Der große Pool der Anlage ist um einen Naturfelsen herum gebaut. Er ist beheizt und im Freien ist es erstaunlich mild für diese Zeit. Wir schwimmen jeden Tag, genießen Cocktails auf der Terrasse, unternehmen kleinere Wanderungen in den Sanddünen. Besonders gut gefällt uns allen der sogenannte Hoodoo Trail. Es bleibt Zeit zum Aussortieren der vielen hundert Fotos, die Horst bisher gemacht hat. Mona malt mit Horsts Hilfe ein Aquarellbild, nach Vorlage eines besonders gelungenen Fotos aus dem Monument Valley. „Das bekommt die Ingrid zum Geburtstag!“, freut sie sich. Ich bereite mich mit der entsprechenden Reiselektüre schon auf Mexiko vor. An einem Abend gibt es eine Reptilienschau, Mona völlig fasziniert von den Schlangen. Mir graut, unser Kind hängt sich das Vieh sogar um den Hals.
Nach fünf wunderbaren, sonnigen Tagen neigt sich unsere Tour im Westen der USA dem Ende zu. Das Wohnmobil war abseits des Amangiri geparkt, hinter einer großen Sanddüne. Die Hotellimousine fährt uns dorthin. Der Motor springt gleich an. Wir fahren eine halbe Stunde, bis Horst bemerkt: „Irgendetwas stimmt mit dem Ölstand nicht. Wir bleiben bei der nächsten Tankstelle stehen.“ Horst öffnet die Motorhaube, um Öl nachzufüllen. Etwas kariert schaut er in den Motorraum. Ich bin gleich neben ihm. „Schaut so aus, als hätte da ein Marder Urlaub gemacht!“ Mona will das auch sehen. Dämmmaterial ist angenagt und liegt zerbröselt unter der Kühlerhaube. „Kommen wir so noch nach Las Vegas?“, will Mona wissen. Horst ist – wie immer – zuversichtlich.
Die Route nach Las Vegas nehmen wir durch den Zion National Park. Es ist der letzte Nationalpark auf unserer Tour. Wir nehmen einen Shuttle-Bus und machen einen „Scenic Drive“, zehn Kilometer am Nordarm des Virgin Rivers entlang. Rehe, wilde Truthähne, Biber, Vögel, bunte Schmetterlinge, Pflanzen in Hülle und Fülle lassen sich vor, hinter und in den Felsen entdecken. Mona sammelt ihr letztes Abzeichen ein. Wir profitieren und lernen, dass Zion an der Grenze zwischen dem Colorado-Plateau, dem Großen Becken und der Mojave-Wüste liegt – eine besondere Lage und deshalb auch eine Vielzahl an unterschiedlichen Lebensräumen mit vielen verschiedenen Pflanzen und Tieren.
Mona meint, sie könne ewig so weitermachen. Nationalparks anschauen und dann dazu Fragen beantworten. Mittlerweile sind es acht Pins, die sie voller Stolz an den Stoffriemen ihrer kleinen bunten Umhängetasche gesteckt hat. Und mit Abstand ist das Zeichen vom Arches-Nationalpark am schönsten. Es glänzt golden.
Ich bin von der indianischen Silberschmiedekunst stark beeindruckt und von den Vitrinen im Souvenirladen des Visitors Centers kaum wegzubekommen. Das liegt vielleicht daran, dass mein erster Berufswunsch Goldschmiedin war. Es kann aber auch einfach daran liegen, dass ich eine Frau bin. Und Frauen lieben Schmuck – die meisten zumindest. Ringe, Armreifen, Kettenanhänger, einige Kunststücke sind besonders filigran gearbeitet. Und Horst ist immer großzügig. Auch ihm gefallen die außergewöhnlichen Schmuckstücke. Wir entscheiden uns für einen Silberanhänger in Form eines Donuts. Die feinen Steinchen aus Türkis, Koralle und Lapislazuli sind elegant in die Silberfassung eingelegt. Diese Art von Reiseandenken mag ich. Wunderschön, klein, leicht, nicht zerbrechlich. Und verknittern tun sie auch nicht.
