BayVGH LRE 65, 38, 41 f. (Rn. 13); vgl. auch VG Aachen v. 4.2.2013, 7 L 569/12, GR 2013, 2641.
[409]
VGH Baden-Württemberg ZLR 2013, 212, 220 f. m. Anm. Riemer .
[410]
OVG NRW NVwZ-RR 2013, 627 ff., m. Anm. Becker ZLR 2013, 496 ff.; VG Minden v. 8.4.2013, 7 L 157/13.
[411]
VGH Baden-Württemberg ZLR 2013, 212, 218 f.; VG Minden v. 8.4.2013, 7 L 157/13 (juris).
[412]
So Elsing / Rosenow ZLR 2013, 240 ff.
[413]
Vgl. Maschke Der Lebensmittelkontrolleur 2/2013.
[414]
NJW 2018, 2109, 2112.
[415]
BT-Drucks. 19/4726.
[416]
BT-Drucks. 19/8349.
2. Teil Verbraucherschutz› 2. Kapitel Lebensmittelstrafrecht› B. Überblick über die Straf- und Bußgeldtatbestände des LFGB
B. Überblick über die Straf- und Bußgeldtatbestände des LFGB
I. § 58 LFGB als Strafvorschrift zum Schutz der individuellen und öffentlichen Gesundheit
185
Den unmittelbaren Schutz der menschlichen Gesundheit durch Lebensmittelstrafrecht soll im Wesentlichen die Vorschrift des § 58 LFGB gewährleisten. Daher sind die dort benannten Taten mit einer Höchstfreiheitsstrafe von drei Jahrenfür vorsätzliches Handeln und das fahrlässige Handeln in den Fällen Abs. 1, 2 und 3 mit einer Höchstfreiheitsstrafe von bis zu einem Jahr (§ 58 Abs. 6 LFGB) bedroht.[1]
1. Schutz der menschlichen Gesundheit als geschütztes Rechtsgut
186
Die Straftatbestände des § 58 LFGB nehmen nationale und gemeinschafts-/unionsrechtliche Verbotsnormen im Wege der Blankettverweisung ( Rn. 39 ff.) in Bezug, die dem Schutz der menschlichen Gesundheitdienen. Dabei geht es jedoch nicht allein um den Schutz der Gesundheit jedes Individuums[2], sondern auch um den Schutz der öffentlichen Gesundheit( „Volksgesundheit“ ).[3] Dieser überindividuelle Bezug des Rechtsguts hat zur Folge, dass über den Strafrechtsschutz nicht durch Einwilligung der betroffenen Verbraucher verfügt werden kann; das Schutzgut des § 58 LFGB ist nicht disponibel.[4] Ferner führt diese Schutzgutbestimmung dazu, dass Verletzungen des § 58 LFGB gegenüber Straftaten nach §§ 223 ff. StGB nicht im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurücktreten.
a) Vorgaben der BasisVO und des LFGB für den Gesundheitsschutz
187
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 LFGB ist es Zweck des LFGB, „bei Lebensmitteln, Futtermitteln, kosmetischen Mitteln und Bedarfsgegenständen den Schutz der Verbraucher durch Vorbeugung gegen eine oder Abwehr einer Gefahr für die menschliche Gesundheit sicherzustellen“ . Der Begriff der Gesundheitwird dabei in Anlehnung an die Definition der WHO[5] weit ausgelegt und umfasst nicht nur die Freiheit von Krankheiten, sondern beinhaltet auch das geistige und psychische,[6] nicht hingegen das soziale oder spirituelle Wohlbefinden. Damit reicht der Schutzbereich des § 58 LFGB weiter als der Schutz der körperlichen Unversehrtheit durch die §§ 223 ff. StGB. Erfasst werden bereits Gefahren im Vorfeld des klassischen Schutzes von Leib und Leben.
