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11. Keine Einflussnahme finanziell Unbeteiligter
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Die Marktkonformität des Verfahrens gebietet es, die Entscheidung über die Verwertung der Insolvenzmasse allein den Geldgebern (Gläubigern und Eigenkapitalgebern) des Schuldners vorzubehalten, soweit deren Rechte einen positiven Vermögenswert besitzen. Interessen Außenstehender sind im Verfahren nicht zu repräsentieren. Deshalb werden den von der Insolvenz mittelbar betroffenen Gebietskörperschaften, den Gewerkschaften und Berufsorganisationen oder zuständigen Kammern keine Entscheidungsrechte im Verfahren gewährt. Das Verfahren soll keine Investitionslenkung durch Außenstehende ermöglichen. Wollen sie Einfluss auf das Verfahren nehmen, müssen sie die Beteiligten, insbesondere die Gläubiger, für ihre Ziele gewinnen.
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Auch künftig wird sich die Wirtschaftspolitik mit den marktkonform zustande gekommenen Ergebnissen des Insolvenzverfahrens nicht immer abfinden können. Marktkorrigierendes öffentliches Handeln muss dann jedoch politisch verantwortet werden und es erfordert den Einsatz öffentlicher Finanzmittel.
1› A› III. Konkrete Ziele des Insolvenzverfahrens
III. Konkrete Ziele des Insolvenzverfahrens
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Als Ziel des Insolvenzverfahrens wird in § 1 InsO neben der Gläubigerbefriedigung die Erhaltung von Unternehmen durch einen Insolvenzplan hervorgehoben. Wörtlich heißt es:
„Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. Dem redlichen Schuldner wird Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien.“
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Das Insolvenzverfahren fasst wesentliche Elemente des früheren Vergleichs- und Konkursverfahrens zusammen. Es enthält damit unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten für die Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und Gläubigern. Insbesondere kann im Verfahren die Fortführung der unternehmerischen Tätigkeit des Schuldners, aber auch die Liquidation des Vermögens des Schuldners angestrebt werden. Das Verfahren kann nach den gesetzlichen Vorschriften über die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse abgewickelt werden; es kann aber auch durch eine Übereinkunft der Beteiligten (,,Insolvenzplan“) abweichend von den gesetzlichen Vorschriften beendet werden. Dennoch liegt dem Verfahren ein einheitliches Hauptziel zugrunde: die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger. Dieses Ziel ist in erster Linie maßgeblich für die Entscheidungen, die innerhalb des Verfahrens zu treffen sind. Das Insolvenzrecht dient der Verwirklichung der Vermögenshaftung in Fällen, in denen der Schuldner zur vollen Befriedigung aller Gläubiger nicht mehr in der Lage ist. Insofern ergänzt es das Recht der Einzelvollstreckung, das im Achten Buch der ZPO geregelt ist.
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Das Ziel der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger wird zu Beginn des Gesetzes in § 1 InsO hervorgehoben, da es das gesamte Insolvenzverfahren prägt. Aus ihm folgt insbesondere der starke Einfluss, der den Gläubigern auf den Beginn, den Ablauf und die Beendigung des Verfahrens eingeräumt wird. Aber auch die Tätigkeit des Insolvenzverwalters und die Aufsichts- und Eingriffsbefugnisse des Gerichts sind in erster Linie an diesem Ziel auszurichten. Zusätzlich wird in § 1 InsO zum Ausdruck gebracht, dass die Befriedigung der Gläubiger regelmäßig im Wege der Verwertung dieses Vermögens und der Verteilung des Erlöses erfolgt.
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In§ 1 InsO wird zunächst betont, dass trotz der Ausrichtung des Insolvenzverfahrens an der bestmöglichen Befriedigung der Gläubiger die Interessen des Schuldners, der eine natürliche Person ist, und seiner Familie nicht vernachlässigt werden. Im Grundsatz wird nur das pfändbare Vermögen des Schuldners vom Insolvenzverfahren erfasst. Ein Schuldner, der keine pfändungsfreien Einkünfte hat, erhält für sich und seine Familie Unterhalt aus der Insolvenzmasse. Auch die Interessen der Arbeitnehmer des Schuldners werden umfassend berücksichtigt: Die Arbeitnehmer behalten im Insolvenzverfahren grundsätzlich ihre Rechte nach dem KSchG, nach § 613a BGB und nach dem BetrVG; insbesondere über den Betriebsrat können sie ihr Interesse an der Erhaltung der Arbeitsplätze zur Geltung bringen. Die genannten Rechte der Arbeitnehmer werden allerdings verfahrensmäßigen Beschränkungen unterworfen, damit das Insolvenzverfahren zügig und wirtschaftlich effektiv durchgeführt werden kann.
