1 ...8 9 10 12 13 14 ...33 Nur ein solches einheitliches Verfahren wird der Forderung nach Marktkonformität gerecht. Es stellt den Beteiligten alle Verwertungsarten gleichrangig zur Verfügung. Für die einvernehmliche, privatautonome Insolvenzabwicklung besteht der größtmögliche Spielraum. Mit der Wahl der Verwertungsart oder -form (Zwangsverwertung oder Plan) sind keine Vermögensverlagerungen im Verhältnis der Beteiligten verbunden. Zur Entscheidung über Verwertungsart und -form sind allein diejenigen berufen, deren Vermögenswerte auf dem Spiel stehen.
2. Einheitliche Vermögensbezogenheit des Verfahrens
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Das einheitliche Insolvenzverfahren ist vermögensorientiert; auch die Sanierung des Schuldners oder seines Unternehmens wird als Verwertung – freilich eine investive Verwertung – des Schuldnervermögens begriffen, bei der die Vermögensrechte der Beteiligten grundsätzlich zu schützen sind. Die einheitliche Vermögensorientierung gestattet die Beibehaltung des Universalinsolvenzverfahrens, das allen Schuldnern ohne Rücksicht auf ihre wirtschaftliche Tätigkeit gleichermaßen zur Verfügung steht; ein Sonderrecht für unternehmerisch tätige Schuldner ist entbehrlich. In seiner Grundstruktur passt das einheitliche Verfahren auch auf die Insolvenz von Arbeitnehmern und Verbrauchern.
3. Gemeinschaftliche Haftungsverwirklichung als Hauptzweck
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Der einheitliche Hauptzweck des Insolvenzverfahrens ist die gemeinschaftliche Verwirklichung der Vermögenshaftung. Gegenstand der Haftung ist das Vermögen des Schuldners, nicht seine gesellschafts- oder verbandsrechtliche Organisation. Das Gesetz sieht deswegen keine insolvenzrechtlichen Eingriffe in die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse des Schuldners vor. Kommen die für eine Sanierung des Schuldnerunternehmens erforderlichen gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen nicht zustande, bleibt es den Gläubigern unbenommen, den Fortführungswert des Schuldnervermögens im Wege einer übertragenden Sanierung zu realisieren.
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Die gesetzliche Regelung begreift die Aufgabe der Haftungsverwirklichung in dreierlei Hinsicht. Zum einen werden alle Arten der planmäßigen Verwertung der Insolvenzmasse für Sanierungszwecke als Formen der Haftungsverwirklichung aufgefasst. Zum anderen erstreckt sich das Insolvenzverfahren auch auf die Abwicklung oder Neuordnung der nachrangigen Verbindlichkeiten, etwa kapitalersetzender Gesellschafterdarlehen sowie der Eigenkapitalbeiträge der am Schuldner beteiligten Personen. Schließlich wird die Verwirklichung der dinglichen Vermögenshaftung in das einheitliche Insolvenzverfahren hineinverlagert, soweit sich dadurch bessere Bedingungen für die insolvenz- oder planmäßige Verwertung des Schuldnervermögens im Ganzen erzielen lassen.
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Ziel der Haftungsverwirklichung ist damit die Abwicklung oder der planmäßige Umbau der gesamten Finanzstruktur des Schuldners unter Wahrung der haftungsrechtlichen Rangfolge der Finanzbeiträge der gesicherten Gläubiger, der einfachen Insolvenzgläubiger, der nachrangigen Insolvenzgläubiger und der Eigenkapitalgeber. Soweit nicht die Beteiligten einer abweichenden Regelung in einem Plan zustimmen, wird die zivilrechtliche Haftungslage unabhängig davon durchgesetzt, wie das Schuldnervermögen verwertet oder genutzt wird und ob dies im Wege der insolvenzmäßigen Zwangsverwertung oder gemäß einem Plan geschieht. Die zivilrechtliche Haftungsordnung ist nicht nur dann maßgeblich, wenn das Schuldnervermögen liquidiert wird, sondern auch dann, wenn es im Rahmen einer Fortführung oder Sanierung investiert bleibt, wenn also nicht nur ein Liquidations-, sondern ein Fortführungswert erzielt wird. Im Sanierungsfalle haben sämtliche Geldgeber des Schuldners ein Anrecht darauf, ihrem Rang gemäß an einem Fortführungserfolg teilzunehmen.
