71
Damit marktwidrige Verfahrensergebnisse, aber auch Wettbewerbsverzerrungen im Verhältnis des insolventen zu gesunden Unternehmen vermieden werden, muss die den Sicherungsgläubigern vorenthaltene Verwertung des Sicherungsguts, insbesondere die ihnen vorenthaltene Liquidität, mit einem marktgerechten Preis versehen werden. Die Sicherungsgläubiger sind für die Beschränkung des Individualzugriffs nach spätestens 3 Monaten durch laufende Zinszahlungen voll zu entschädigen; waren sie schon während des Eröffnungsverfahrens an der Verwertung ihrer Sicherheit gehindert, ist dessen Dauer auf die 3 Monate anzurechnen.
72
Da das Insolvenzverfahren die Sicherungsgläubiger nachhaltig berührt, muss ihre Stellung in der Gläubigerversammlung und im Gläubigerausschuss gestärkt werden.
73
In der rechtspolitischen Diskussion sind materiell-rechtliche Änderungen des Rechts der Kreditsicherheiten, insbesondere der besitzlosen Mobiliarsicherheiten, vorgeschlagen worden. Es wird nicht verkannt, dass die fehlende Publizität von Mobiliarsicherheiten und die in der richterrechtlichen Entwicklung erkennbare Überdehnung mancher Sicherungsformen Anlass zu rechtspolitischer Besinnung geben. Es erscheint jedoch grundsätzlich nicht sachangemessen, solche Änderungen im Zusammenhang mit einer Insolvenzrechtsreform zu erörtern und vorzunehmen. Materiell-rechtliche Änderungen des Kreditsicherungsrechts sind nicht allein aus der Perspektive der Insolvenz zu rechtfertigen; sie müssen vor allem im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die Kreditmärkte überprüft und gewogen werden. Dem Verständnis des Insolvenzrechts als des Rechts der gemeinschaftlichen Haftungsverwirklichung entspricht es, Änderungen des materiellen Kreditsicherungsrechts nur insoweit in die InsO einzubeziehen, als sie für die Funktion des Insolvenzverfahrens unerlässlich sind. Das Gesetz beschränkt sich auf Maßnahmen im Bereich der Abtretung und Pfändung von Arbeitsentgelt. Darüber hinaus ist, im Rahmen des EGInsO der sog. Konzernvorbehalt für unwirksam erklärt, dessen Wirksamkeit schon nach früherem Recht zweifelhaft ist. Es geht um die Vereinbarung, dass das Eigentum an einer verkauften Sache erst übergehen soll, wenn sämtliche Forderungen aller Unternehmen befriedigt sind, die mit dem Verkäufer in einem Konzern verbunden sind.
2. Bessere Abstimmung von Insolvenz- und Kreditsicherungsrecht
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Die InsO zielt darauf, eine bessere Abstimmung zwischen Kreditsicherungs- und Insolvenzrecht zu erreichen.
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Rechte aus Kreditsicherheiten, insbesondere aus Mobiliarsicherheiten, konnten nach früherem Recht ohne jede Rücksicht auf die Bedürfnisse einer wirtschaftlich sinnvollen Verfahrensabwicklung ausgeübt werden; darin lag die Hauptursache für die Zerschlagungsautomatik des abgelösten Insolvenzrechts.
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Die dinglich gesicherten Gläubiger müssen die erforderlichen Zugeständnisse der Gläubiger individuell vereinbaren; die Koordinierungsvorteile des gemeinschaftlichen Verfahrens können nicht genutzt werden.
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Die Kosten, die durch die Feststellung und Erhaltung der Mobiliarsicherheiten entstehen, fallen der Insolvenzmasse und damit letztlich allein den ungesicherten Gläubigern zur Last; eine Abwälzung auf die gesicherten Gläubiger kann nicht erzwungen werden.
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Das Recht der Immobiliarsicherheiten ist deutlich besser mit dem Insolvenzrecht abgestimmt als das Recht der Mobiliarsicherheiten. Bei der Zwangsversteigerung werden die Verwertungskosten, in gewissen Fällen auch die Erhaltungskosten, aus dem Erlös des Grundstücks bestritten. Der Grundgedanke der Neuregelung, dass der Individualzugriff der Sicherungsgläubiger im Interesse des Insolvenzverfahrens Beschränkungen hinnehmen muss, die dadurch erlittene Einbuße aber auszugleichen ist, hatte sich im früheren Immobiliarsicherungsrecht bereits niedergeschlagen. Die InsO dehnt diesen Rechtsgedanken auf die Mobiliarsicherheiten aus.
3. Unterschiedliche Intensität der Einbindung für die verschiedenen Sicherungsformen
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In technischer Hinsicht ist die Einbeziehung der Inhaber dinglicher Kreditsicherheiten für die verschiedenen Arten von Sicherheiten unterschiedlich ausgestaltet.
