Ingenieure - Status und Perspektiven
Der Ingenieur ist „schuld“. Sei es nun, dass ein Handy explodiert oder ein Flugzeug abstürzt. Die Debakel der letzten Jahre sprechen eine eindeutige Sprache. Das Vorurteil, dass bei Ingenieuren alle Entscheidungen nach Faktenlage geschehen, erschwert die Beurteilung der Situation. Denn in diesem Falle wären die Ingenieure tatsächlich immer schuld.
Wer berichtet über die Debakel? Presse, Management und Politik. Laien, die grundsätzlich jegliche Schuld von sich weisen. Äußerungen von Ingenieuren findet man selten. Geschürt werden Ressentiments durch die „öffentliche Meinung“, die das Ingenieurwesen nicht versteht, technikfeindlich denkt und somit im Ingenieur ein Opfer gefunden hat. Das System ist mittlerweile so fortgeschritten, dass „Promis“ stolz damit hausieren gehen dürfen, früher Nieten in Naturwissenschaften und Mathe gewesen zu sein. Andere Bereiche sind dafür nicht geeignet. Diese „Psychologie der bestätigten Vorurteile“ gegenüber Gruppen, die man schuldig sprechen will, funktionierte schon immer bestens. Trotz unfassbarer Beispiele scheint der Lerneffekt aber gegen Null zu tendieren.
Die Realität ist im Ingenieurwesen aber eine andere: Bei vielen technischen Entscheidungen werden die Fachingenieure nicht mit einbezogen. Sie müssen die ihnen gestellten Aufgaben lediglich „irgendwie“ umsetzen. Um den Schein zu wahren, findet jedoch eine Einbindung pro forma statt: Der Vorstand trifft eine Entscheidung und der 30-jährige karriereverliebte Abteilungsleiter bestätigt die Ausführung mit der Bemerkung „kein Problem“. Dieser verlangt vom 25 Jahre älteren Ingenieur die Umsetzung dieser Aufgabe, während er ihm gleichzeitig Unfähigkeit bescheinigt. Dies ist häufig die klassische deutsche Ausgangsbasis, die auch bestens dazu geeignet ist, teure Arbeitskräfte loszuwerden.
Dies alles, da die Entscheidungsträger in den seltensten Fällen nach Faktenlage, sondern meist nach reinem persönlichem Vorteil entscheiden und dabei ihr Risiko minimieren wollen.
Unterstützend „informiert“ die Presse die Öffentlichkeit durch unkritische, irrelevante, inkompetente und somit teilweise falsche Berichte und beschäftigt sie damit. Aber auch für Propagandamaßnahmen der Wirtschaft lässt sie sich gerne benutzen.
Die überforderte Politik kaschiert ihre Unfähigkeit durch Zusammenarbeit mit Industrie und Kapital zum Zwecke des Machterhalts beider Seiten.
Zu diesem Zweck schreckt sie auch nicht davor zurück, weit über 50 % der Arbeitslosen schlichtweg umzubenennen. Dies, um die potentiellen Wähler und Nachbarländer durch Zahlen zu manipulieren, aber auch, um damit über die Behauptung des Fehlens von Arbeitskräften aus Nachbarländern Arbeitskräfte rekrutieren zu können. Damit wird ein Überangebot an (Pseudo-)fachkräften geschaffen, womit deren beliebige Austauschbarkeit im Sinne der „Freien Wirtschaft“ gewährleistet wird.
Die Eskalation dieser Systeme wird in Europa auf mittlere Sicht nur Verlierer produzieren, wenn sich nichts grundlegendst ändert. Dies ist auch einfach daran ersichtlich, dass jedes Großprojekt der letzten Jahrzehnte in einem Desaster für die Gemeinschaft endete. Noch nie gab es für diese Verantwortungslosigkeit echte Konsequenzen, womit dieser offiziell Vorschub geleistet wird.
Um die finale Eskalation der Systeme zu verhindern, müssen aber zunächst deren Strukturen klar dargelegt und verstanden werden.
Armin Odoleg
Ingenieure
Status und Perspektiven
Im System des
Absurden Optimismus
Denn um dem Denken eine Grenze zu ziehen,
müssten wir beide Seiten dieser Grenze denken können
(wir müssten also denken können, was sich nicht denken lässt).
