auch nur mittelbar zum Ausdruck bringen, dass eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung generell nicht die erforderlichen Mengen an Nährstoffen liefern kann, oder |
– |
(e) auf Veränderungen bei Körperfunktionen Bezug nehmen, die beim Verbraucher Ängste auslösen oder aus bereits vorhandenen Ängsten Nutzen ziehen könnten.[136] |
368
Nach § 59 Abs. 2 Nr. 3 lit. a LFGB wird bestraft, wer nährwert- oder gesundheitsbezogene Angaben bei der Kennzeichnung oder Aufmachung eines Lebensmittels oder bei der Werbung verwendet, die falsch, mehrdeutig oder irreführend sind.
bb) Gesundheitsbezogene Angaben auf Getränken mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 ‰ (§ 59 Abs. 2 Nr. 3 lit. b LFGB)
369
Nach Art. 4 Abs. 3 Health-Claims-VOist es verboten, Getränke, die einen Alkoholgehalt von mehr als 1,2 ‰ aufweisen, mit gesundheitsbezogenen Angaben zu versehen. Bei diesen Getränken sind nur nährwertbezogene Angaben zulässig, die den geringen oder reduzierten Alkohol sowie reduzierten Brennwert ausweisen.[137] Daher hat der BGH am 17.5.2018 (I ZR 252/16) die Bezeichnung eines Bieres als „bekömmlich“ für unzulässig erklärt.
370
Nach § 59 Abs. 2 Nr. 3 lit. b LFGB wird bestraft, wer nährwert- oder gesundheitsbezogene Angaben bei der Kennzeichnung oder Aufmachung eines Lebensmittels oder bei der Werbung verwendet, die gesundheitsbezogene Angaben Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent beinhalten.
cc) Verwendung wissenschaftlich unseriöser nährwert- oder gesundheitsbezogene Angaben zu Lebensmitteln (§ 59 Abs. 2 Nr. 3 lit. c LFGB)
371
Nach Art. 5 Health-Claims-VOdürfen nur nährwert- oder gesundheitsbezogene Angaben zu Lebensmitteln gemacht werden, wenn sichergestellt ist, dass es sich um wissenschaftlich belegteund seriöse Angabenüber die Wirkungsweise bestimmter Stoffe in Lebensmitteln oder über die Wirkungsweise der in dem konkret beworbenen oder ausgezeichneten Lebensmittel handelt. Außerdem untersagt Art. 5 Abs. 2 Health-Claims-VOdem Unternehmer die Verwendung „ nährwert- oder gesundheitsbezogene Angaben , wenn vom durchschnittlichen Verbraucher“ nicht „erwartet werden kann, dass er die positive Wirkung, wie sie in der Angabe dargestellt wird, versteht “.[138] Insofern gilt das europäische Verbraucherleitbild ( Rn. 7).
372
Nach § 59 Abs. 2 Nr. 3 lit. c LFGB wird bestraft, wer nährwert- oder gesundheitsbezogene Angaben bei der Kennzeichnung oder Aufmachung eines Lebensmittels oder bei der Werbung verwendet, soweit
– |
nicht anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Erkenntnisse nachgewiesen ist, dass das Vorhandensein, das Fehlen oder der verringerte Gehalt des Nährstoffs oder der anderen Substanz, auf die sich die Angabe bezieht, in einem Lebensmittel oder einer Kategorie von Lebensmitteln eine positive ernährungsbezogene Wirkung oder physiologische Wirkung hat (Art. 5 Abs. 1 lit. a Health-Claims-VO), |
– |
der Nährstoff oder die andere Substanz, für die die Angabe gemacht wird, – im Endprodukt in einer gemäß dem Gemeinschaftsrecht signifikanten Menge oder, wo einschlägige Bestimmungen nicht bestehen, in einer Menge vorhanden ist, die nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Nachweisen nicht geeignet ist, die behauptete ernährungsbezogene Wirkung oder physiologische Wirkung zu erzielen (Art. 5 Abs. 1 lit. b i) Health-Claims-VO) oder – nicht überhaupt nicht oder nicht in einer verringerten Menge vorhanden ist, die nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Nachweisen geeignet ist, die behauptete ernährungsbezogene Wirkung oder physiologische Wirkung zu (Art. 5 Abs. 1 lit. b ii) Health-Claims-VO) erzielen, |
– |
der angegebene oder beworbene Nährstoff oder die andere Substanz, auf die sich die Angabe bezieht, nicht in einer Form vorliegt, die für den Körper verfügbar ist (Art. 5 Abs. 1 lit. c Health-Claims-VO), |
– |
die Menge des Produkts, deren Verzehr vernünftigerweise erwartet werden kann, nicht eine gemäß dem Gemeinschafts-/Unionsrecht signifikante Menge des Nährstoffs oder der anderen Substanz liefert, auf die sich die Angabe bezieht, oder, wo einschlägige Bestimmungen nicht bestehen, eine signifikante Menge, die nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Nachweisen geeignet ist, die behauptete ernährungsbezogene Wirkung oder physiologische Wirkung zu erzielen (Art. 5 Abs. 1 lit. d Health-Claims-VO) oder |
– |
nährwertbezogene Angaben verwendet werden, wenn vom durchschnittlichen Verbraucher nicht erwartet werden kann, dass er die positive Wirkung, wie sie in der Angabe dargestellt wird, versteht (Art. 5 Abs. 1 Nr. 2 Health-Claim-VO). |
dd) Verwendung nicht zugelassener nährwertbezogener Angaben zu Lebensmitteln (§ 59 Abs. 2 Nr. 3 lit. d LFGB)
Читать дальше