§ 14. Was ich hier über Färben und Gerüche gesagt habe, kann auch von den Geschmäcken, Tönen und andern solchen Wahrnehmungen gelten. Wenn wir auch aus Missverstand ihnen eine Wirklichkeit beilegen, so sind sie doch in Wahrheit in den Gegenständen nur Kräfte, welche verschiedene Wahrnehmungen in uns hervorbringen und die von jenen ersten. Eigenschaften bedingt sind, als welche ich die Masse, die Gestalt, das Gewebe und die Bewegung der Theilchen genannt habe.
§ 15. ( Die Vorstellungen der ersten Eigenschaften sind diesen Eigenschaften, ähnlich, aber nicht die der zweiten .) Man kann hieraus leicht abnehmen, dass die Vorstellungen von den ersten Eigenschaften der Körper denselben ähnlich sind, und dass ihre Muster wirklich in den Körpern selbst gestehen; dagegen haben die Vorstellungen, welche von den zweiten Eigenschaften in uns hervorgebracht werden, keine Aehnlichkeit mit ihnen; hier besteht nichts in den Körpern, was ihnen gliche, vielmehr sind sie in den Körpern, die wir so bezeichnen, nur Kräfte, welche diese Wahrnehmungen in uns hervorbringen, und das, was in der Vorstellung süss, blau oder warm ist, ist nur eine gewisse Masse, Gestalt oder Bewegung der kleinsten Theile der Körper, die wir so nennen.
§ 16. So heisst die Flamme heiss und hell, der Schneeweiss und kalt, Manna weiss und süss nach den Vorstellungen, die sie in uns hervorbringen, und man glaubt gemeiniglich, dass diese Eigenschaften dieselben in den Körpern wie in unsern Vorstellungen seien, und eine der andern so gleiche, wie bei dem Spiegel; die meisten Menschen würden es nicht begreifen, wie man anderer Ansicht sein könne. Dennoch, bringt dasselbe Feuer, was in einer gewissen Entfernung nur als warm gefühlt wird, bei grösserer Annäherung das ganz verschiedene Gefühl des Schmerzes in uns hervor, und man sollte deshalb bedenken, weshalb man die von dem Feuer hervorgebrachte Vorstellung der Wärme dem Feuer beilege, dagegen die Vorstellung des Schmerzes, die dasselbe Feuer in uns hervorgebracht hat, nicht. Weshalb soll die Weisse und Kälte in dem Schnee sein, aber der Schmerz nicht, obgleich er doch beide Vorstellungen in uns hervorbringt, und beide nur durch die Masse, Gestalt, Zahl und Bewegung seiner festen Theile?
§ 17. Die besondere Masse, Zahl, Gestalt und Bewegung der Theilchen ist wirklich im Feuer und im Schnee, gleichviel ob man sie wahrnimmt oder nicht. Man kann sie deshalb wahre Eigenschaften nennen, weil sie wirklich in diesen Körpern so bestehen; aber Licht, Weisse, Kälte sind so wenig in ihnen, wie Krankheit oder Schmerzen in dem Manna. Man nehme die Wahrnehmung derselben hinweg; man lasse die Augen kein Licht und keine Farben sehen, die Ohren keine Töne hören, den Gaumen nichts schmecken, und die Nase nichts riechen, und alle Farben, Geschmäcke, Gerüche und Töne, so weit sie nur solche Vorstellungen sind, erlöschen und verschwinden und sind auf ihre Ursachen zurückgebracht, d.h. auf Masse, Gestalt und Bewegung der kleinsten Theilchen.
