2. Bestimmung der sonstigen Eröffnungsvoraussetzungen
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Die hohe Zahl der Abweisungen von früheren Konkursanträgen mangels Masse hing damit zusammen, dass überwiegend für die Massedeckungsprüfung nicht nur die Massekosten, sondern auch die vorrangigen Masseschulden der zu erwartenden Konkursmasse gegenübergestellt werden. Vor allem bei einer Vielzahl von Arbeitnehmern reichte dann häufig die Konkursmasse nicht aus, um alle Masseverbindlichkeiten zu berichtigen. Das Verfahren wird mangels Masse nicht eröffnet.
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Nach der InsO ist ein Insolvenzverfahren bereits dann zu eröffnen, wenn eine die kostendeckende Masse vorhanden ist. Als Kosten in diesem Sinne werden nur die Kosten und Auslagen des gerichtlichen Verfahrens und die Vergütung und die Auslagen eines Insolvenzverwalters angesehen. Darüber hinaus soll es für die Verfahrenseröffnung ausreichen, wenn die Kosten bis zum Berichtstermin, der spätestens nach 3 Monaten abzuhalten ist, gedeckt sind. Auch wenn nur eine zeitweilige Eröffnung des Insolvenzverfahrens möglich ist, haben die Beteiligten davon Vorteile. Insbesondere können das Schuldnervermögen ermittelt und etwaige Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht werden. Die Interessen der Arbeitnehmer werden wirksamer geschützt.
3. Regelung des Rangs der Masseverbindlichkeiten bei Masseunzulänglichkeit
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Reicht die Masse für die Berichtigung aller Masseverbindlichkeiten nicht aus, muss der Insolvenzverwalter, u.U. alsbald nach der Eröffnung des Verfahrens, die Masseunzulänglichkeit feststellen lassen. In diesem Falle haben die nach Eintritt der Masseunzulänglichkeit begründeten Neumasseverbindlichkeiten Vorrang vor den Altmasseverbindlichkeiten.
4. Herabstufung oktroyierter Masseverbindlichkeiten in massearmen Verfahren
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Masseverbindlichkeiten aus vor Verfahrenseröffnung begründeten Arbeits- oder Nutzungsverträgen sollen grundsätzlich nur dann als Neumasseverbindlichkeiten behandelt werden, wenn der Insolvenzverwalter die Gegenleistung des Vertragspartners in Anspruch nimmt. Demnach sind etwa Entgeltansprüche freigestellter Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist in massearmen Verfahren als nachrangige Masseverbindlichkeiten anzusehen, auf die lediglich eine Quote zu bezahlen ist.
5. Verbilligung des Verfahrens
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Durch die Möglichkeit der Eigenverwaltung unter Aufsicht eines Sachwalters und die Zulassung eines verwalterlosen Verfahrens in Kleininsolvenzen lässt sich eine wesentliche Verbilligung der Insolvenzverfahren erreichen. Auch durch die Neuordnung der Vergütung und der Auslagenerstattung des Insolvenzverwalters soll insgesamt grundsätzlich eher eine Verbilligung des Verfahrens erzielt werden.
6. Heranziehung der Gesellschafter und Organmitglieder
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Im Falle insolventer Gesellschaften sind dessen Management und die am Schuldner beteiligten Personen dafür heranzuziehen, die Eröffnung und Durchführung eines Insolvenzverfahrens zu ermöglichen.
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Haftungsansprüche der Gesellschaftsgläubiger gegen persönlich haftende Gesellschafter werden der Insolvenzmasse der Gesellschaft zugewiesen. Die Gesellschafter haften auch in ihrer eigenen Insolvenz unmittelbar und voll für die Gesellschaftsschulden. Führt die Leistung der Gesellschafter dazu, dass die Insolvenz entfällt, können sie die Einstellung erreichen. Entsteht ein Masseüberschuss, fließt er am Ende an die Gesellschafter zurück. Die hypothetische Liquidationsquote steht ihnen auch im Falle eines Planes zu; gegen ihren Willen kann ihnen keine weitergehende Nachhaftung aufgebürdet werden als bei einer Zwangsverwertung. Die Eröffnung des Gesellschaftsinsolvenzverfahrens wird durch die Regelung erleichtert; für die Gesellschaft und das von ihr getragene Unternehmen verbessern sich die Sanierungschancen.