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Das Verfahren bietet weiter dem Schuldner, der eine natürliche Person ist, die Möglichkeit, sich von der Haftung auch für solche Verbindlichkeiten zu befreien, die aus seinem vorhandenen Vermögen nicht erfüllt werden können (§ 1 InsO).
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Diese Schuldbefreiung kann durch einen von den Beteiligten gebilligten Plan erfolgen. Unter besonderen Voraussetzungen kann ein redlicher Schuldner auch ohne eine solche Übereinkunft Restschuldbefreiung erlangen.
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Bei Gesellschaften und juristischen Personen dient das Verfahren auch der gesellschafts- oder organisationsrechtlichen Abwicklung, wobei ggf. ein Restvermögen unter den am Schuldner beteiligten Personen verteilt wird (§ 1 InsO).
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In § 1 InsO wird die Gestaltungsfreiheit der Beteiligten hervorgehoben. Die Gläubiger, der Schuldner und, wenn dieser keine natürliche Person ist, die als Kapitalgeber am Schuldner beteiligten Personen können die Vermögensrechte, die Gegenstand des Insolvenzverfahrens sind, in einem „Insolvenzplan“ abweichend von den Gesetzesvorschriften regeln; dabei sind allerdings die zwingenden Verfahrensvorschriften zu beachten. Insbesondere ist es möglich, auf eine Verwertung des Schuldnervermögens zu verzichten und die Befriedigung der Gläubiger in anderer Weise zu regeln oder die Befreiung des Schuldners von seinen Verbindlichkeiten an abweichende Voraussetzungen zu knüpfen; auch können die vermögensrechtlichen Verhältnisse des Schuldners und der an ihm beteiligten Personen neu geordnet werden. Für einen solchen Plan gelten die Vorschriften des Sechsten Teils der InsO, die Mehrheitsentscheidungen zulassen, ohne einen angemessenen Minderheitenschutz zu vernachlässigen.
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Die Erhaltung von Unternehmen oder Betrieben ist kein eigenständiges Ziel des Insolvenzverfahrens. Das Verfahren bietet den Beteiligten aber einen rechtlichen Rahmen, in dem die Verhandlungen über die Fortführung oder die Stilllegung eines insolventen Unternehmens nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen stattfinden können. Mit der Eröffnung des Verfahrens ist noch keine Vorentscheidung in Richtung auf eine Liquidation des Unternehmens getroffen. Ist die Fortführung des Unternehmens durch den Schuldner die für die Gläubiger günstigste Lösung, so werden sie bereit sein, einem entsprechenden Fortführungsplan zuzustimmen (vgl. § 1 InsO).
1› B. Grundzüge der Regelungen der InsO
B. Grundzüge der Regelungen der InsO
1› B› I. Einheitliches Insolvenzverfahren
I. Einheitliches Insolvenzverfahren
1. Bedeutung des einheitlichen Verfahrens
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Die Schaffung eines einheitlichen Insolvenzverfahrens umfasst mehrere Zwecke. Die gesetzliche Regelung hat zur Folge, dass:
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das Insolvenzverfahren einem einheitlichen, also unabhängig von der angestrebten Verwertungsart bestimmten Hauptzweck unterwirft: der Verwirklichung der Vermögenshaftung; |
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eine einheitliche, vom angestrebten Verfahrensziel – Liquidation, Sanierung des Schuldners oder übertragende Sanierung seines Unternehmens – unabhängige Verfahrensstruktur einführt und die Mitsprache- und Teilhaberechte der Beteiligten einheitlich bemisst; |
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das Instrument des Insolvenzplans nicht nur für Sanierungen, sondern für jedwede von der Zwangsverwertung abweichende Art der Masseverwertung zur Verfügung stellt; |
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von einer förmlichen richterlichen ,,Weichenstellung“, durch die Liquidation oder Reorganisation als Verfahrensziel im Vorhinein präjudiziert wird, absieht und stattdessen den Beteiligten in jedem Verfahrensstadium flexibel die Verfahrensgestaltung und die Wahl des für sie günstigsten Verfahrensziels überlässt. |
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