§ 18. Ein Stück Manna von wahrnehmbarer Grösse kann in uns die Vorstellung von einer runden oder viereckigen Gestalt, und wenn es von einem Ort nach dem andern bewegt wird, die Vorstellung von Bewegung erwecken. Diese Vorstellung der Bewegung giebt es so wieder, wie sie wirklich in dem Manna enthalten ist; ein Kreis und ein Viereck bleiben dieselben, in der Vorstellung wie in der Wirklichkeit, in der Seele wie in dem Manna; die Bewegung und die Gestalt sind wirklich in dem Manna, mögen wir sie wahrnehmen oder nicht; Jedermann erkennt dies bereitwillig an. Daneben kann das Manna durch die Masse, das Gewebe und die Bewegung seiner Theilchen die Empfindungen des Unwohlseins und manchmal die von heftigen Schmerzen oder Kneipen in uns hervorbringen; Jedermann erkennt ebenfalls bereitwillig an, dass diese Vorstellungen von Unwohlsein und Schmerzen nicht in dem Manna sind, sondern nur seine Wirkungen in uns, und dass sie nirgends sind, wenn wir sie nicht fahlen. Dennoch kann man sich schwer dazu entschliessen, das Süsse und das Weisse nicht in das Manna selbst zu verlegen; obgleich sie auch nur die Wirkungen der Bewegung, Grösse und Gestalt der Mannatheilchen auf das Auge und den Gaumen sind, wie die Schmerzen und das Unwohlsein, was das Manna verursacht, anerkanntermassen nur die Wirkungen der Grösse, Bewegung und Gestalt seiner kleinsten Theilchen auf den Magen sind (da kein Körper auf einen anderen in anderer Weise wirken kann, wie ich dargelegt habe). Weshalb sollte das Mann also nicht auf die Augen und den Gaumen wirken und dabei besondere bestimmte Vorstellungen in der Seele hervorbringen können, die es nicht in sich selbst hat, da es doch geständigermaassen auf den Darm und Magen wirken und dadurch Vorstellungen hervorbringen kann, welche es in sich selbst nicht hat? Da diese Vorstellungen sämmtlich die Wirkungen des Manna in einzelnen Theilen unsers Körpers sind, weshalb sollen die durch die Augen und den Gaumen hervorgebrachten Vorstellungen eher wirklich in dem Manna sein, als die durch den Magen und den Darm hervorgebrachten? Weshalb sollen Schmerz und Unwohlsein, Vorstellungen, welche das Manna bewirkt hat, nirgends sein, wenn man sie nicht fühlt, und weshalb sollen das Süsse und das Weisse, obgleich Wirkungen desselben Manna auf andere Theile des Körpers, deren Wirkungsweise ebenso unbekannt ist, in dem Manna wirklich bestehen, auch wenn man sie nicht schmeckt oder sieht? Dieser Unterschied würde eine besondere Erklärung verlangen.
§ 19. ( Die Vorstellungen der ersten Eigenschaften sind ähnlich, die der zweiten aber nicht .) Man betrachte die rothe und weisse Farbe im Porphyr; nun soll kein Licht darauf scheinen, und seine Farben verschwinden; er bringt dann deren Vorstellungen in uns nicht mehr hervor. So wie das Licht zurückkehrt, zeigen sich diese Erscheinungen wieder in uns. Kann; man aber annehmen, dass durch die Gegenwart oder Abwesenheit von Licht wirkliche Veränderungen in dem Porphyr herbeigeführt werden? und dass diese Vorstellungen von Roth und Weiss wirklich in dem Porphyr bei Licht sind, obgleich er diese Farben in der Dunkelheit nicht hat? Er hat allerdings eine solche Gestaltung seiner Theilchen sowohl bei Tage wie bei Nacht, die durch die Wertung der Lichtstrahlen von gewissen Theilen dieses harten Steines fähig sind, in uns die Vorstellung des Rothen und bei andern Theilen die des Weissen hervorzubringen. Dagegen ist das Weisse und das Rothe niemals in ihm, sondern nur ein Gewebe, welches die Macht hat, eine solche Empfindung in uns hervorzubringen.
§ 20. Man stosse eine Mandel, und die klare weisse Farbe verändert sich in eine schmutzige und der süsse Geschmack in einen öligen; welche andere wirkliche Veränderung kann aber das Stossen der Keule in einem Körper hervorbringen, als eine Veränderung seines Gewebes?
§ 21. Wenn die Vorstellungen so unterschieden und aufgefasst werden, so kann man erklären, wie dasselbe Wasser gleichzeitig von der einen Hand kalt und von der andern heiss gefühlt werden kann, obgleich doch dasselbe Wasser nicht warm und kalt sein könnte, wenn diese Eigenschaften wirkliche wären. Ist dagegen die Wärme an unserer Hand nur eine gewisse Weise und Stärke der Bewegung in den kleinsten Theilchen unserer Nerven oder Lebensgeister, so erklärt sich diese Erscheinung. Dagegen zeigt sich diese nie bei der Gestalt; niemals bringt sie, mit der einen Hand gefühlt, die Vorstellung eines Viereckes, und mit der andern die Vorstellung eines Kreises hervor. Ist dagegen die Hitze und Kälte nur die Zunahme oder Abnahme in der Bewegung der kleinsten Theilchen unseres Körpers, durch die Theilchen eines andern Körpers verursacht, so kann man verstehen, dass diese Bewegung in der einen Hand grösser ist als in der andern. Bringt man einen Körper, dessen Bewegung in seinen kleinsten Theilen grösser ist als die Bewegung der kleinsten Theile in der einen Hand, und kleiner ist als die in der andern Hand, so wird er bei Berührung beider Hände die Bewegung in der einen Hand steigern und in der andern Hand vermindern und so die verschiedenen Wahrnehmungen von kalt und warm veranlassen, die davon bedingt sind.
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