4. Vollabwicklung des Schuldnervermögens als Aufgabe des Insolvenzverfahrens
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Die Einbeziehung der Inhaber von nachrangigen Forderungen und von Eigentumstiteln in das Insolvenzverfahren gestattet es, die Vollabwicklung des Schuldnervermögens als insolvenzrechtliche Aufgabe zu bewältigen. Das Verfahren übernimmt bei Gesellschaften regelmäßig zugleich die Aufgabe der gesellschaftsrechtlichen Abwicklung bis hin zur Herbeiführung der Löschungsreife und anschließenden Löschung. Für eine außergerichtliche Liquidation im Anschluss an das Insolvenzverfahren besteht dann kein Bedürfnis mehr. Im Interesse des Rechtsverkehrs wird sichergestellt, dass insolvente Gesellschaften nach Durchführung des Verfahrens in aller Regel gelöscht werden.
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Auch Inhaber nachrangiger Forderungen und Eigenkapitalgeber des Schuldners sind Beteiligte des Insolvenzverfahrens. Dies macht es erforderlich, die Forderungen in eine Rangordnung zu stellen und für die Anmeldbarkeit solcher Forderungen Vorsorge zu treffen.
5. Restschuldbefreiung als weiterer Zweck des einheitlichen Verfahrens
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Neben der gemeinschaftlichen Haftungsverwirklichung und der vollständigen Abwicklung des Schuldnervermögens ist die endgültige Regulierung der Verbindlichkeiten des Schuldners ein dritter Zweck des einheitlichen Insolvenzverfahrens. Grundsätzlich soll das Insolvenzverfahren dem Schuldner, soweit dieser unbeschränkt persönlich haftet, unter bestimmten Voraussetzungen Restschuldbefreiung verschaffen. Durch einen Plan können die Beteiligten auch hierüber eine abweichende Vereinbarung treffen.
1› B› II. Rechtzeitige und leichtere Eröffnung der Verfahren
II. Rechtzeitige und leichtere Eröffnung der Verfahren
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Vorschläge, die Finanzierung von Insolvenzverfahren durch Eingriffe in die Wertsubstanz der Kreditsicherheiten sicherzustellen, greift die InsO nicht auf. Das Ziel einer rechtzeitigen und leichteren Eröffnung der Insolvenzverfahren wird vielmehr mit einer Reihe wirksamer anderer Maßnahmen verfolgt. Hervorzuheben sind insbesondere:
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die Einführung eines neuen Eröffnungsgrunds der drohenden Zahlungsunfähigkeit, |
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die Neubestimmung der sonstigen Voraussetzungen der Verfahrenseröffnung, |
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die Neuregelung des Rangs der Masseverbindlichkeiten, |
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Maßnahmen zur Entlastung der Insolvenzmasse von Masseverbindlichkeiten, |
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Maßnahmen zur Verbilligung des Verfahrens, |
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die Heranziehung der mithaftenden Gesellschafter und Organmitglieder von Gesellschaften, |
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die Verschärfung des Anfechtungsrechts, |
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die Erstattung der Kosten, welche der Insolvenzmasse bei der Erhaltung, Bearbeitung und Verwertung von Sicherungsgut entstehen, |
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Anreize für den Schuldner zur rechtzeitigen Antragstellung. |
Im Einzelnen:
1. Drohende Zahlungsunfähigkeit als Eröffnungsgrund
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Die drohende Zahlungsunfähigkeit soll nur dann zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens führen, wenn der Insolvenzantrag vom Schuldner ausgeht. Nur der Schuldner kann mit hinreichender Sicherheit die drohende Zahlungsunfähigkeit feststellen. Reichte sie auch beim Gläubigerantrag zur Verfahrenseröffnung aus, wäre zu besorgen, dass Gläubiger den Insolvenzantrag verstärkt als Druckmittel gegen den Schuldner einsetzen, um außerhalb des Insolvenzverfahrens liegende Zwecke zu verfolgen. Der Schuldner hat demnach beim Vorliegen nur voraussichtlicher Zahlungsunfähigkeit bis zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung bzw. bis zum Ablauf einer ihm eingeräumten Antragsfrist die Wahl, entweder eine freie Sanierung zu versuchen oder ein gerichtliches Verfahren zu beantragen. Der Spielraum für freie Sanierungsbemühungen wird nicht eingeengt.
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