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Ferner ist geregelt, dass die zum Insolvenzantrag verpflichteten Organmitglieder von juristischen Personen, insbesondere von Kapitalgesellschaften, subsidiär für die Kosten des Insolvenzverfahrens einzustehen haben. Gläubiger oder andere Personen, die einen Verfahrenskostenvorschuss erbringen, können gegen die Organmitglieder Rückgriff nehmen. Befindet sich ausreichende Masse im Vermögen der juristischen Person, werden die Organmitglieder freigestellt. Diese Regelung ermöglicht vor allem bei einer insolventen GmbH und GmbH & Co KG, den insolvenzanfälligsten Schuldnern Eröffnung und Durchführung des Verfahrens; er fördert die Vollabwicklung insolventer Gesellschaften. Anders als bei natürlichen Personen müssen sich Anreize zur rechtzeitigen Antragstellung an die Organmitglieder richten, die zur Stellung eines Insolvenzantrags verpflichtet sind. Verstoßen sie gegen die Pflicht, ein durchführbares Insolvenzverfahren zu beantragen, ist es gerechtfertigt, ihnen die Kosten aufzubürden. Der Pflichtverstoß kann – widerleglich – vermutet werden, wenn das Gesellschaftsvermögen im Zeitpunkt der Entscheidung über den Eröffnungsantrag nicht einmal mehr die Verfahrenskosten deckt.
7. Verschärfung des Anfechtungsrechts
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Die Verschärfung des Anfechtungsrechts auf der Grundlage der Vorschläge der Kommission für Insolvenzrecht bewirkt eine beträchtliche Anreicherung der Insolvenzmassen und damit eine Erleichterung der Verfahrenseröffnung.
8. Entlastung der Insolvenzmasse von Aufwendungen
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Die Entlastung der Insolvenzmasse von den Kosten der Erhaltung, Bearbeitung und Verwertung von Kreditsicherheiten durch die Gewährung eines angemessenen, weitgehend pauschalierten Kostenbeitrags, der im Zeitpunkt der Eröffnung klare Kalkulationsgrundlagen schafft, führen zu einer erleichterten Verfahrenseröffnung.
9. Anreize für den Schuldner zur rechtzeitigen Antragstellung
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Der wohl wirksamste Beitrag zur Erleichterung der Verfahrenseröffnung geht von den Anreizen für den Schuldner aus, seine Vermögensverhältnisse laufend zu überprüfen und bei drohender Zahlungsunfähigkeit alsbald Insolvenzantrag zu stellen. Von der Ausgestaltung der gesetzlichen Restschuldbefreiung, von der dem Schuldner und den an ihm beteiligten Personen zustehenden Teilhabe nach dem Wert ihrer Rechtsstellung und von der Möglichkeit der Eigenverwaltung, welche die Gläubiger normalerweise nur redlichen Schuldnern zugestehen werden, gehen kräftige Anreize hierzu aus.
1› B› III. Einbeziehung der gesicherten Gläubiger
III. Einbeziehung der gesicherten Gläubiger
1. Verwirklichung der dinglichen Vermögenshaftung im Verfahren
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Unter den heutigen Gegebenheiten ist eine wirtschaftlich sinnvolle Masseverwertung in vielen Fällen – sei es durch Gesamtveräußerung von Unternehmen, Betrieben und Betriebsteilen, sei es durch Sanierung insolventer Schuldner – nur möglich, wenn die Inhaber dinglicher Sicherungsrechte in das Insolvenzverfahren einbezogen werden.
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Die Regelungen der InsO dienen nicht der Verlagerung von Vermögenswerten gesicherter Gläubiger auf ungesicherte Gläubiger oder auf den Schuldner und auf die an ihm beteiligten Personen. Die InsO greift auch nicht den Gedanken auf, Inhaber publizitätsloser („besitzloser“) Sicherheiten deswegen im Insolvenzverfahren mit einem Sonderopfer zu belasten, weil sie durch ihre Sicherungsverträge mit dem Schuldner die Insolvenzmasse – für den Rechtsverkehr unerkennbar – im Vorhinein verteilt hätten. Die alleinige Rechtfertigung für die Einbeziehung der Sicherungsgläubiger liegt vielmehr darin, dass für die Verwertung des Schuldnervermögens im Ganzen möglichst günstige Bedingungen geschaffen werden sollen. Die Interessen der Beteiligten sollen so koordiniert werden, dass der Wert des Schuldnervermögens maximiert wird. Dies rechtfertigt es in einem marktkonformen Insolvenzverfahren lediglich, den Sicherungsgläubigern durch die Einbindung in das Verfahren bei der Durchsetzung ihrer Rechte gewisse Rücksichtnahmen abzuverlangen und ihnen Kostenbeiträge aufzuerlegen, nicht aber, Eingriffe in die Wertsubstanz der Sicherheiten vorzunehmen.
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