202
Der Schutz des Verbrauchers vor Gesundheitsschäden setzt normale Bedingungen der Verwendungsowie die Beachtung der zugänglichen Informationenvoraus. Wenn der Verbraucher sich selbst gefährdet, indem er Lebensmittel im Übermaß konsumiert oder bei ungewöhnlichem Konsum die Gefahren für seine Gesundheit nicht beseitigt, greift der lebensmittel(straf)rechtliche Gesundheitsschutz nicht ein. Hier kommt das Prinzip der Selbstverantwortungzum Tragen, das der Strafbarkeit Grenzen setzt.[28]
dd) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Eignung zur Gesundheitsschädigung
203
Die Eignung zur Gesundheitsschädigung muss grundsätzlich bei Begehung der Tat, also zum Zeitpunkt nach dem Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen des Tatobjekts, vorliegen. Hier besteht jedoch die Besonderheit, dass die Eignung eine Prognoseentscheidung erfordert, in welchem Zustand das Lebensmittel bei der Aufnahme durch den Verbrauchersein wird. Wenn ein Lebensmittel sich bereits in einem Zustand innerer Zersetzung befindet, der Genuss jedoch noch gesundheitlich ungefährlich ist und erst zu einem späteren Zeitpunkt wegen fortschreitender Zersetzung eine Gesundheitsgefährdung eintreten kann, fehlt es zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens an der Eignung zur Gesundheitsschädigung; es liegt lediglich Verzehrungeeignetheiti.S.d. Art. 14 Abs. 2 lit. b BasisVO vor, so dass sich die Strafbarkeit aus § 59 Abs. 2 Nr. 1a lit. a LFGB ergibt ( Rn. 362 f.). Wenn der Zersetzungsprozess jedoch vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums zur Gesundheitsschädigung führen kann, ist das Lebensmittel zum Zeitpunkt des Verkaufs zur Schädigung der Gesundheit geeignet.
2. Strafbewehrung nationaler lebensmittelrechtlicher Verbote durch § 58 Abs. 1 LFGB
204
§ 58 Abs. 1 LFGB verweist auf Verbotsnormen des nationalen Rechts, die das Inverkehrbringen, Herstellen und Behandeln zur Gesundheitsschädigung geeigneter Lebensmittel, Futtermittel, kosmetische Mittel und Bedarfsgegenstände (näher dazu Rn. 206 ff.) betreffen.
205
§ 58 Abs. 1 LFGBdroht Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe für vorsätzliche Verstöße gegen Vorschriften des LFGB und Vorschriften in Rechtsverordnungen, die auf Ermächtigungsnormen des LFGB beruhen, an. Alle Straftatbestände betreffen Verstöße gegen Vorschriften zum Schutz der menschlichen Gesundheitvor naheliegenden Gefahren. Innerhalb des § 58 Abs. 1 LFGBwird zwischen Vorschriften, die sich auf Lebensmittel (§ 2 Abs. 2 LFGB), Futtermittel (§ 2 Abs. 3 LFGB), kosmetische Mittel (§ 2 Abs. 5 LFGB) und auf Bedarfsgegenstände (§ 2 Abs. 6 LFGB) beziehen, differenziert. Der Gesetzgeber hat das Recht der Tabakerzeugnisseim Einklang mit Art. 2 Abs. 2 lit. f BasisVO nicht in das LFGB aufgenommen, sondern eigenständig im Tabakerzeugnisgesetz (TabakErzG)[29] geregelt.
a) Strafbewehrte Verstöße gegen Vorschriften, die sich auf Lebensmittel beziehen (§ 58 Abs. 1 Nr. 1–7 LFGB)
206
Die in § 58 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 LFGBgeregelten Straftatbestände betreffen Verstöße gegen die Verbote der §§ 5, 10, 13 LFGB, die sich auf Lebensmittelnach § 2 Abs. 2 LFGB oder auf Stoffe oder Produkte, die als Lebensmittel in Verkehr gebracht werden, beziehen.
aa) Verstöße gegen § 5 LFGB: gesundheitsschädliche Lebensmittel
207
Nach § 58 Abs. 1 Nrn. 1–3 LFGB werden Verstöße gegen die Verbote nach § 5 LFGBbzgl. gesundheitsschädlicher Lebensmittelnbestraft. § 5 LFGB hat ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfs[30] den Regelungsgehalt von § 8 LMBG übernommen, die Vorschrift jedoch den Vorgaben des Europarechts, also insbesondere Art. 14 BasisVO, angepasst.[31]
208
Nach § 58 Abs. 1 Nr. 1 LFGB wird bestraft, wer Lebensmittel für andere derart herstellt oder behandelt , dass der Verzehr dieser Erzeugnisse im Sinne des Art. 14 Abs. 2 lit. a BasisVO gesundheitsschädlich ist.