Ludwig Wittgenstein
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 1
Die Funktionsweise von Menschen 7
Die Wahrnehmung und ihre Folgen 8
Kognitive Dissonanz 14
Die Sucht nach „Konformität“ 17
Beispiele der Kognitiven Dissonanz 18
Überzeugungen 25
Erfahrung und Vorurteil 26
Die „Paradoxe Verschreibung“ 28
Dunning-Kruger-Effekt 30
Gut und Böse, Richtig und Falsch... 31
Was denn nun? 32
Die Qualifikation des Ingenieurs 34
„Qualität... 36
Schlechte Nachrichten 39
Der „Chef-Effekt“ 43
Absurder Optimismus 44
„Manager 46
Das Gehirn 49
Soziopathen 50
Die selbsternannten Eliten 52
Verantwortung 58
Krisen 62
Ingenieure 63
Kompetenz 64
Die Bewertung der Kompetenz 69
Der Fachkräftemangel 70
Das Bewerbungsgespräch 75
Die Entlassungen 77
Die Personaldienstleister 79
Die „Vollendeten Tatsachen“ 80
Der Ruf nach Frei- und Querdenkern 83
Innovation und Kreativität 85
Großraumbüros 87
Computer 89
VDI-Nachrichten 93
Die ideale Firma 96
Die Firmen-Berater 102
Die Kontrollmechanismen 107
Die Controller 108
Die falschen Hoffnungen 111
Die falschen Schlüsse 113
Die falschen Aussagen ( = Lügen) 114
Die Erniedrigung 116
Die Bildung an den Universitäten 118
Die Professoren 120
Die Veröffentlichungen 122
Die Rolle der Presse 123
Das Geld... 126
Die Pendelei 128
Erfolg 130
„Wer gut schmiert... 133
Die Übertragung auf andere Bereiche 138
Systeme der Macht 140
Bekannte Systeme? 141
Abschlussgeschichte ICE 1 144
Die Radreifen 150
Das aktuelle Pendant 151
Die Verhaltensmuster 155
Strategien zur Erhaltung der Macht 156
Die Arbeit am Produkt 158
Menschliche Konsequenzen 161
Zusammenfassung und Ausblick 162
Das Schrumpfen des Wasserkopfes 164
Direkte Ansätze 164
Abstellung des Absurden Optimismus 168
Die Wertschätzung 169
Das Führungspersonal 171
Die Gesellschaft 173
Es ist alles gesagt... 176
Glossar 178
Zitate 182
Literatur 184
Als Luft- und Raumfahrttechniker arbeite ich mittlerweile im Bereich der Windkraft. Warum? Als ich vor langer Zeit studierte hörte ich den Vortrag eines Betriebswirts. Er fragte: „Wie viele Unis gibt es, die Luft- und Raumfahrttechnik unterrichten?“. Wir kamen auf mindestens 8; Fachhochschulen und Universitäten. Dann meinte er: „Nehmen wir einmal an, pro Universität gibt es in diesem Studiengang 50 Studenten (wir waren mehr) – dies bedeutet im Minimum 400 Abgänger pro Jahr“. Er schloss mit der Feststellung: „Wissen sie, wie viele im Jahr in Deutschland gebraucht werden? Ich sag's Ihnen: es sind 70!“.
Und damals waren Firmen, die Flugzeuge bauten, in Deutschland noch relativ zahlreich.
Zum Thema „Windkraft“: Mir fallen ad hoc 6 Universitäten ein, an denen ein Lehrstuhl für Windkraft eingerichtet wurde. Man kann zu diesem Thema stehen, wie man will, aber: Wie viele Ingenieure werden momentan ausgebildet und wie viele werden benötigt? Muss jeder Fehler wiederholt werden? In jedem Falle wird künstlich ein Überangebot erzeugt. Vorsichtig geschätzt werden also doppelt so viele Fachleute ausgebildet wie benötigt werden. Und gleichzeitig wird der „Fachkräftemangel“ permanent thematisiert. Komisch, oder?
Das Dokument stellt somit an Beispielen die Situation insbesondere von Ingenieuren, aber auch anderen Naturwissenschaftlern, dar. Dies geschieht durch konsequentes, systematisches Hinterfragen dieser Situation.
Die Erfahrung aus vielen Firmen zeigt, dass dort so ziemlich alles eigenartig ist. Die Systeme, von denen man umgeben ist, erweisen sich großenteils als widersprüchlich. Diese Systeme werden hier erklärt, die Widersprüche aufgezeigt und der Sinn dargelegt. Denn normalerweise wäre es leicht, sie aufzulösen – wenn es wirklich gewünscht wäre.
Das bedeutet nicht, dass dies für alle Firmen gültig ist. Es scheint mir jedoch im Mittel und insbesondere für größere Firmen korrekt zu sein. Die Firmen sind dann auch zum Teil mit großem Presserummel in die Insolvenz gegangen. Oder sie waren permanent kurz davor – deshalb waren sie permanent in finanziellen Nöten und damit fehlte auch das Geld für die Angestellten und an eine Gehaltserhöhung war schon gar nicht zu denken. Während Gehaltserhöhungen nach einem halben Jahrzehnt Firmenzugehörigkeit „nicht möglich“ waren, hat der Vorstand zum selben Zeitpunkt immer eine Möglichkeit gefunden, sich mehrere Millionen an Boni, also an zusätzlichem Gehalt, zu gönnen. Wie hoch dies ausfiel, kann nicht exakt beziffert werden, aber als Mitarbeiter einer Firma kann es leicht näherungsweise rückgerechnet werden, da „Gehaltsaufwendungen“ öffentlich dargelegt werden müssen. Und das Gehalt der normalen Angestellten stieg in den letzten Jahren in keiner bekannten Firma um über 8 %...
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