Wie am Anfang dieses Abschnitts gesagt wurde, existieren für eine total differenzierbare Funktion
auch die partiellen Ableitungen. Die Umkehrung stimmt aber nicht immer: Eine Funktion kann an einer Stelle
zwar alle partiellen Ableitungen besitzen, sie muss aber trotzdem nicht total differenzierbar sein.
Ein Beispiel:Die Funktion
mit
ist nach dem Abschnitt »Nur einen Teil: Die partielle Ableitung« an der Stelle
zwar nicht stetig, aber besitzt dort beide partiellen Ableitungen
und
. Wäre die Funktion
dort auch total differenzierbar, dann müsste
in
stetig sein. Da sie das nicht ist, kann sie dort nicht total differenzierbar sein.
Die totale Differenzierbarkeit einer Funktion bedeutet also tatsächlich mehr als die Existenz aller partiellen Ableitungen, auch wenn Sie, falls die betreffende Funktion überhaupt total differenzierbar ist, die totale Ableitung über die partiellen Ableitungen ausrechnen können.
Das klingt verwirrend und stellt in der Tat eine Falle dar, in die Sie bei Differenzierbarkeitsuntersuchungen geraten könnten. Allerdings können Sie den partiellen Ableitungen
oft ansehen, dass die Funktion
auch total differenzierbar ist.
Ist eine Funktion
in einer Umgebung von
nach allen Variablen
partiell differenzierbar und alle partiellen Ableitungen
sind im Punkt
stetig, dann ist die Funktion
in
auch total differenzierbar.
Für sehr viele praxisrelevante Funktionen können Sie die Stetigkeit der partiellen Ableitungen leicht feststellen und erhalten damit dann automatisch die totale Differenzierbarkeit.
Ein Beispiel:Die Funktion
ist in der Umgebung eines jeden Punkts
partiell differenzierbar:
Diese partiellen Ableitungen sind Polynome in den drei Variablen
und
und daher überall stetig. Damit ist die Funktion
überall total differenzierbar.
Wie im Abschnitt »Nur einen Teil: die partielle Ableitung« erläutert wurde, sind die partiellen Ableitungen
der Funktion
die Änderungsraten der Funktion in die Richtungen der
-ten Koordinatenachse. Ähnlich wie die partiellen Ableitungen in Richtung der Koordinantenachsen gibt es Richtungsableitungen einer Funktion
in beliebige Richtungen
.
Für eine reellwertige Funktion können Sie sich vorstellen, dass die partiellen Ableitungen Ihnen die Steigung des Graphen in die durch die Koordinantenachsen vorgegebenen Himmelsrichtungen angibt. Eine Richtungsableitung in Richtung
gibt Ihnen entsprechend die Steigung des Graphen in dieser Richtung an.
Für eine Funktion
und einen Richtungsvektor
heißt
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