188
Mit Art. 1 Abs. 1will die BasisVOdie „Grundlage für ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit des Menschen und die Verbraucherinteressen bei Lebensmitteln unter besonderer Berücksichtigung der Vielfalt des Nahrungsmittelangebots, einschließlich traditioneller Erzeugnisse [schaffen], wobei ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts gewährleistet wird“ .[7] Diese Beschreibung des Anwendungsbereichs und die Konkretisierung der Zielsetzungen der BasisVO werden zum Teil als politische Floskel ohne materiellen Gehalt betrachtet, die ein absolut gültiges Schutzniveau nicht bestimmen könne.[8] Maßgebend seien daher allein die Vorgaben des Art. 14 BasisVO für die Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit. Dem ist zu widersprechen: In der Zielbestimmung von Art. 1 Abs. 1 BasisVO kommt zum einen eine Akzentverschiebung hin zu einer ganzheitlichen Betrachtung des Lebensmittelrechts zum Ausdruck, zum anderen wird dem Gesundheitsschutz absolute Priorität eingeräumt. Dies spiegelt sich auch in dem Ansatz zur Neubewertung der Risiken mit der Betonung des Vorsorgeprinzips(vgl. Rn. 33) wider.[9] Dies ist der entscheidende Grund dafür, dass der Gesundheitsschutznicht in Anlehnung an die Strafvorschriften der §§ 223 ff. StGB, sondern eigenständigzu bestimmen ist (näher dazu Rn. 193 ff.), mit der Folge, dass der strafrechtliche Schutz gegenüber §§ 223 ff. StGB erheblich ausgeweitet wird.
189
Nach Art. 14 Abs. 2 lit. a BasisVOgelten Lebensmittel als nicht sicher, wenn davon auszugehen ist, dass sie gesundheitsschädlich sind. Art. 14 Abs. 3 BasisVObestimmt ferner, dass bei der Entscheidung der Frage, ob ein Lebensmittel sicher ist, die normalen Bedingungen seiner Verwendung durch den Verbraucher auf allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen sowie die dem Verbraucher vermittelten Informationen einschließlich der Angaben auf dem Etikett oder sonstige in normaler Weise zugängliche Informationen über die Vermeidung bestimmter die Gesundheit beeinträchtigenden Wirkungen eines bestimmten Lebensmittels oder einer bestimmten Lebensmittelkategorie zu berücksichtigen sind. Im Hinblick auf diese europarechtlichen Vorgaben für die Auslegung kann davon ausgegangen werden, dass gesundheitsschädliche Lebensmittel nicht als unsicher gelten, wenn sie so gekennzeichnetsind, dass nicht mehr mit dem Verzehr oder einem anderen gesundheitsschädlichen Kontakt des Verbrauchers oder in der Handelskette gerechnet werden muss, sie also letztlich nicht als Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden.[10]
190
Bei der Feststellung der Gesundheitsschädlichkeitsind gemäß Art. 14 Abs. 4 BasisVOdie wahrscheinlichen sofortigen und/oder kurzfristigen Auswirkungen des Lebensmittels auf die Gesundheit der Verbraucher ebenso zu berücksichtigen wie die wahrscheinlichen kumulativen toxischen Auswirkungen und die besondere gesundheitliche Empfindlichkeit einer bestimmten Verbrauchergruppe, falls das Lebensmittel für diese Gruppe bestimmt ist.
b) Ausgestaltung der Strafvorschriften als potenzielle Gefährdungsdelikte
191
Die Gesundheitsschädlichkeit ist i.S. eines vorbeugenden Gesundheitsschutzeszu bestimmen. Sie liegt bereits dann vor, wenn die Eignung zur Schädigung der Gesundheitgegeben ist.[11] Auf die Herbeiführung einer konkreten Gefahr für die Gesundheit konkreter Verbraucher kommt es nicht an. Insofern handelt es sich unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgutsbeeinträchtigung um abstrakte Gefährdungsdelikte, deren Schaffung die Annahme zugrunde liegt, dass auf Grund empirischer Erfahrungen davon auszugehen ist, dass eine Verhaltensweise typischerweise eine Gefährdung für ein Rechtsgut darstellt, die nicht hingenommen werden darf und aus diesem Grund auch dann verboten werden muss, wenn im konkreten Fall keine Rechtsgutsgefährdung droht.[12] Dadurch werden Handlungen erfasst, die im Vorfeld konkreter Gesundheitsgefährdungen oder Gesundheitsschädigungen liegen.[13]
192
Die Gefährdung der Gesundheit durch das Lebensmittel selbst muss bei allen Tatbeständen des § 58 LFGB nur potenziell bestehen ( potenzielle Gefährdungsdelikte),[14] d.h. es reicht aus, wenn das Inverkehrbringen eines Lebensmittels eine Gefahrenquelle für die Gesundheit der Verbraucher darstellt, auch wenn noch keine konkrete Gefahr für diese entsteht. Es genügt, wenn eine Gesundheitsschädigung für die Verbraucher erfahrungsgemäß möglich erscheint. Nicht ausreichend ist es dagegen, wenn eine Gesundheitsschädigung nur unter sehr ungewöhnlichen Bedingungen zu befürchten ist, deren Eintritt gänzlich atypisch wäre.
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