Keine Verluste in Las Vegas
28.–31. Oktober
Wir haben Las Vegas erreicht, im Norden liegt ein Campingplatz für die letzte Nacht im Wohnmobil. Die Vorräte sind fast aufgebraucht und wir sind hungrig. Neben dem Campingplatz sehen wir ein nettes Häuschen – Restaurant, Steakhouse. „Da essen wir heute noch ein tolles Steak“, so macht uns Horst schon den Mund wässrig. Je näher wir dem Häuschen kommen, desto weniger schön schaut es aus. Horst steckt die Nase hinein, wir unsere Nasen hinterher. Zigarettenqualm. Düster. Mona muss gleich niesen. Weiter kommen wir auch nicht. Die Bedienung fächelt uns mit der Speisekarte in der Hand rückwärts hinaus. Das ist nämlich ein Saloon mit Restaurant. Und Mona ist zu jung für einen Saloon. Sie drückt uns die Speisekarte in die Hand und meint, wir können bestellen zum take away. Ganz überzeugt sind wir nicht, aber es bleibt uns keine Wahl. Es gibt kein anderes Restaurant in der Nähe und ebenso wenig einen Supermarkt. Wein können sie uns nicht verkaufen. Und ich hatte mich so sehr auf ein Glas Wein gefreut. „Geht nicht, gibt’s nicht!“, Horsts Motto. „Sei flexibel“, Monas Motto. Und so sind wir ganz flexibel und bestellen. Steak, Mashed Potatoes, Caesar Salad. Nicht weit entfernt sei ein Liquor Store. Dort kauft Horst eine Flasche Wein. Interessanterweise steht der Weißwein im Regal und der Rotwein im Kühlschrank. „Sei flexibel, nimm lieber Rotwein kalt als Weißwein warm“, mein Kommentar. Zurück beim Saloon ist das Essen schon in Plastikschalen verpackt. Wir staunen über den günstigen Preis. Und noch mehr staunen wir über den Geschmack. Die Steaks sind nicht überwürzt, medium rare, wie wir beide es mögen, und der Salat mit perfektem Dressing. Mona ist überzeugt: „Das ist ganz mein Salat. Den esse ich jetzt immer. Außerdem ist es richtig gemütlich heute noch mal in unserem Wohnmobil zu essen.“ Der Rotwein schmeckt auch kühl recht gut. Vor allem mir schmeckt er. Und die Flasche ist schnell auf den Kopf gestellt. Mit Elan packe ich die Take-away-Schalen und mache mich auf den Weg zum Müll. Es ist schon dunkel und ich finde im ganzen Gelände wenige und nur ganz kleine Müllbehälter. Irgendwie bekomme ich die Verpackungen doch in die Öffnungen. „Das ist mir auch noch nie passiert. Normalerweise haben die in Amerika doch alles immer in XXL. Dieser Campground hat XXS Mülltonnen“, wundere ich mich – an diesem Abend. Am nächsten Tag wundere ich mich nicht mehr. Little bin for dogi waste. Ich schäme mich. Vor dem Einfahrtstor stehen die großen Mülltonnen.
Die allerletzten Reste aus dem Lebensmittelrepertoire werden gefrühstückt, alle Klamotten wieder eingepackt und verstaut. Nun heißt es noch Grauwasser entsorgen und das Wohnmobil zurückgeben. Die Dachantennengeschichte kostet uns 200 Dollar. Das Massaker unter der Motorhaube nichts. Ein Taxi bringt uns zum Mandalay Bay Hotel. Unser Zimmer ist im 21. Stock, mit Blick auf die Poollandschaft. Mona wühlt aus dem Koffer den Badeanzug heraus. Das Wetter ist fantastisch, heiß. Die Abkühlung im Wellenbecken gefällt uns, mit großen Schwimmreifen durch den Wasserkanal zu treiben, macht Spaß.
Unser Hotel grenzt direkt an das Pyramiden-Hotel Luxor. Im Luxor gibt es eine mexikanische Kneipe mit Caesar Salad und Shrimp quesadillas. Verrücktes Las Vegas! Um uns herum wirbeln Hexen, Spinnweben dekorieren die Lokale. In vier Tagen ist Halloween. Die Werbetrommel für die Show und andere Aktivitäten läuft auf Hochtouren. Die Spielcasinos sind den ganzen Tag über gut besucht. Uns reizt das nicht.
Horst fährt am Abend mit dem Taxi zum Flughafen. Freunde aus München sind gerade gelandet. Mona freut sich besonders auf die beiden Jungs. Sie sind zwar schon junge Erwachsene, aber eben ihrem Alter näher als wir. Mit Mona sortiere ich in der Zwischenzeit unser Gepäck neu. Es sind doch einige überflüssige Kleidungsstücke dabei. Ich habe zum Beispiel ein Paar High Heels mitgenommen und ein schönes Kleid. Stöckelschuhe trage ich daheim schon kaum, also weg damit. Mona ist ein Stück in die Länge gewachsen. Einige Hosen und Jacken sind zu kurz. Über Monas Kleidung freut sich die Charity. Einen Koffer werden wir nach Hause schicken, mit erbeuteten Souvenirs und nicht zweckmäßigen und notwendigen Dingen. Mitleidig halte ich das Armani-Jackett in der Hand: „Du wärst zusammen mit meinem schicken Kleid besser daheim aufgehoben als hier im Koffer ...“ „Mama!“, entrüstet sich Mona. Ich schaue meine Kleine an und fächle die lästige Besserwisserstaubfluse von meiner Schulter.
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