209
Nach § 58 Abs. 1 Nr. 2 LFGB wird bestraft, wer Stoffe, die keine Lebensmittel sind und deren Verzehr im Sinne des Art. 14 Abs. 2 lit. a BasisVO gesundheitsschädlich ist, als Lebensmittel in den Verkehr bringt .
210
Nach § 58 Abs. 1 Nr. 3 LFGB wird bestraft, wer mit Lebensmitteln verwechselbare Produkte i.S.d. § 3 Nr. 9 LFGB für andere herstellt , behandelt oder in den Verkehr bringt .
bb) Verstöße gegen § 10 LFGB: Stoffe mit pharmakologischer Wirkung
211
Nach § 58 Abs. 1 Nr. 4 bis 6 LFGBwerden Verstöße gegen § 10 LFGB, ggf. auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung, unter Strafandrohung gestellt. Hierbei geht es um den Missbrauch von Stoffen mit pharmakologischer Wirkungbei Tieren, die zur Lebensmittelgewinnung dienen, z.B. durch den rücksichtslosen Umgang mit unzulässigen Masthilfen wie Hormonen und Tierarzneimitteln.[32] Damit beziehen sich die Straftatbestände auf von Tieren gewonnene Lebensmittel oder lebende Tiere in oder auf denen Stoffe mit pharmakologischer Wirkung oder deren Umwandlungsprodukte vorhanden sind. Zuführeni.S.d. § 10 Abs. 3 Nr. 1 LFGB meint das Einbringen eines Stoffes in den Körper des Tieres durch Verfüttern, Tränken, Spritzen etc.[33]
212
Im 2. ÄndG ist die Ausrichtung des § 10 LFGB grundlegend geändert worden. § 10 Abs. 1 S. 1 LFGB normiert nun ein allgemeines Verkehrsverbot für vom Tier gewonnene Lebensmittel, die mit pharmakologisch wirksamen Stoffen belastet sind. § 10 Abs. 1 S. 2 LFGB sieht Ausnahmen von diesem Verbot vor, wenn gesetzlich festgesetzte Höchstmengen nicht überschritten werden, es sich um Stoffe handelt, für die eine Festlegung von Höchstmengen nicht erforderlich ist, oder wenn gesetzliche Referenzwerte unterschritten werden. Damit wird ein grundsätzliches Verkehrsverbot (Verbotsprinzip) statuiert, während nach der früheren Gesetzeslage die verbotenen Stoffe enumerativ aufgezählt waren, das Verkehrsverbot also die Ausnahme war. § 10 Abs. 2 LFGB wurde im Rahmen des 2. ÄndG ebenfalls geändert. Neben einer Anpassung der Verweisungen auf die im Jahre 2010 in Kraft getretene EU-Verordnung Nr. 37/2010 wurde das Verbot des Inverkehrbringens von Tieren, an die grundsätzlich spezifisch zugelassene Futtermittelzusatzstoffe in nicht zugelassenen Gehalten verfüttert worden sind (vgl. § 10 Abs 2 Nr. 3b LFGB a.F.), aufgehoben. Ein Mangel an Verbraucherschutz dürfte hier jedoch im Hinblick auf die Höchstmengenregelungen des § 10 Abs. 1 LFGB nicht entstehen. Im Übrigen wirkt sich die Neuregelung des LFGB auf die Nrn. 4 und 5 des § 58 Abs. 1 LFGB aus.
213
Nach § 58 Abs. 1 Nr. 4 1. Var. LFGB wird bestraft, wer von einem Tier gewonnene Lebensmittel in den Verkehr bringt , obwohl in oder auf diesen Stoffe mit pharmakologischer Wirkung oder deren Umwandlungsprodukte vorhandenen sind, es sei denn, dass die unions-/gemeinschaftsrechtlich festgelegten Grenzwerte ( § 10 Abs. 1 S. 2 LFGB ) nicht überschritten werden oder Ausnahmen zugelassen sind.
214
Nach § 58 Abs. 1 Nr. 4 2. Var. LFGB wird bestraft, wer andere als vom Tier gewonnene Lebensmittel, die durch eine Rechtsverordnung nach § 10 Abs. 4 Nr. 2 LFGB diesen gleichgestellt sind oder von einem Tier, dem zugelassene Tierarzneimittel zugeführt worden sind, gewonnene Lebensmittel unter Verletzung der nach einer Rechtsverordnung gem. § 10 Abs. 3 Nr. 2 LFGB vorgeschriebenen Wartezeiten in den Verkehr bringt.
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