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Für den einfachen Eigentumsvorbehalt wird im Grundsatz die frühere Rechtslage aufrechterhalten, dass der Verkäufer im Konkurs des Käufers zur Aussonderung der gelieferten Sache berechtigt ist, wenn nicht der Konkursverwalter des Käufers die Erfüllung des Kaufvertrages wählt. Dem Verwalter wird aber gestattet, die Ausübung der Wahl bis zum Berichtstermin aufzuschieben, der spätestens 3 Monate nach der Verfahrenseröffnung abzuhalten ist. Die Sicherungsübereignung und die verdeckte Sicherungszession von Forderungen sowie die Verlängerungs- und Erweiterungsformen des Eigentumsvorbehalts unterliegen mit der Verfahrenseröffnung einem automatischen Verwertungsstopp. Die InsO gewährleistet dies rechtstechnisch, indem sie dem Insolvenzverwalter das Recht zur Nutzung und Verwertung des Sicherungsguts bzw. zur Einziehung der sicherheitshalber abgetretenen Forderung einräumt.
81
Das Zugriffs- und Verwertungsrecht eines Pfandgläubigers bleibt von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich unberührt. Der Insolvenzverwalter soll jedoch berechtigt sein, die Herausgabe des Pfandes zu beantragen, wenn dieses im Einzelfall für eine sinnvolle Masseverwertung, etwa für die Fortführung eines Betriebs, für eine Gesamtveräußerung oder Sanierung des Schuldners, erforderlich ist. Unter den gleichen Voraussetzungen wird der Verwalter befähigt, ein zur Sicherheit abgetretenes Recht, etwa ein Patent, für die Masse zu nutzen.
82
Auch Gläubiger mit Absonderungsrechten an Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten, insbesondere Grundpfandgläubiger, werden durch die Verfahrenseröffnung keinem automatischen Verwertungsverbot unterworfen. Ebenso wie im Falle der Mobiliarpfandrechte kann der Insolvenzverwalter jedoch die Einstellung der Zwangsverwertung erreichen, wenn nachgewiesen wird, dass das Interesse der Insolvenzmasse das Interesse des zwangsverwertenden Gläubigers überwiegt. Die Einstellung der Zwangsverwaltung eines Grundstücks ist unter ähnlichen Voraussetzungen wie die Einstellung einer Zwangsversteigerung vorgesehen. Für diese differenzierte Regelung sind folgende Gesichtspunkte maßgeblich.
83
Besitzlose Mobiliarsicherheiten bestehen in aller Regel am Umlauf- oder Anlagevermögen des schuldnerischen Unternehmens. Das Sicherungsgut wird regelmäßig im Betrieb des Schuldners genutzt; es steht mit dem restlichen Schuldnervermögen in einem technisch-organisatorischen Verbund. Es spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Insolvenzmasse dann am wirtschaftlichsten verwertet werden kann, wenn dieser Verbund erhalten bleibt. Dies rechtfertigt es, für die zur Sicherung übereigneten Gegenstände einen automatischen Verwertungsstopp und ein Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters vorzusehen und für die unter einfachem Eigentumsvorbehalt gelieferten Sachen die Aussonderung zeitweise auszusetzen.
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Hat sich der Schuldner, wie beim Faustpfandrecht, des Besitzes an dem Sicherungsgegenstand begeben oder ist ihm dieser nach einer Pfändung weggenommen worden, so ist ein technisch-organisatorischer Verbund des Sicherungsguts mit dem übrigen Schuldnervermögen nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Ein automatischer Verwertungsstopp für Pfandgläubiger wäre deswegen ein unverhältnismäßiger Eingriff. Einem in Ausnahmefällen bestehenden überwiegenden Interesse der Insolvenzmasse an der Nutzung und Verwertung des Sicherungsguts kann in ausreichendem Maße durch einen an besondere Voraussetzungen geknüpften Herausgabeanspruch Rechnung getragen werden.
85
Das bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlagnahmte oder mit Grundpfandrechten belastete Grundvermögen des Schuldners wird häufig zum betrieblich genutzten Vermögen gehören, also in einem Verbund mit den übrigen Vermögensgegenständen des Schuldners stehen. Anders als die Verwertung beweglicher Gegenstände setzt die Zwangsverwertung von Grundstücken jedoch ein recht langwieriges Verfahren voraus. Die Durchführung eines solchen Verfahrens vermag die Verwertung der Insolvenzmasse erst dann zu stören, wenn der endgültige Verlust des Grundstücks durch Versteigerung droht oder wenn, im Falle der Zwangsverwaltung, ein ernster Nutzungskonflikt zwischen dem Zwangsverwalter und dem Insolvenzverwalter auftritt. Deswegen wäre es ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Rechtsstellung immobiliargesicherter Gläubiger, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens stets und automatisch den Lauf einer Immobiliarzwangsvollstreckung hindern würde. Die Interessen der Insolvenzmasse lassen sich ausreichend wahren, wenn dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit gegeben wird, im Einzelfall durch einen Antrag die Einstellung der Zwangsvollstreckung herbeizuführen. Für den Fall, dass es zur Einstellung kommt, wird die Rechtsstellung von Gläubigern mit Absonderungsrechten an Immobilien der Stellung von Gläubigern mit Mobiliarsicherheiten weitgehend angenähert.
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